Digitale Kompetenzen im Zeitalter der künstlichen Intelligenz


Noch vor wenigen Jahrzehnten galten Maschinen, die menschliche Intelligenz nachahmen und komplexe Aufgaben erfüllen können, als Science-Fiction. Allerdings befinden wir uns heute inmitten einer technologischen Revolution, die stark von künstlicher Intelligenz (KI) bestimmt wird. Tatsächlich ist KI heute eine Realität, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnte, denn sie verändert Arbeitsmärkte und definiert die im digitalen Zeitalter erforderlichen Qualifikationen zum Teil völlig neu.
Wie vom Weltwirtschaftsforum (2023a) hervorgehoben, geht es nicht nur um die Arbeitsplätze, die durch KI wegfallen werden, sondern auch um die, die durch sie neu entstehen. Mit KI bezeichnen wir hier das weite Feld der Computerwissenschaften, das sich mit der Entwicklung intelligenter Maschinen befasst, die in der Lage sind, komplexe Aufgaben auszuführen, für die normalerweise menschliche Intelligenz erforderlich ist (d. h. fast alles von einfachen Algorithmen bis hin zu maschinellem Lernen und Deep Learning). Genauer gesagt kann die KI eine Vielzahl von Aufgaben übernehmen, von der Bilderkennung bis hin zu datengestützten Entscheidungen, und sie kann lernen und sich an neue Gegebenheiten anpassen.
Künstliche Intelligenz im Arbeitsmarkt
Der Einsatz von Algorithmen und intelligenten Maschinen wird immer mehr in unser tägliches Leben integriert, und digitale Kompetenzen sind entscheidend dafür, um zukünftig auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.
Die vom Weltwirtschaftsforum (2023a) durchgeführte Untersuchung brachte eine Übersicht der Aufgaben und Berufe mit dem größten Automatisierungspotenzial zu Tage. Eine der größten Sorgen im Hinblick auf KI und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt ist demnach der Verlust von Arbeitsplätzen. Am gefährdetsten sind Arbeitsplätze, die auf repetitiven Aufgaben und standardisierten Prozessen beruhen (z. B. Aufzeichnung und Verwaltung von Informationen) und nur begrenzt fachliche oder interaktive Komponenten aufweisen. Die künstliche Intelligenz hat bereits unter Beweis gestellt, dass sie diese Aufgaben recht zuverlässig und kompetent übernehmen kann.
Darüber hinaus kann die KI auch als Hilfsmittel betrachtet werden, das bei vielen Aufgaben helfen kann, die Fachleute bei ihrer täglichen Arbeit erledigen müssen. So kann KI beispielsweise die Datenanalyse und -prognose im Finanz- und Marketingsektor deutlich vereinfachen, d. h. in Bereichen, in denen große Datenmengen in der Regel schnell verarbeitet werden müssen. Auch im Gesundheitswesen könnte KI ein nützliches Instrument darstellen, das bei medizinischen Diagnosen, Behandlungsempfehlungen, in der klinischen Praxis und bei biomedizinischen Anwendungen helfen kann (Yu et al. 2018). Gleiches gilt für den Bildungssektor, wo KI die Lernerfahrung durch geeignete Unterrichtspraktiken und die Zusammenarbeit der Lehrkräfte verbessern kann. Darüber hinaus verändert sie in revolutionärer Weise die Nutzung neuer Technologien durch Lernende (Roll & Wylie 2016).
Auch könnte die KI erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Arbeitsplätzen in zahlreichen Bereichen haben, indem sie Elemente der Mensch-Maschine weiterentwickelt. Laut dem Future of Jobs Report (Weltwirtschaftsforum 2023b) werden in den nächsten fünf Jahren mehr als 75 % der Unternehmen versuchen, Technologien im Zusammenhang mit Big Data, Cloud Computing und KI-Funktionen einzuführen. Die Entwicklung dieser neuen Technologien wird zweifelsohne die Struktur des Arbeitsmarktes verändern, wobei dies im Endergebnis nicht unbedingt zu weniger Arbeitsplätzen führen muss. Das Weltwirtschaftsforum (2023a) hat mindestens vier Gruppen neu entstehender Rollen / Tätigkeitsfelder identifiziert, die von der Entwicklung der KI positiv beeinflusst werden könnten:
KI-Modell- und Prompt Engineers;
KI Content Creators;
Datenkuratoren und Datentrainer;
Spezialisten für Ethik und Governance.
Darüber hinaus sollte erwähnt werden, dass KI-bezogene Kompetenzen insbesondere im öffentlichen Sektor eine wichtige Qualifikation sein können, denn die digitale Transformation ist ein Prozess, der auch die öffentliche Verwaltung betrifft. Vor diesem Hintergrund sollte eine steigende Nachfrage nach Fachkräften zu erwarten sein, die Kenntnisse über die digitale Welt mit Fähigkeiten im sozio-organisatorischen und politisch-administrativen Bereich kombinieren können.
Bis jetzt haben wir über die Zukunft gesprochen, doch wie sieht die aktuelle Situation aus? Wie viele offene Stellen gibt es derzeit in den westlichen Ländern? Ein kürzlich von der OECD veröffentlichtes Arbeitspapier (Borgonovi et al. 2023) hat Online-Stellenanzeigen in 14 OECD-Ländern analysiert und festgestellt, dass KI-Stellen immer noch einen kleinen Prozentsatz aller online ausgeschriebenen Stellen ausmachen, dass diese in den Jahren zwischen 2019 und 2022 jedoch auch einen bemerkenswerten Anstieg verzeichneten. Erwartungsgemäß konzentriert sich die Nachfrage nach KI-bezogenen Arbeitsplätzen stark auf bestimmte Sektoren, z. B. IKT und professionelle Dienstleistungen, und die am meisten nachgefragten Fähigkeiten hängen mit maschinellem Lernen zusammen.
Top-Arbeitgeber im KI-Bereich sind nicht nur an technischen Fertigkeiten interessiert, sondern auch an Fachkräften mit Führungs-, Management- und Problemlösungsfähigkeiten (OECD 2023). Politische Analysten der OECD (OECD 2022) betonten, dass durch den zunehmenden Einsatz von KI in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz zukünftig sozio-emotionale Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung sein dürften. Kritisches Denken, Problemlöse- und Anpassungsfähigkeit sowie effektive Kommunikationstechniken werden in der Tat immer wichtiger. Soft Skills ergänzen die digitalen Fähigkeiten und ermöglichen es dem oder der Einzelnen, sich in einem komplexen, sich ständig verändernden Arbeitsumfeld zurechtzufinden. Durch die Kombination von digitalen Fähigkeiten und Soft Skills kann der oder die Einzelne zu einem/einer vielseitigen Expert:in werden, die/der bereit ist, die Herausforderungen und Chancen der KI zu meistern.
Vorbereitung auf die Zukunft
Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz ist kein unvorhergesehenes Ereignis, und politische Entscheidungsträger:innen sollten über die Zeit und die Instrumente verfügen, um diese Veränderungen entsprechend zu gestalten und die potenziellen negativen Folgen im Hinblick auf Arbeitsplatzverlagerungen abzumildern. Handlungsbedarf wird explizit von Menschen in den OECD-Ländern gefordert, die laut eigener Aussage besorgt sind über die Entwicklung der KI in den nächsten zwei Jahrzehnten (OECD 2023a).
Der erste Punkt, den es zu berücksichtigen gilt, besteht darin, dass Arbeitnehmer:innen mit niedrigem Bildungsniveau in Berufen beschäftigt sind, die stärker von der Automatisierung bedroht sind. Dies steht in engem Zusammenhang mit meinem EPALE-Blogbeitrag (Vergolini 2023) über den sich wandelnden Qualifikationsbedarf, und auch der Vorschlag, den Schwerpunkt auf lebenslanges Lernen mit Anreizen sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch für Arbeitgeber:innen zu legen, ist nach wie vor gültig. Um etwas konkreter zu werden: Der erste Schritt muss über die „traditionelle Ausbildung“ erfolgen und die Universitäten bieten immer mehr Bachelor- und Masterabschlüsse im Bereich der Datenwissenschaften auf Grundlage eines interdisziplinären Ansatzes an.
Natürlich sind Universitätskurse nicht für Erwachsene konzipiert worden, die eine Umschulung oder Weiterbildung benötigen. Für sie gibt es zumindest zwei weitere Möglichkeiten. Die erste bezieht sich auf „alternative Qualifikationsnachweise“, die von Kato et alii (2020, 8) als „Qualifikationsnachweise, die von den zuständigen nationalen Bildungsbehörden nicht als eigenständige formale Bildungsabschlüsse anerkannt werden“, definiert werden. Sie umfassen sowohl akademische und berufliche Zertifikate als auch digitale Nachweise und werden auch als Microcredentials bezeichnet. Der Rat der Europäischen Union empfahl die Entwicklung von Microcredentials als Instrument zur Förderung des lebenslangen Lernens und der Beschäftigungsfähigkeit (OECD 2023b). Kurse, die digitale Kompetenzen vermitteln (z. B. Datenanalyse, Programmierung, digitales Marketing, Cybersicherheit), können über Online-Plattformen angeboten werden, was die Flexibilität und Bezahlbarkeit der Angebote erhöht. Die Kurse können von Behörden, Personalvermittlungsfirmen und privaten Unternehmen organisiert werden. So sind beispielsweise große Technologieunternehmen (z. B. Amazon, Google, IBM) Vorreiter bei der Organisation alternativer Qualifikationsprogramme im Bereich der KI.
Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von Open Source-Lernressourcen wie bspw. Tutorien, Foren und Dokumentationen; in dieser Hinsicht können Communitys wie GitHub für all jene sehr nützlich sein, die ihre KI-Kenntnisse verbessern wollen. Eine der Haupteinschränkungen besteht jedoch darin, dass die Teilnehmer:innen über bestimmte Vorkenntnisse verfügen müssen, die über das Grund- oder Einstiegsniveau hinausgehen, um die Vorteile von Open-Source-Tools voll nutzen zu können.
Referenzen
Borgonovi, F., Calvino, F., Criscuolo, C., Samek, L., Seitz, H., Nania, J., Nitschke & O’Kane, L. (2023). Emerging trends in AI skill demand across 14 OECD countries. OECD Working Paper.
OECD (2022). Skills for the Digital Transition: Assessing Recent Trends Using Big Data. OECD Publishing, Paris.
OECD (2023a). OECD Skills Outlook 2023. Skills for a Resilient Green and Digital Transition. OECD Publishing, Paris.
OECD (2023b). Micro-credentials for lifelong learning and employability. Uses and possibilities. OECD Publishing, Paris.
Roll, I., & Wylie, R. (2016). Evolution and revolution in artificial intelligence in education. International Journal of Artificial Intelligence in Education, 26, 582-599
Vergolini, L. (2023). Changing skills needs: how can people become employable? EPALE blogpost.
World Economic Forum (2023a). Jobs of Tomorrow: Large Language Models and Jobs. White paper.
World Economic Forum (2023b). Future of Jobs Report. Insight report.
Yu, K. H., Beam, A. L., & Kohane, I. S. (2018). Artificial intelligence in healthcare. Nature biomedical engineering, 2(10), 719-731.
Kommentar
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
Adapting and Thriving in the Age of Intelligence
The EPALE article discussed clearly highlights the radical transformation that Artificial Intelligence (AI) is driving in the labor market and education.
This digital transformation not only redefines existing job roles, but also creates new employment opportunities, underlining the importance of adapting our skills to this new technological reality.
The automation of repetitive tasks by AI, although it raises concerns about job security, also opens up a vast field of possibilities for roles that require advanced digital skills and a renewed focus on soft skills.
This dualism between displacement and job creation invites us to reflect on the importance of lifelong learning and adaptability as fundamental pillars for professional success in the digital age.
In addition, the emergence of microcredentials and alternative education offer flexible and accessible routes for continuous professional development, allowing individuals to remain relevant in their fields or explore new careers in a changing labor market.
These educational options are not only a response to the need for constant updating of technical skills, but also to the demand for socio-emotional skills critical to teamwork, effective communication and leadership in complex work environments.
However, the article also reminds us of the challenges inherent in this transition, particularly in terms of access and equity in education and employment. The need for policies and programs that ensure the inclusion of all individuals, regardless of their origin or educational level, is imperative to take full advantage of the opportunities that AI offers.
In conclusion, this analysis invites us to consider a holistic approach to the development of skills in the age of AI, one that balances technical mastery with the development of socio-emotional competencies, and that promotes continuous learning as a key strategy for adaptation and success in the future of work.
This approach will not only prepare workers for the challenges of tomorrow, but will also ensure that technology serves to expand opportunities and improve the quality of life of everyone.
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
What is the vision ?
AI is a topic which is featuring in every conference, meeting or even article I am coming across. However what is the vision for this tool (allow me to call it tool) ? Yesterday I had a discussion with a colleague. Are we creating a society of robots with no ability to think ? Will AI save time so that we can use time and resources elsewhere ? or are we going to keep doing the same things, but with AI doing the thinking instead of us ?
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
Great questions and wide topics!
Dear Ramon,
Thanks so much for your comment. You raise many key questions! I can already tell you that in 2024 at EPALE we will try to tackle them, with the help of experts, and involve our community in a discussion to share insights and experiences.
In the meanwhile, I'd like to point you at the 2023 EPALE Community Conference, where Claire Stark, from UNESCO, addressed some of these issues in her keynote speech. Here you can watch the recording of the whole first day of the Conference (including Stark's keynote speech) and here you can find an interview behind the scenes, where she dives deeper into these topics.
See you on EPALE! All the best
Sara - EPALE Moderator
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
Artificial intelligence…
Artificial intelligence tools can have a significant impact on communities, improving education systems, making learning more accessible, personalised and inclusive. To achieve this, however, it is essential that adult educators and teachers are competent in the ethical use of AI tools.
For example, in my course "AI tools for meaningful learning and training", I give educators the opportunity to apply strategies to help them select different tools, critically assess their suitability and use them ethically at different stages of the learning process - in the creation, delivery and evaluation of training. This approach not only supports the learning of specific tools, but also helps teachers and trainers to acquire truly modern digital skills and to be able to apply them in a flexible way.
In my course, I stress the importance of continuous professional development and active engagement with new tools and methods. I encourage teachers to remain versatile by constantly updating their toolbox with the latest technological tools and teaching methods. This approach, which I will emphasise throughout the training, involves constant reflection, frequent updating of teaching content and an open dialogue on the incorporation of new technologies. It ensures that educational methods remain up-to-date and relevant to the constantly evolving technological landscape. In turn, this not only contributes to the development of the individual, but also enriches the community, preparing an informed and competent population ready to face modern challenges.