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Europäische Bildungszusammenarbeit in transnationalen Projekten: vom Erfahrungsaustausch zu kreativ-partizipativen Problemlösungen

Viele Akteure im Bildungssektor verfügen in erheblichem Umfang über Erfahrungen in europäischen Projekten. Für andere sind transnationale Projekte noch sehr neu und exotisch im Vergleich zu ihrer täglichen Arbeit, und oftmals sind die ersten Schritte mit Unsicherheiten, Zweifeln oder sogar Ängsten verbunden.

Vom Erfahrungsaustausch zu kreativ-partizipativen Problemlösungen.

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Viele Akteure im Bildungssektor verfügen in erheblichem Umfang über Erfahrungen in europäischen Projekten. Für andere sind transnationale Projekte noch sehr neu und exotisch im Vergleich zu ihrer täglichen Arbeit, und oftmals sind die ersten Schritte mit Unsicherheiten, Zweifeln oder sogar Ängsten verbunden. Spätestens nach dem dritten Projekt stellt sich dann eine gewisse Routine beim Leben in und mit europäischen Projektzyklen ein. Partnerschaften zwischen Organisationen und in Netzwerken verfestigen sich, und der Mut zu quantitativ und qualitativ umfangreicheren und innovativeren Bildungsprojekten wächst. Doch wie können die unterschiedlichen Ebenen der europäischen Bildungszusammenarbeit in transnationalen Projekten beschrieben werden? Hier ein Versuch, der sich - ausgehend vom „Paradigm of Transnational Working“, entwickelt von Nicholas Walters (Inteval Ltd, UK) - auf langjährige Beobachtungen und den Austausch mit erfahrenen Akteuren stützt und keineswegs als empirisch belegbare These zu verstehen ist.

1. Transnationaler Einstieg

Auf der Einstiegsebene findet man anfangs häufig eine Mischung aus Vorfreude mit diffusen Ängsten vor. Die Teilnahme an internationalen Konferenzen hat ebenso wie die Urlaubsreise in ein unbekanntes Land einen exotischen Reiz für die beteiligten Personen. Für diejenigen, die ein europäisches Projekt neu aufnehmen, wird diese Vorfreude durch Unsicherheiten geschmälert, die von Reisestress über die Sorge um eine angemessene Unterkunft und Verpflegung bis hin zu der typischen Angst reichen, die eigenen fremdsprachlichen Kompetenzen würden nicht ausreichen (eine Angst, die spätestens dann verfliegt, wenn festgestellt wird, dass auch andere Teilnehmende außer den jeweiligen Muttersprachler*innen über eingeschränkte Sprachkenntnisse verfügen, und dass das Beherrschen der Projektsprache nicht zwangsläufig auch die entsprechende inhaltliche Kompetenz mit sich bringt). Wenn hier die positiven Erlebnisse und Wahrnehmungen überwiegen, steigt das Interesse der beteiligten Akteure an weiteren transnationalen Bildungserfahrungen.

2. Arbeiten in Delegationen

Die nächsthöhere Ebene kann am besten als Delegationsebene beschrieben werden. Die Teilnehmenden verstehen sich nunmehr als Abgesandte ihrer Organisation oder ihres Landes. Hier konzentrieren sich die Akteure auf die Darstellung der Erfahrungen und Beobachtungen aus der eigenen Organisation, dem Arbeitsumfeld und dem Heimatland. In Projekttreffen wird sehr viel Wert auf Präsentationen gelegt, und die dort vorgestellten Projekte und Aktivitäten der Partner betonen die jeweilige Leistung bzw. den Wert derselben. Der Austausch zwischen den Beteiligten reduziert sich dann häufig auf eine kritische Analyse der jeweiligen Präsentationen. Dabei besteht die Gefahr, dass sich Stereotype verstärken, wenn z.B. unterschiedliche Arbeitsstile auf althergebrachte Vorurteile („gut organisierte Deutsche“) zurückgeführt werden. Mit der Zeit und mit der Fähigkeit und Muße zur Reflexion ändert sich dies jedoch auf der nächsten Ebene.

3. Identifikation von Gemeinsamkeiten

Die dritte Ebene ist von zentraler Bedeutung für die weitere Entwicklung. Sie beginnt an dem Punkt, an dem wesentliche Gemeinsamkeiten verschiedener Ansätze der beteiligten Organisationen und Länder identifiziert und benannt werden. Dies wird in der Regel aufgrund von praktischen persönlichen Erfahrungen z.B. aus Studienbesuchen, Job Shadowings und Übungen geschehen. Daraus ergeben sich inhaltlich wertvolle Diskussionen, in denen - statt kritischen - nunmehr vergleichende Analysen vorgenommen werden, und die Auswahl guter Praktiken nicht lediglich anhand von Präsentationen und Papieren erfolgt. Auf dieser Ebene wächst nicht nur der Umfang an Gemeinsamkeiten, sondern es werden auch Unterschiede auf eine andere Weise wahrgenommen, als dies zuvor Fall war: statt über Unterschiede zu reden, die z.B. von nationalen politischen Zwängen oder den jeweiligen sozialen Kontexten abhängen, wächst das Verständnis für inhaltlich-konzeptuelle Unterschiede. Hier stehen viele Partnerschaften an einem Scheideweg. Während ein vertieftes Verständnis von inhaltlichen Unterschieden hilfreich für eine weitere Entwicklung der kollaborativen Arbeit ist, kann das Versäumnis, Unterschiede richtig wahrzunehmen und zu respektieren, Missverständnisse befördern und dadurch eine effektive partnerschaftliche Bildungsarbeit und deren weitere Entwicklung beeinträchtigen oder verhindern.

4. Arbeiten in Kooperationen

Wenn die Partner nicht auf den zuvor beschriebenen Irrweg gelangt sind, kann sich auf der vierten Ebene eine fruchtbare kooperative Bildungsarbeit entwickeln. Dies können thematische oder methodisch-praktische Projekte sein, die im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit umgesetzt werden. Der Schlüssel zum Erfolg auf dieser Ebene ist die Rollenverteilung bei der Durchführung der gemeinsamen Aufgabe. Diese wird auf der Basis des jeweiligen spezifischen Fachwissens der Partner vorgenommen, und jeder Partner übernimmt die Verantwortung für einen Teil des Projekts. Das Ganze ist dann die Summe dieser Teile; die Qualität des Ergebnisses ist stark davon abhängig, ob die jeweiligen Teile kohärent zueinander sind und keines der Teilaufgaben mangelhaft ausgeführt wurde. So nützt der beste Output wenig, wenn der für die Verbreitung der Ergebnisse zuständige Partner die Erwartungen nicht erfüllt.

5. Kreativ-partizipative Partnerschaften

Die fünfte Ebene hebt sich qualitativ deutlich von den vorherigen Arbeitsweisen ab. Hier tragen die zuvor identifizierten inhaltlich-konzeptuellen Unterschiede zur Beschreibung einer gemeinsamen Herausforderung bei, und es besteht Einigkeit zwischen den Partnern, dass diese Herausforderung gemeinsam, aber unter Berücksichtigung der gegenseitig anerkannten Unterschiede bearbeitet wird. Hier hat Transnationalität den größten Mehrwert, da sie die Chance bietet, kreativ und partizipativ in einem neuen Umfeld zu arbeiten. An diesem Punkt spielen die Kultur der eigenen Organisation, ihr Status, ihre akzeptierte Wissensbasis und ihre Haltungen eine untergeordnete Rolle. Der Kontext einer solchen transnationalen Partnerschaft ist freier und hilft, Lösungen für Probleme zu finden, die im gewohnten Umfeld der Organisationen oder auf einer der vorherigen Ebenen nicht möglich gewesen wäre. Dies hat signifikante Auswirkungen, nicht zuletzt für die Beteiligten, da vorgefasste Wertvorstellungen in Frage gestellt werden und kulturelle und konzeptionelle Gegebenheiten an Bedeutung verlieren. Dies ist zugleich die Ebene, auf der Synergien und nachhaltige Wirkungen am ehesten zu erwarten sind. Die europäische Bildungszusammenarbeit wird transformativ, gewinnt an Eigendynamik und Identität.

Jede längerfristige transnationale Partnerschaft wird eine oder mehrere dieser Ebenen so oder so ähnlich durchlaufen. Partnerschaften und Einzelpersonen können bereits auf der ersten Ebene stecken bleiben. Nicht jede Kooperation kann oder will die eigene Entwicklung bis zur fünften Ebene vorantreiben; es kann jedoch für viele Organisationen, Partnerschaften und Netzwerke hilfreich sein, die Entwicklung der eigenen europäischen Bildungsarbeit regelmäßig zu überprüfen und zu reflektieren.

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Ļoti iedrošinošs raksts, kurā tiek aprakstīta dalība projektos pa soļiem. Manuprāt, šāda veida rakstus vajag popularizēt un vairāk rakstīt par tiem, tieši no tāda aspekta, lai izglītības nozarē strādājošajiem būtu vairāk informācijas par tālakizglītības iespējām. 
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