Corona und die Weiterbildung – Krise oder Katalysator?
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Die Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 stellt die Gesellschaften der europäischen Nationen – ja, die Weltgemeinschaft – vor größte Herausforderungen. Schulen und Kitas werden geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt, Regionen wird Quarantäne verordnet. Firmen schicken ihre Mitarbeitenden ins Home Office; das öffentliche Leben kommt weitgehend zum Erliegen, jetzt, wo auch noch vor Cafébesuchen und Sozialkontakten gewarnt wird. Soziale Isolation als gesundheitsfördernde Zwangsmaßnahme – ist das auf Wochen hinaus das Ende der Erwachsenen- und Weiterbildung?
Das Ende der Erwachsenenbildung?
Auf den ersten Blick muss man dies bejahen: Während ich diese Zeilen schreibe, hat die Münchner Volkshochschule auf ihrer Webseite die Aussetzung aller Kurse bis 19. April angekündigt. Die Bonner VHS hält noch am Kursbetrieb fest, macht diese Praxis aber von den landesseitigen Entscheidungen zum Schulbetrieb abhängig. Zuvor hat die Landeszentrale für politische Bildung des Landes Baden-Württemberg alle Veranstaltungen bis zum 3. Mai abgesagt. Diese an den wenigen Beispielen illustrierte hochdynamische Entwicklung fordert allen Bildungseinrichtungen größte Flexibilität ab. Sie ist aber besonders für jene wirtschaftlich dramatisch, die in nennenswertem Umfang von Teilnehmergebühren abhängig sind. So forderte bereits vorgestern der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) die Bundesregierung auf, mit ihren Maßnahmepaketen zur Abmilderung der Folgen von Sars-CoV-2 insbesondere auch die zivilgesellschaftlichen Akteure der Jugend- und Bildungsarbeit zu unterstützen.
Aber natürlich hört mit dem Aussetzen von Veranstaltungen der organisierten Weiterbildung nicht die Bildung Erwachsener auf. Mir scheint das Gegenteil der Fall.
- Der Bedarf nach fundierter Information ist in der Bevölkerung größer als üblich. Massenmedien und Informationsanbieter im Netz reagieren mit kreativen Vermittlungsformen mathematisch-naturwissenschaftlichen Wissens. Erwachsene lernen anschaulich, warum Desinfektionsmittel nicht gegen Viren helfen und in welche Größenordnungen kleine Zahlen durch exponentielle Entwicklung katapultiert werden.
- Zudem zeigen sich Politik und Behörden in hohem Maße lernbereit und offen für die Beratung durch wissenschaftliche Experten. Mein Eindruck ist, dass dabei beide Seiten akzeptieren, dass sich Wissen ständig ändert. Das schafft zwar Unsicherheit in der Bevölkerung, zeugt aber von einer gewissen Reife im Umgang mit wissenschaftlichem Wissen.
- Schließlich ergeben sich enorme Veränderungen in Einstellungen und Verhaltensweisen. Die damit verbundenen Lern- und Selbstbildungsprozesse sind nicht zu unterschätzen. Der durch COVID-19 drohende massenhafte vorzeitige Tod von Teilen Bevölkerung führt zu breit akzeptierten Vorsichtsmaßnahmen, generationsübergreifender Rücksichtnahme und lässt die Menschen sogar mehr oder weniger klaglos akzeptieren, dass ihnen Fußballspiele und Konzerte entzogen werden. Welches Konfliktpotenzial mit der dauerhaften Zumutung solcherlei Einschränkungen einhergeht, muss abgewartet werden.
- Noch nicht abzusehen, aber nicht minder wahrscheinlich sind Lernprozesse Erwachsener in Sachen Entschleunigung. Ist erstmal der Pendlerweg zur Arbeit aus dem Tagesablauf gestrichen und sind die Steuererklärung und die per Home Office möglichen Aufgaben bearbeitet, entsteht ein neues Freizeit-Vakuum. Damit umzugehen ist nach Jahren der Arbeitsverdichtung für viele eine mehr oder weniger gut zu bewältigende Lernaufgabe.
Chance für die digital unterstützte Bildung
Eine besondere Chance bietet das Coronavirus für die digital unterstützte Bildung, und damit komme ich auch wieder zurück zu den Bildungsanbietern. Haben sie sich in den letzten Jahren doch oft schwer getan mit der Digitalisierung des Lernens, so ist jetzt schnelles Handeln mit vorhandenen Lösungen gefragt. Schulen müssen innerhalb kürzester Zeit Wege finden, wie Lehrende mit Schülerinnen und Schülern Aufgaben bearbeiten können, ohne dabei im selben Gebäude zu sein. Und zwar meist ohne verfügbare Lernsoftware oder Lernmanagementsysteme geschweige denn Erfahrung im Umgang damit. Selbiges gilt für Weiterbildungsanbieter.
Genau deswegen herrscht jetzt Goldgräberstimmung in der E-Learning-Branche. Ich konnte in den letzten Tagen beobachten, wie sich unter dem freundlichen Vorwand des „Aushelfens in schwierigen Zeiten“ Anbieter von Lernmanagement-Systemen per Pressemailing in Erinnerung rufen. Mancher bietet kostenpflichtige Lösungen gleich zum Nulltarif an. Das kann Ausdruck gelebter Solidarität sein oder eben doch eine allzu durchsichtige Form der Kundengewinnung.
Wie man auch immer diese Randerscheinungen bewerten mag – entscheidend ist doch, dass sich in der Coronakrise eine alternativlose Pflicht zum Nutzen digitaler Tools für Bildungsprozesse abzeichnet, in der diese Instrumente nicht mehr in Konkurrenz zum Lernen in der Präsenzgruppe treten, sondern zur notwendigen Bedingung organisierten Lernens im Ausnahmezustand werden. Vielleicht wird man deshalb in einigen Jahren die Krise von 2020 als den zentralen Katalysator der Digitalisierung in der Bildung identifizieren.
wb-web stellt unter https://wb-web.de/aktuelles/digital-wenn-nicht-jetzt-wann-dann.html einige nützliche Tools für das ansteckungsfreie Lernen über Glasfaserleitungen bereit. |
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© DIE/Rothbrust |
Über den Autor: Dr. Peter Brandt ist Abteilungsleiter "Wissenstransfer" beim Deutschen Institut für Erwachsenenbildung - Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. in Bonn. |
Kommentar
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die digital
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