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Empathie und psychologische Sicherheit in Organisationen. Interview mit Maja Wyborska (Teil 1)

Maja Wyborska arbeitet mit Führungskräften in Organisationen und schult diese im Bereich Empathie und psychologische Sicherheit.

Lesedauer: ca. 12 Minuten – liken, teilen, kommentieren!


Nachstehend finden Sie den ersten des insgesamt zweiteiligen Gesprächs mit Maja. Im ersten Teil spricht meine Interviewpartnerin darüber, warum und wie emotionale Sicherheit und Empathie in Organisationen geschaffen werden können. Im zweiten Teil konzentrieren wir uns auf die Aufgaben und Herausforderungen, denen sich Führungskräfte und Trainer:innen gegenübersehen, die diese Qualitäten in ihren Teams verankern möchten.

Maja, als wir uns beim Praktikum zur gewaltfreien Kommunikation (engl.: Nonviolent Communication) kennenlernten, warst du gerade dabei, Abschied von der Unternehmenswelt zu nehmen, hast dich in der Arbeit mit Einzelpersonen und Gruppen engagiert und eine Reihe von Initiativen gestartet, die sich an Beschäftigte im Bildungssektor richteten. Heute finden wir dich in anderen Rollen wieder, denn du arbeitest jetzt immer mehr mit großen Organisationen zusammen. Wie kam es dazu? 

Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die Arbeit mit der gesamten Organisation (d. h. nicht nur einzelnen Personen) einen größeren bzw. positiveren Einfluss bei bestimmten Menschen und Gruppen hatte – d. h. auf diese Weise konnte ich in einem größeren Rahmen wirken. Wenn Menschen bei einem offenen Entwicklungsworkshop zusammenkommen, sind sie dort, weil jede:r Teilnehmer:in etwas benötigt (oftmals jede:r etwas anderes!) und jede:r nimmt etwas von dem Workshop mit nach Hause. Jede:r benötigt Samen, die auf ungeeigneten Böden jedoch nicht gut wachsen. 

Wenn ich allerdings mit einem ganzen Team mit ähnlichen Zielen und Bedürfnissen arbeite und wir gemeinsam einen gestaffelten Prozess durchlaufen, führt dies häufig dazu, dass sich die Interaktionen innerhalb der Gruppe verändern und sowohl das berufliche als auch das außerberufliche Leben bestimmter Personen verändert wird. Ich weiß jetzt, dass ich am meisten etwas in der Welt bewegen kann, wenn ich prozessorientiert mit Teams in Organisationen arbeite, die aus Menschen bestehen, die viele Stunden am Tag miteinander verbringen. 

Dies ermöglicht es uns einerseits, an den tatsächlichen Herausforderungen dieser Teams im Bereich Kommunikation und Führung zu arbeiten. Andererseits sind die Veränderungen, die in diesen Teams durch die Zusammenarbeit entstehen, wahrscheinlich nachhaltiger, da alle Mitglieder das Erlernte praktizieren können. Jede:r von ihnen weiß, dass sie eine gemeinsame Basis haben und auf die in unseren Workshops entwickelte authentische Kommunikation aufbauen können. Und in der Regel wird mindestens acht Stunden am Tag gemeinsam praktiziert. Es wird sichergestellt, dass die Prozesse zur Unterstützung der Teams nicht nur einmalig ausgeführt werden, d. h.  die Teilnehmer wissen, dass das, was noch überarbeitet werden muss, in der nächsten gemeinsamen Sitzung erledigt wird – entweder als Gruppe oder in einer Einzelsitzung. Und Drittens: Was diese Menschen als ihre Fähigkeiten und Kompetenzen ansehen und vor allem wie sie die Welt durch die Linse menschlicher Gefühle und Bedürfnisse betrachten, tragen sie später in ihr Zuhause, ihre Beziehungen, ihre Familien, ihre Nachbarschaft, ihre Kindergärten oder die Schulen ihrer Kinder. 

Die Entwicklungsprozesse für Unternehmen, die ich einleite, werden durch grundlegende neurowissenschaftliche Erkenntnisse (z. B. die affektive Neurowissenschaft[1] gestützt, die es uns ermöglichen, die Funktionsweise des Teams und der Einzelperson bzw. deren Verhalten zu verstehen. Dies schafft mehr Raum für gegenseitiges Verständnis, insbesondere wenn das Team beginnt, auf Grundlage der gewaltfreien Kommunikation zu arbeiten. Die Menschen beginnen, eine tiefe, gemeinsame Identität zu spüren, sie verbinden sich auf menschlicher Ebene und es fällt ihnen dann leichter, große Herausforderungen als Organisation gemeinsam zu meistern. Ich arbeite immer noch mit einzelnen Kund:innen, obwohl ich in der Zusammenarbeit mit einer großen Organisation das Potenzial sehe, einen Beitrag zu einem größeren, positiven Wandel hin zu einem besseren und erfüllteren Leben für uns alle zu leisten.

 

Foto: Maja Wyborska bei der Arbeit, Foto aus dem Archiv der Befragten.

Für welchen Bereich der Erwachsenenbildung interessierst du dich derzeit am meisten?

Empathie in Organisationen einbringen und die menschliche Dimension der Organisation betonen. 

Natürlich besteht eine Organisation aus Menschen. Also ist die menschliche Dimension in ihr enthalten. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, uns an die Fertigkeiten zu erinnern, die jeder von uns von Geburt an hat, die wir jedoch im Laufe unseres Lebens durch die Sozialisation verloren haben. Mir geht es vor allem darum, dass man ganz natürlich mit Gefühlen und Bedürfnissen in Berührung kommt und sie ausdrücken kann. Mit zunehmendem Alter manifestiert sich diese Kompetenz vor allem in Form von Empathie, verstanden als wirkliches Zuhören, Reden, Nein sagen, Grenzen setzen, Authentizität ... Dies sind alles Elemente, die die psychologische Sicherheit in einer Organisation ausmachen. Es geht nicht darum, Empathie zu lernen, nur weil es gerade in Mode ist, sondern weil sie sich in Qualität, Sinn und Motivation für die Arbeit niederschlägt. 

Wenn eine Organisation – allgemein gesagt – eine „graue“, starre Struktur hat, die auf Hierarchie, Angst, der Suche nach einem Schuldigen, drohenden Urteilen, Drängen, dem Vorgeben, wer Recht hat etc. beruht – also auf den Qualitäten der konventionellen „linken Gehirnhälfte“ (dem so genannten instrumentellen Gehirn, das sich auf das Tun konzentriert) –, dann gibt es kaum eine Chance, dass die Mitglieder einer solchen Organisation Empathie nutzen, gesunde Beziehungen aufbauen, sich gegenseitig unterstützen und für das Unternehmen wertvolle Dinge tun können. Für solche Organisationen ist es schwierig, sich zu behaupten. Es geht nicht nur um die Atmosphäre, sondern auch um echte Geschäftsergebnisse und messbare KPIs. 

In der von mir beschriebenen stereotypen hierarchischen Organisation überwiegt der Ansatz des „Tuns“. Dieser Ansatz funktionierte in den alten Zeiten der industriellen Revolution, als es noch Fließbänder, Eisenbahnen usw. gab. Heute wird organisatorisches Wachstum und Unternehmensentwicklung unter anderem durch Kreativität oder den Blick für das große Ganze ermöglicht. Kreativität ist in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt – und damit „auf der anderen Seite“. Damit sie sich entfalten kann, sind psychologische Sicherheit und Neuorientierung erforderlich.

Was hat sich geändert? Warum funktioniert dieser „alte Ansatz“ nicht mehr?

Er ist nicht mehr effektiv, weil es nicht die Kompetenz des „Tuns“ ist, die wir am meisten brauchen. Vieles geschieht maschinell – bei vielen Tätigkeiten können wir erfolgreich durch Maschinen oder Technologie ersetzt werden. Roboter, Chat GPT ... Aber Technologie wird uns nicht in der zuvor erwähnten Kreativität und im Umgang miteinander ersetzen – auf menschlicher Ebene, auf der Ebene unserer Bedürfnisse. 

Jaak Pankseppa unterscheidet sieben emotionale Kreisläufe in unserem Gehirn: Suchen (seeking), Wut (rage/anger), Angst (fear/anxiety), Begehren (lust/sexuality), Fürsorge (care/nurturance), Panik (panic/separation), Freude/Spaß (play/joy). Die meisten Organisationen arbeiten nach dem Prinzip der Suche, das heißt einfach: tun, tun, tun. Für den geschäftlichen Erfolg von heute braucht man Menschen, die alle Kreisläufe nutzen. 

Was sind die Merkmale eines Teams, das auf Empathie beruht, und wie unterscheidet es sich von anderen?

Es gibt Teams, die mit einer Kultur der Einschüchterung arbeiten. In der Sprache der gewaltfreien Kommunikation würde ich sie als Teams in einer „Welt der Wölfe“ bezeichnen. Es ist eine Kultur der Fehlersuche, der Beschämung, der Feindseligkeit und des Urteils. Ich lade die Teams ein, sich in eine „Welt der Giraffen“ zu verändern. In dieser Welt, in der eine empathische Führungspersönlichkeit agiert, gibt es in neuropsychologischer Hinsicht viel Sicherheit, und es gibt Raum für Emotionen. 

Das bedeutet nicht, dass wir dort eine Gruppenpsychotherapie machen – wir suchen nur nach einer Qualität, bei der man ganz einfach wirklich man selbst sein kann. Es ist wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiter:innen keine Angst davor haben, Fehler zu machen und bestraft zu werden. Natürlich kann der Fehler des Teams eine Konsequenz nach sich ziehen, aber diese sollte nicht mit der Angst vor Bestrafung verbunden sein, die dazu führt, dass der Fehler nicht zugegeben wird. Wir bewegen uns von einer Kultur der Fehlervermeidung hin zu einer Kultur des Lernens aus Fehlern, denn Fehler gehören zur Entwicklung dazu. Wir bewegen uns von der Welt der Wölfe in die Welt der Giraffen.  

In diesem Bereich lasse ich mich unter anderem von der Forschung von Amy C. Edmondson und ihrem Buch Die angstfreie Organisation (The fearless organization) inspirieren. Ich sehe auch ein neurobiologisches Element zwischen diesen beiden Welten. Meiner Meinung nach war die Geschäftswelt bisher eher die Welt der bereits erwähnten „linken Gehirnhälfte“. Ich sehe viele Anzeichen dafür, dass dies nicht unbedingt funktioniert. Kurzfristig wahrscheinlich schon, um so viel wie möglich aus Mitarbeiter:innen herauszuholen und ihre Menschlichkeit nicht berücksichtigen zu müssen. Wenn man eine Führungskraft mit einem linkshemisphärischen Arbeitsstil ist, kann es eine funktionale Strategie sein, andere zu verängstigen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, mit einem hohen Preis in Form von geringer Motivation, mangelndem Vertrauen und hoher Fluktuation. Langfristig gesehen muss sich dieser Ansatz jedoch ändern, wenn Organisationen gedeihen wollen, aber auch wenn Führungskräfte und Einzelpersonen in Unternehmen das Gefühl haben sollen, dass sie etwas tun, das wirklich einen Sinn und einen tieferen Wert hat. Natürlich sind Gewinn, Erfolg, Effizienz und Rentabilität wichtig, und wir können sie am stärksten beeinflussen, wenn wir langfristig denken. Ich beobachte, dass Führungskräfte, die mit mir zusammenarbeiten, lernen, dass eine Kultur der Einschüchterung und der Schuldzuweisung bei Mitarbeiter:innen eine Art Blockade in dem Teil des Gehirns verursacht, der für wirtschaftliches Denken zuständig ist. Diese Wirkung erstickt die Kreativität und verhindert den Wunsch, sich frei zu äußern. Daher ist Panikmache wenig sinnvoll, nicht zuletzt aus wirtschaftlicher Sicht.  

Maja Wyborska podczas prowadzenia warsztatu

Foto: Maja Wyborska bei der Arbeit, Foto aus dem Archiv der Befragten.

Was bedeutet die Einführung von Empathie in einer Organisation in der Praxis?

Zumeist wenden sich Organisationen an mich, die eine bestimmte Herausforderung (oder eine Reihe von Herausforderungen) zu bewältigen haben. Vielleicht empfindet jemand in der Organisation Defizite im Bereich der psychologischen Sicherheit? Gibt es eine hohe Fluktuation des Personals? Manchmal berichten Mitarbeiter:innen über Schwierigkeiten, signalisieren Unbehagen, Burnout, ein hohes Maß an Stress bei der Arbeit und sind dennoch motiviert, in der Organisation zu bleiben ... Es kann sein, dass Skepsis vorherrscht, ein Verhalten, das auf Sündenbockmentalität oder Gaslighting als eine Form von Manipulation oder emotionaler Gewalt hinweist. Innerhalb der Organisation gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass es ein Problem gibt. 

Manchmal handelt es sich um eine Organisation, die bereits ein Kommunikationstraining zu bestimmten Themen absolviert hat, oft online, mit einer Reihe von bekannten Schulungsunternehmen und Trainer:innen – leider oft sehr theoretisch. Die Mitglieder der Organisation stehen dem erworbenen Wissen hilflos gegenüber – selbst, wenn sie bestimmte Aspekte oder Instrumente benennen können, wissen sie nicht, was sie damit anfangen sollen. 

Wenn ich also einen Entwicklungsprozess für ein Unternehmen plane, schaffe ich durch die von mir angewandten Methoden sofort Erfahrungen und setze Wissen in die Praxis um. Wenn ich ein Signal über ein Problem oder eine Herausforderung erhalte, treffe ich mich mit der/m oder den Projektverantwortlichen, dem Team, der Organisation, und wir versuchen, den Bereich zu identifizieren, an dem gearbeitet werden soll. Wir denken über den wichtigsten Aspekt nach, der angesprochen werden muss. Diese Fragen können vielfältig sein, z. B. die Kompetenz der Führungskraft, die Verbesserung des Sicherheitsgefühls in den Teams oder die Frage wie sichergestellt werden kann, dass jede Stimme gehört wird oder wie man sich gegenseitig unterstützt usw. 

Sobald der Umfang festgelegt ist – und sei es auch nur in groben Zügen – folgt ein Treffen, bei dem der/die Projektleiter:in mich dem Team vorstellt und die Initiative an mich übergibt. So kann ich anfangen, ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens aufzubauen. Die Teilnehmer:innen können erkennen, dass ich keine „Besserwisserin von außen“ bin, die den Menschen sagt, was sie tun sollen, sondern dass wir uns gemeinsam auf einen bestimmten Prozess einlassen, im Vertrauen auf das Wissen aller Teilnehmer:innen. 

Es folgt eine Phase von Einzelinterviews mit männlichen und weiblichen Teammitgliedern. Das Gespräch dauert in der Regel zwischen 30 und 60 Minuten und ist vertraulich. Solche Treffen schaffen psychologische Sicherheit rund um das gewählte Thema. Dann prüfe ich, ob der von der Führungskraft gewählte Bereich auch für die Mitarbeiter:innen wichtig ist. Manchmal kommt es vor, dass das, was von der Personalabteilung oder Führungskraft als Problem gemeldet wird, von den Teammitgliedern nicht so wahrgenommen wird. Auf Grundlage der Schlussfolgerungen aus den Befragungen formuliere ich einen konkreten Handlungsvorschlag für die Organisation. 

Der nächste Schritt ist die „Hauptveranstaltung“, bei der es sich in der Regel um einen zweitägigen Workshop handelt. Sie erfolgt in Form einer Moderation, bei der ich die Teilnehmer:innen bei ihrer eigenen Suche nach Lösungen unterstütze. 

Der nächste Schritt ist die Umsetzung der Maßnahmen. Einige Zeit später kehre ich dann zu dem Team zurück und wir überprüfen, was funktioniert und was nicht. Oft ist es der Beginn eines neuen Zyklus, d. h. wir gehen in einen weiteren Prozess über. Am Ende ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. 

Was mir den Sinn meiner Arbeit verdeutlicht, ist die Tatsache, dass Veränderungen in einem Team oft Auswirkungen auf die gesamte Organisation und ihre Umgestaltung haben. 

Wie ist so etwas möglich?

Ein gestärktes Team, das in einem Gefühl der emotionalen Sicherheit gemeinsam etwas durcharbeitet, beginnt anders zu handeln. Dies zeigt sich beispielsweise in der Art und Weise, wie sich die Menschen ausdrücken und wie sie miteinander umgehen. Sie werden oft authentischer und äußern sich zu dem, was ihnen wichtig ist. Die Organisation ist möglicherweise nicht daran gewöhnt oder darauf vorbereitet, so dass es Widerstand, Schwierigkeiten und Spannungen geben kann. Andererseits erkennen die Mitglieder anderer Teams, dass sich in diesem Team etwas verändert hat. Sie sind neugierig und manchmal wollen sie diese Authentizität auch einfach für sich selbst. 

Kannst du ein Beispiel für ein Problem nennen, an dem du kürzlich gearbeitet hast?

In einer meiner Organisationen bin ich in einem Prozess, der ursprünglich als Einführung in die Entwicklung eines Leitbildes gedacht war, aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht darum geht, ein Leitbild zu erlernen, sondern auf spezifische Herausforderungen zu reagieren. Diese spezielle Gruppe hatte ein großes Problem damit, sich zu Wort zu melden. Sie wurde in einem großen Unternehmen wie ein eigenständiges Team behandelt, was, wie sich herausstellte, für alle schwierig war. Die Mitarbeiter:innen sprachen jedoch nicht explizit darüber, sodass ihnen gar nicht bewusst war, dass andere Teammitglieder vor der gleichen Herausforderung standen. 

In diesem Team stehen wir noch vor dem Hauptworkshop, daher weiß ich nicht, welchen Weg wir als nächstes einschlagen werden. Andererseits erhalte ich Rückmeldungen von anderen Gruppen, mit denen wir bereits den gesamten oben erwähnten Prozess durchlaufen haben, was zeigt, wie wertvoll es war, ein Forum zu schaffen, in dem man sich begegnen, die Herausforderung benennen und nach Strategien suchen kann. Oft entstehen Strategien auf natürliche Weise und werden von einzelnen Teammitgliedern vorgeschlagen, nicht von mir. Nach und nach fühlten sich die Teilnehmer:innen in ihrer Gruppe immer sicherer und gewannen den Mut, mit denjenigen zu kommunizieren, die in der Hierarchie weiter oben stehen, und ihnen Probleme schon dann mitzuteilen, wenn sie wichtig wurden, und nicht erst, wenn ein kritischer Punkt überschritten war.

Wie lange dauert der Prozess mit einer Organisation, einem Team?

Das ist schwer zu sagen. Nicht immer handelt es sich von Anfang an um eine langfristige Zusammenarbeit – manchmal beginnen wir mit einem kürzeren Projekt, das sich aber oft weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse unserer Arbeit sichtbar werden. Ich glaube, dass es optimal ist, wenn die Zusammenarbeit zwei Jahre dauert. Es braucht Zeit, damit der Prozess in vielen Aspekten umgesetzt werden kann, so dass sich der Wandel auf einer tieferen Ebene vollziehen kann. Schließlich geht es bei einem solchen Prozess nicht um eine einzige Kompetenz oder einen einzigen Bereich. Es mag damit beginnen, dass man einen Dialog aufbauen kann, aber damit ist es in der Regel nicht getan. Hinter dem „sich Mitteilen“ stecken andere Dinge.

Es braucht auch Zeit, damit unser Nervensystem auf der individuellen Ebene die Veränderungen integrieren kann. Bei diesem Prozess geht es nicht um einen Intensiv-Workshop, auch wenn er eine ganze Woche dauert. Es geht um kleine Schritte, kleine Veränderungen, von einem Gespräch zum nächsten bis hin zum Hauptworkshop. Die entwickelten Anforderungen arbeiten im Hintergrund. Die Teilnehmer:innen setzen sie in die Praxis um, sie schauen sich an, was funktioniert und was nicht, und sie tun dies in ihrem wirklichen Leben, in ihrer Organisation und nicht im Schulungsraum. Daraus kann etwas Konkretes entstehen ... systemische Veränderungen, individuelle Integration oder auch Teamintegration. Die Gruppe erhält eine gemeinsame Sprache, rätselhafte Wörter erhalten eine Bedeutung in der Geschäftsrealität. Energie wird im Team wahrnehmbar. Das System beginnt sich zu verändern, zu bröckeln, zu wackeln. Wir beginnen damit, Zusammenhänge zu benennen, zu bemerken, aufzuzeigen. 

Was ist deine Rolle in einem solchen Prozess?

Ich unterstütze beim Aufbau von Kompetenzen und eines Gefühls der Sicherheit. Ich bin sehr darauf bedacht, keine Abhängigkeit von einer externen Trainerin zu schaffen, die mit vorgefertigten Anweisungen kommt. Am Ende des zweiten Tages des Workshops arbeitet das Team praktisch allein. Auf diese Weise unterstütze ich den Wandel auf einer tieferen, systemischen Ebene. Meiner Meinung nach ist das sinnvoller als reine Trainingsarbeit. 

Es erinnert mich an das Konzept zum Aufbau einer mitarbeiterzentrierten Organisation (engl. people centric organization – PCO). Kürzlich entbrannte in der Coaching- und HR-Community im Internet eine große Diskussion zu diesem Thema, nachdem Julia Grzesiek einen Artikel mit dem Titel „Unternehmen ersetzt Führungskräfte durch Trainer für persönliche Entwicklung –  Mitarbeiter wurden produktiver und zufriedener”[2] veröffentlicht hatte. Das PCO-Konzept zielt darauf ab, Führungskräfte durch Moderator:innen zu ersetzen und zu einer Unternehmensführung mit flacher Hierarchiestruktur überzugehen. 

Ich für meinen Teil würde nicht wollen, dass Führungskräfte und Manager:innen überhaupt nicht mehr gebraucht werden. Denn ich sehe den Unterschied zwischen einer/m Manager:in und einer Führungskraft. Die/der Manager:in verwaltet Prozesse und Menschen, die Führungskraft führt und schafft ein sicheres Umfeld, in dem sich die Mitarbeiter:innen entfalten können. 

Ich wünsche mir mehr Führungspersönlichkeiten, und ich wünsche mir, dass es sich dabei um Menschen handelt, die aus persönlicher Überzeugung und nicht allein aufgrund der ihnen übertragenen Funktion zu Führungspersönlichkeiten werden. Ich möchte die Menschen so befähigen, dass jeder eine Führungsrolle übernehmen kann. Ich möchte ihnen den Zugang zu ihren Potenzialen und Kompetenzen erleichtern, sodass sie in der Lage sind, ihre Teams zu unterstützen und ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld für sie zu schaffen.

Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mehr über die Rolle der Führungskräfte beim Aufbau einer empathischen Organisation. Ich lade Sie zum Lesen des zweiten Teils ein!


Maja Wyborska – Empathy@Work-Trainerin und Business Facilitator, Life & Business Trainerin, zertifizierte Resonanzheilerin, Trainerin im CNVC-Zertifizierungsprozess, Ausbilderin in der interpersonellen Neurobiologie. Das Ziel von Majas Arbeit ist es, eine Welt zu schaffen, die für alle funktioniert (wobei sie sich vor allem darauf konzentriert, Organisationen von einer Kultur der Schuldzuweisung hin zu einer Kultur des gemeinsamen Gedeihens zu transformieren). Sie verfügt über mehr als 14 Jahre Erfahrung in der internationalen Wirtschaft (Ernst & Young, Private Equity Funds). Neben ihrer Arbeit ist sie Mutter von drei wundervollen Kindern, von denen sie viel über das Leben lernt. Die von ihr durchgeführten Schulungen, Workshops, Vorträge, Coaching- und Resonanzheilungssitzungen basieren auf dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation (GFK) und der Neurobiologie und stellen Wohlbefinden und vertrauensvolle Beziehungen, sowohl im Beruf als auch im Privatleben, in den Fokus. Maja ist Mitautorin des Projekts „Ich sehen den Menschen“ und des Programms „Schüler:in-Mediator:in“.  Sie ist Mitbegründerin des jährlichen Empathie-Marathons in Polen.

 

Foto: Maja Wyborska, Foto aus dem Archiv der Befragten.

Mit weit über 1.000 Stunden an Workshops und Weiterbildung im Bereich der empathischen Kommunikation hilft sie Organisationen, Empathie zu einer Trumpfkarte, einem Wettbewerbsvorteil und einer Ressource für ihre Mitarbeiter, ihr Team und ihr Unternehmen zu machen. Hierzu entwickelt sie transformative Prozesse im Bereich Unternehmenskommunikation, die Organisationen helfen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Majas Lieblingsthemen sind: psychologische Sicherheit, Wohlbefinden, Vielfalt und Integration, Stress, berufliches Burnout, Organisationskultur, die auf Empathie statt auf Schuldzuweisungen basiert, effektiv Führen

Weitere Informationen zu Maja: majawyborska.pl, https://www.facebook.com/EmpathicLifePL und  https://www.linked
in.com/in/majawyborska/

Sie sagt über sich selbst: „Ich unterstütze Menschen in Führungspositionen und helfe damit Organisationen, sich zu entfalten und ihre Mitarbeiter wachsen und gedeihen zu lassen. Auf diese Weise können sie ihre Potenziale effektiv nutzen, sich ausdrücken und Spaß an ihrer Arbeit haben. Ich bin davon überzeugt, dass ein solches Handeln positive Veränderungen für die ganze Welt mit sich bringt. Eine Welt, in der Platz für alle ist, unabhängig von Geschlecht, Alter, Generation, politischen Ansichten, aber auch von den allgemeinen Ansichten über das Leben dahingehend, was wichtig und was unwichtig ist. Ich sehe Inklusion und die Vermittlung der genannten Kompetenzen als einen Weg zu einer besseren Welt.“


[1] Ein Ansatz, der vom Psychologen Jaak Pankseph entwickelt wurde. Lesen Sie mehr darüber, zum Beispiel in Anna Cwojdzinskas Artikel „Was treibt uns an? Wenn Neugierde ein Gefühl ist“ („Co nas napędza?Gdy ciekawość jest emocją”): Https://web.swps.pl/strefa-psyche/blog/relacje/15894-co-nas-napedza-gdy-ciekawosc-jest-emocja (Zugriff 20.08.2023).

[2] https://www.money.pl/gospodarka/firma-zastapila-menedzerow-trenerami-ro….


Dr. Agnieszka Leśny – Pädagogin und Kulturwissenschaftlerin, akademisch verbunden mit der Pädagogischen Fakultät der Universität Warschau. Sie arbeitet auf Projektbasis in verschiedenen Bereichen von Bildung und Wirtschaft. Zu ihren Fachgebieten gehören Motivation, effektive Kommunikation und Talentmanagement. Sie nutzt die Methodik der Erlebnispädagogik mit besonderem Fokus auf Outdoor-/Abenteuerpädagogik (Erlebnispädagogik) und Spiele / Gamification. Präsidentin der Stiftung Wissenschafts- und Abenteuerwerkstatt (Fundacji Pracownia Nauki i Przygody). EPALE-Botschafterin.


Sind Sie ein:e Coach, Trainer:in, leiten Sie Schulungen? Sie sind auf der Suche nach Inspiration, bewährten Schulungsmethoden, Coaching-Tools und maßgeschneiderten Formaten?

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