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Haben und nicht haben

Wie können wir die finanziellen Herausforderungen in der Erwachsenenbildung meistern? Auswirkungen, Überlebensstrategien und kreative Lösungen.

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SprachUnion Chemnitz

Der Beitrag wurde ursprünglich von Regina Ebner auf Englisch veröffentlicht. 


To have and have not

Es gibt Menschen (unter anderem Politiker:innen), die immer wieder betonen, dass sich Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung ständig beklagen, und zwar meistens über Geld. Da könnte etwas dran sein, und in diesem Artikel werden wir sehen, warum. 

Dies ist der Status quo: die allgemeine Erwachsenenbildung ist das vernachlässigte Stiefkind des Bildungssystems, und finanzielle Förderung ist schwer zu bekommen. Natürlich ist die Situation von Land zu Land unterschiedlich. In den nordischen Ländern ist das System nach wie vor gut entwickelt, wer ausbildet oder unterrichtet, ist in der Regel gewerkschaftlich organisiert und wird entsprechend entlohnt. Es gibt andere Länder, in denen es sehr wenig oder gar keine Mittel gibt. In einigen Ländern fließen die Mittel in die berufliche Weiterbildung, in anderen in die Vermittlung von Grundkenntnissen, während andere Bereiche der Erwachsenenbildung dem freien Markt überlassen werden. 

Was ist falsch am freien Markt?

Nichts. Gegen Erwachsenenbildung auf dem freien Markt ist nichts einzuwenden. Es gibt eine Reihe hervorragender Angebote, die gewinnorientiert betrieben werden, sei es für Management-, Yoga- oder Sprachkurse, für künstlerische und kreative Kurse und vieles mehr. Die Frage lautet, wenig überraschend, wer Zugang zu diesen Kursen hat, d. h. konkret, wer sich dies leisten kann. Viele sind der Meinung, dass so genannte Freizeitkurse (Tanzen, Yoga usw.) nicht von der öffentlichen Hand unterstützt werden sollten. Klingt vernünftig. Das Problem ist, dass diese niedrigschwelligen Kurse oft der Weg zu weiteren und anderen Arten des Lernens sind, und es gibt durchaus einige, die über einen Freizeitkurs den Weg in Richtung Fort- oder Weiterbildung eingeschlagen haben. Ich bin daher der Meinung, dass ein breites und erschwingliches Angebot an Erwachsenenbildung notwendig ist, um Menschen für das Lernen zu begeistern.

Unterricht, Ausbildung und Qualität

Die Finanzierung hat eine direkte und unmittelbare Auswirkung auf alle, die in der Erwachsenenbildung unterrichten und ausbilden (und auch auf anderes Personal). Wie bereits erwähnt, verfügen solche Lehrkräfte in einigen Ländern in der Regel über Arbeitsverträge und angemessene Gehälter sowie über einen Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen. In anderen Ländern gibt es das alles nicht, zumindest nicht für Ausbildungstätigkeiten in bestimmten Bereichen. Für viel zu viele sind Dienstleistungsverträge und das Fehlen sozialer Absicherung oder Ausbildung Realität. Manchmal werden für sehr kleines Geld studentische Hilfskräfte angestellt. In anderen Ländern hängt die Erwachsenenbildung hauptsächlich von Ehrenamtlichen ab (gegen Ehrenamtliche ist nichts einzuwenden, sie leisten großartige Arbeit – dennoch sollten die Kurse von professionellen Lehrkräften mit entsprechender Ausbildung in der Erwachsenenbildung durchgeführt werden, die dann von Ehrenamtlichen unterstützt werden) Einige Anbieter im Bereich der Erwachsenenbildung versuchen, dies mit größeren Gruppen von Lernenden zu kompensieren, was sich auf die Qualität des Lernens auswirkt. Qualität ist ein zentrales Thema, und ich gehe davon aus, dass wir uns alle einig sind, dass wir uns ein qualitativ hochwertiges Angebot wünschen. Wenn wir wollen, dass dieses Angebot auch für eine große Zahl von (potenziellen) Lernenden zugänglich ist, ist in irgendeiner Form eine Finanzierung erforderlich.

Politische (Un-)abhängigkeit

In Ländern, in denen eine Finanzierung der Erwachsenenbildung durch die öffentliche Hand gegeben ist, besteht immer die Gefahr, dass diese von der aktuellen politischen Situation abhängig ist. Es kommt leider recht häufig vor, dass eine Initiative gestartet und dann wieder gestoppt wird (was etwa nach einer Wahl oder mit einer Neubesetzung des Minister:innenpostens passieren kann). So ist es nicht verwunderlich, dass Investitionen, Wissen und Know-how vergeudet werden und Lehrkräfte aus der Erwachsenenbildung in andere Berufe wechseln. Ein paar Jahre später wird eine weitere Initiative gestartet, die jedoch alles neu entwickeln muss. Dieser Stop-and-go-Ansatz steht der Umsetzung politischer Richtlinien und der Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung im Wege. Es kann auch zu einer Verunsicherung der Lernenden führen, da sie sich nicht sicher sein können, was ihr Lerneinsatz am Ende bringen wird. 

Auch die Erwachsenenbildung ist Opfer von Sparmaßnahmen geworden, entweder direkt oder indirekt durch Kürzungen bei den Quellen ihrer Fördermittel (z. B. den Kommunen). Die oben erwähnte Haltung, dass die Menschen ihr Lernen auf dem freien Markt selbst finanzieren sollten, wird in diesem Zusammenhang recht häufig vertreten. 

Zuletzt gilt es zu beachten, dass Erwachsenenbildung auch den Auswirkungen ideologischer Einflüsse ausgesetzt sein kann. Unsere Mitgliedsorganisationen in Weißrussland wurden alle vor ein paar Jahren aufgelöst. Einige EU-Länder mit autoritären Tendenzen haben ihre Unterstützung für die berufliche Weiterbildung verlagert. Eine sehr besorgniserregende Entwicklung hat sich beispielsweise in Schweden vollzogen, das normalerweise ein Vorzeigeland für die allgemeine Erwachsenenbildung (folkbildning) ist. Den Studienverbänden drohen nun umfangreiche Kürzungen (ein Drittel ihrer öffentlichen Mittel). Ein Kollege erklärte, dass die derzeitige Regierung Studienvereinigungen als „gefährliche Radikale“ ansieht. In dem riesigen Angebot an Studienvereinigungen finden Sie einige Kurse, die radikal klingen, aber alles andere ist natürlich Mainstream (und bietet Lernenden und ihren Gemeinschaften innovative Ansätze, Meinungsfreiheit und andere Vorteile). Dennoch sieht die derzeitige Regierung das Konzept und den Hintergrund von Studienkreisen als Bedrohung an, weshalb diese radikalen Kürzungen eingeführt wurden. Es hat Demonstrationen und Protestaktionen gegeben, so dass die Situation hoffentlich noch verbessert werden kann. 

Zivilgesellschaft für die Erwachsenenbildung

Dies führt mich zu einem der Themen, die ich besonders gern vertrete: Ich bin fest davon überzeugt, dass eine nationale (oder je nach Land regionale) Vertretung der Erwachsenenbildung und der entsprechenden Einrichtungen notwendig ist. Ich spreche von Dachverbänden, die eine Reihe von Aufgaben für ihre Mitglieder erfüllen. Eine dieser Aufgaben ist die Vertretung gegenüber der Regierung und in relevanten Verhandlungen, eine andere das Anbieten von Schulungen für Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung, was etwa im Rahmen von nationalen Treffen und Konferenzen usw. stattfinden könnte. Ich glaube, dass Dachverbände nicht nur den Erwachsenenbildungsorganisationen in einem Land zugute kommen, sondern auch den Regierungen/Ministerien. Auf diese Weise kann man mit nur einer Organisation verhandeln, die die Meinungen der jeweiligen Mitglieder erfasst und bündelt. 

Dachverbände gibt es in vielen europäischen Ländern, aber auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern. Einige Organisationen sind finanziell gut ausgestattet und können daher ihren Mitgliedern viele Dienstleistungen anbieten, sie können Kampagnen durchführen und eine gute Zusammenarbeit fördern (in einigen Ländern gibt es z. B. Organisationen für Lernende, die wiederum an den betreffenden Dachverband angebunden sind). In anderen Ländern gibt es keine Finanzierung, und die Organisationen leben von (meist geringen) Mitgliedsbeiträgen. Das bedeutet, dass dann alle ehrenamtlich tätig sind, was die Reichweite und die Wirkung natürlich begrenzt. Und es gibt Länder, in denen eine solche Vertretung überhaupt nicht existiert, was – wenig überraschend – der mangelnden Geltung des Erwachsenenbildungssystems im jeweiligen Staat geschuldet ist.

Tauschen und Teilen

Organisationen der Erwachsenenbildung haben es auf unterschiedlichste Weise geschafft, unter schwierigen Bedingungen zu überleben.

Knausern und Sparen

Die Leiterin der Sprachschule, in der ich vor langer Zeit arbeitete, erledigte die meisten Reinigungsarbeiten selbst. Wird die Unterkunft bei einer Konferenz zu teuer, teilen sich mehrere Kolleg:innen ein Zimmer. Konferenzräume befinden sich selten in schicken Hotels, sondern in Gemeindezentren, Bibliotheken und ähnlichen Gebäuden. Bei Konferenzen der Erwachsenenbildung werden häufig niedrige Teilnahmegebühren erhoben, damit mehr Menschen teilnehmen können. 

Auch dies ist nicht in allen Ländern und Organisationen der Fall, aber viele können ihre Arbeit in diesem Bereich nur auf diese Weise fortsetzen.

(Fast) umsonst arbeiten

Sollen wir über Gehälter sprechen? Ich würde meinen EAEA-Kolleg:innen gerne mehr für die wichtige und hervorragende Arbeit zahlen, die sie leisten, aber es ist einfach nicht möglich (und nachdem mir einmal während der Verhandlungen über unsere Finanzierung die Tränen gekommen sind, werde ich nicht weiter über unsere eigene Situation sprechen).

Ich habe auch schon erlebt, dass Leute ihr eigenes Gehalt gekürzt haben, damit die Finanzen ein bisschen länger reichen. (Internationaler Rat für Erwachsenenbildung, das geht an Sie).

Im Allgemeinen unterstützen sich die Organisationen der Erwachsenenbildung gegenseitig – d. h. Honorare für Vorträge oder Artikel sind nicht sehr verbreitet. Das ist für Selbständige ziemlich problematisch, die es sich nicht leisten können, Inputs für Erwachsenenbildungseinrichtungen kostenfrei zu liefern. Einige von ihnen sind bereit, gegen ein geringes Honorar zu sprechen oder zu schreiben, weil sie an die Bedeutung der Erwachsenenbildung glauben. (Vielen, vielen Dank an dieser Stelle dafür!). Andererseits bedeuten niedrige oder gar keine Honorare, dass zum Beispiel die Teilnahme an Konferenzen für mehr Menschen möglich ist und dass wir mehr Menschen einbeziehen können. 

Es gibt auch eine Reihe von Lehrkräften in diesem Bereich, die mit niedrigen Gehältern auskommen, weil sie Idealist:innen sind und fest an das glauben, was sie tun (wie die bereits erwähnten Selbständigen). Ich kann gar nicht genug betonen, wie wertvoll sie sind – sie machen einen Großteil der Erwachsenenbildung möglich, und sie sind diejenigen, die den Zugang zum Lernen erleichtern und gleichzeitig einen hohen Qualitätsstandard aufrecht erhalten. 

Habe ich jetzt alle ordentlich deprimiert? 

Im Gegensatz zu den oben erwähnten negativen Erfahrungen habe ich viel Solidarität zwischen Organisationen der Erwachsenenbildung und zwischen den einzelnen Lehrkräften erlebt, zum Beispiel die gemeinsame Nutzung und den Austausch von Ressourcen und manchmal sogar die gemeinsame Suche danach. Peer-Learning hat viele Innovationen hervorgebracht (auch und gerade mit Hilfe von Erasmus+).

Können wir noch kreativer werden?

Ich habe kürzlich mit einigen Kolleg:innen von ESREA (unserer Schwesterorganisation im Bereich der Erwachsenenbildungsforschung) darüber gesprochen. Können wir irgendwo anders Geld auftreiben? Crowdfunding? Spenden aus anderen Quellen? (Ich muss zugeben, dass wir diese Diskussion im EAEA-Büro schon ein paar Mal geführt haben. Und nein, wir werden es nicht mit Straßenmusik versuchen, auch wenn das in Erwägung gezogen wurde.)

Und nun, liebe:r Leser:in, möchte ich Sie fragen:

  • Was sind Ihre Erfahrungen mit Finanzierungen in der Erwachsenenbildung?
  • Haben Sie eine geniale Idee, wie man eine bessere Finanzierung erreichen kann? 
  • Haben Sie einen kreativen Weg zur Finanzierung gefunden? 
  • Haben Sie gute Beispiele für die Bereitschaft zum Teilen und Solidarität?

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Kommentar

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Dörte Stahl
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Do., 14.03.2024 - 15:52

Thank you so much, Gina Ebner, you speak from my heart 🧡.

My experiences with money in adult learning and education are: It is not enough. Not enough for the development of learner-centered educational offers, not enough for new educational offers that would initially have to be established with a small number of participants, not enough for the professional development of adult educators and educational management.

Ingenious ideas on how to achieve better financing like crowdfunding cause additional (unpaid) work, which is why they cannot be the solution in my view.

All we can do is cooperate, support each other and speak out loud with the aim of forcing political solutions. Because adult learning and education / lifelong learning is a task for society as a whole, not just an individual challenge.

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Maria FABIANI
Community Hero (Gold Member).
Di., 20.02.2024 - 23:18

@Christin CIESLAK  I launched an initiative called Donation for Training, where I offer specialised training in exchange for donations. This unique approach allows participants to enhance their skills and knowledge while contributing to a meaningful cause. The funds raised are used to support training and employment projects for vulnerable groups, fostering a culture of giving and growth. It's a system where every donation symbolises not only a step forward in someone's personal or professional development, but also a helping hand extended to the community.

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Savina MONIACI
Community Hero (Gold Member).
Di., 09.01.2024 - 19:45

@Christin CIESLAK  apart from likely local government or European grants and subsidies which could be allocated to institutions, ngos or directly to learners, a proper solution could be related to an Isa, i.e. a little percentage to be paid during worktime for a successive education financing during retirement or to the use of platforms like Kickstarte or Indiedgogo for Crowdfunding. 

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