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Anerkennung von Lernergebnissen am Arbeitsplatz

Forschungsarbeit zur Praxis der Validierung und Anerkennung von Lernergebnissen durch Führungskräfte und Manager publiziert.

TreeImage.
Philipp Assinger

Die Anerkennung von Lernergebnissen (d.h. Validierung Non-formalen and Informalen Lernens bzw. Recognition of Prior Learning) ist ein zentrales Thema europäischer Erwachsenenbildungspolitik. Einer der Schwerpunkte liegt darauf, die Etablierung von Verfahren anzuregen, mit denen Personen, die im Bildungs- oder Arbeitsmarksystem Benachteiligungen erfahren haben, über den Weg der Validierung zu einer anerkannten beruflichen Qualifikation kommen können, ohne den regulären Bildungsweg durchlaufen zu müssen (Rat der Europäischen Union 2012). Vor allem jene non-formalen oder informellen Lernergebnisse, die im Zuge der Ausübung beruflicher Tätigkeiten entstanden sind und auch wieder bei beruflichen Tätigkeiten zur Anwendung kommen, sollen anerkannt werden.

Einbindung von Arbeit gebenden Unternehmen ist wichtig, aber herausfordernd

Bildungs- und Beratungseinrichtungen, Interessenvertretungen sowie Organisationen aus dem Dritten Sektor sind wichtige Träger von Anerkennungsverfahren. Ihnen werden in politischen Programmen Aufgaben und Verantwortungen in Bezug zu Beratung und Validierung (d.h. Identifikation, Dokumentation, Bewertung und Zertifizierung) von Lernergebnissen zugewiesen. Die Arbeit gebenden Unternehmen haben eine ebenso wichtige, aber oft unterschätzte Rolle, denn sie entscheiden schlussendlich über die Anerkennung der Zertifikate und darüber, ob Validierungsergebnisse beruflich verwertet werden können. Die Aufgaben und Verantwortungen der Unternehmen bleiben jedoch unklar, auch wenn darauf hingewiesen wird, dass deren Einbindung von Bedeutung wäre (Rat der Europäischen Union 2012).

Arbeit gebende Unternehmen mit der Anerkennung von Lernergebnissen in Verbindung zu bringen ist mit Herausforderungen verbunden. Das österreichische Forschungsprojekt Valid Holz, das von der Universität Graz durchgeführt wurde, hat sich einigen dieser Herausforderungen gewidmet (Assinger 2022b). Unter anderem wurde danach gefragt, wie Führungskräfte und Manager in Hinblick auf die Anerkennung von Lernergebnissen agieren und was das für die Kompetenzentwicklung der Arbeitnehmer:innen bedeutet. Ergebnisse dieses Projekts wurden kürzlich in einem Artikel in der Zeitschrift Studies in Continuing Education publiziert (Assinger 2022a).

Neuer Zugang zur Anerkennung von Lernergebnissen am Arbeitsplatz skizziert

Ausgangspunkt des Artikels waren drei Feststellungen: 1) Arbeitsplätze reproduzieren gesellschaftliche Machtverhältnisse, weswegen die Interessen hinsichtlich der Anerkennung zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen divergieren und nicht alle Arbeitnehmer:innen gleichermaßen Anerkennung erfahren (Berglund & Andersson 2012). 2) Das Konzept der Anerkennung entlang von Identifikation, Dokumentation, Bewertung und Zertifizierung von Lernergebnissen (i.e. Validierung) ist nur bedingt geeignet, um Anerkennungspraxis am Arbeitsplatz zu erfassen. 3) Die Anerkennung von Lernergebnissen sollte optimalerweise wieder in Lernprozesse übergehen bzw. diese anregen, damit eine kontinuierliche Kompetenzentwicklung stattfinden kann. Konzeptionell bedeutet all das, dass Arbeit, Anerkennung und Lernen miteinander verwoben und nicht voneinander zu trennen sind (Andersson 2017).

In einem ersten Schritt wurde ein Analyserahmen entworfen. Dieser definiert Anerkennungshandeln im Anschluss an Stephen Billett (2016) als betriebspädagogische Praxis, mit der bestehende Lernmöglichkeiten erweitert oder neue Lernmöglichkeiten geschaffen werden. Zudem wurden mit Ulrich Weiß (2018) zwei Anerkennungs-Modi unterschieden, die Validierung und die Adressierung sowie drei Handlungsorientierungen von Führungskräften und Managern bestimmt: die Performanz-, die Entwicklungs- und die Berufsorientierung, die zu Anpassungs-, Entwicklungs- und beruflichem Lernen führen können (Wallo et al., 2021). Der Analyserahmen wurde angewendet, um Interviews aus Unternehmen der Holzwirtschaft zu analysieren.

Anerkennung als Mittel zur Steigerung betrieblicher Leistung

In den untersuchten Unternehmen war die Performanz-Orientierung im Validierungs- und im Adressierungsmodus vorherrschend. Kompetenzen oder Arbeitsleistungen erfahren in erster Linie dann Anerkennung durch Führungskräfte und Manager, wenn dies zu einer Verbesserung der betrieblichen Leistungserstellung beiträgt. Daraus hervorgehende Lernprozesse sind zumeist adaptiver Art, also eine klassische Anpassungs-qualifizierung, wie sie beim Einsatz neuer Maschinen zum Einsatz kommt. Mit dieser Performanz-Orientierung geht oft auch einher, dass besonders jene Arbeitnehmer:innen Anerkennung erfahren, die aufgrund ihrer Funktion bereits adäquat qualifiziert sind und eine gute Position im Unternehmen haben. Von diesen Personen erwartet man sich einen größeren Beitrag zur Unternehmens-produktivität. Die Entwicklungsorientierung hat sich tendenziell eher im Adressierungsmodus gezeigt. Das heißt, wenn Arbeitnehmer:innen aufgrund ihrer vorhandenen Kompetenzen neue Aufgaben und Verantwortungen zugewiesen bekommen oder eigene Ideen in Besprechungen diskutieren können, dann trägt das potenziell auch zu einer individuellen Entwicklung im Sinne des Entwicklungslernens bei. Kompetenzentwicklung findet dann im Zusammenhang mit informellen Lernprozessen am Arbeitsplatz statt.

Was sich tendenziell positiv auf Lern- und Entwicklungsprozesse auswirkt, ist die Begleitung durch erfahrene Kolleg:innen. Zum Beispiel werden Qualifikationsmatrizen zur Feststellung von Kompetenzen genutzt, um darauf aufbauend gemeinsam mit einem Mentor die Kompetenzen zu entwickeln und die Arbeitsleistung zu verbessern. Mitarbeiter:innengespräche sind ebenfalls Settings, in denen Anerkennungshandeln stattfindet. Sowohl Kompetenzmatrizen als auch Mitarbeiter:innen-gespräche können aber auch negative Auswirkungen haben, z.B. wenn eine Defizit-Haltung vorliegt, es kein konstruktives Feedback gibt oder individuelle Bedürfnisse verkannt werden. Überraschenderweise war die Berufsorientierung am seltensten zu finden. Führungskräfte und Manager scheinen der formalen Höherqualifizierung durch die Erlangung von Berufsabschlüssen wenig Bedeutung zuzuweisen. Lediglich Lehrlinge, die eine Karriere im Unternehmen anstreben, werden bei formaler Weiterbildung unterstützt.

Von bildungspolitischem zu arbeitspolitischem Thema?

Die Ergebnisse der Studie stellen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder die Übertragbarkeit in andere Berufsfelder. Eine Replikationsstudie wäre jedenfalls angebracht, um zu prüfen, ob sich ähnliche Ergebnisse auch in anderen Branchen oder Unternehmen zeigen. Dennoch lassen sich einige Implikationen formulieren, die auch für die Validierungspolitik von Interesse sind.

Es ist angebracht, Führungskräfte und Manager in Unternehmen dahingehend zu professionalisieren, Anerkennungshandeln gezielt umsetzen sowie die positiven Auswirkungen auf die individuelle berufliche Entwicklung, die Kompetenzentwicklung und die betrieblichen Leistungsprozesse wertschätzen zu können. Dazu braucht es aber insgesamt eine stärkere Sensibilisierung von Unternehmen für die Anerkennung von Lernergebnissen. Dabei spielt es weniger eine Rolle, ob es sich dann um Anerkennungshandeln am Arbeitsplatz oder Anerkennungsverfahren zum Nachholen von Berufsabschlüssen handelt. Wichtig wäre, dass die Anerkennung von Lernergebnissen zu einem Bestandteil unternehmerischer Personalstrategien wird. Um dies voranzutreiben, stellt sich abschließend die Frage, inwieweit es gelingen kann, die Anerkennung von Lernergebnisse von einem starken bildungspolitischen Thema zu einem genauso starken arbeitspolitischen Thema zu machen (Casano, 2016). Hier ist auch die Community der Validierung und Anerkennung gefragt.

Dieser Blog-Eintrag basiert auf Ergebnissen, die am 25. Oktober 2022 im Journal Studies in Continuing Education veröffentlicht wurden und frei zugänglich sind unter: https://doi.org/10.1080/0158037X.2022.2109615

Literatur

Rat der Europäischen Union. 2012. Empfehlung des Rates vom 20. Dezember 2012 zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens. (2012/C 398/01). https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:398:0001:0005:DE:PDF

Andersson, Per. 2017. “Validation as a Learning Process.“ In The Learner at the Center: Validation of Prior Learning strengthens lifelong learning for the learner, edited by Ruud Duvekot, Dermot Coughlan, and Kirsten Aagaard. 121-128. Aarhus: EC-VPL. https://ec-vpl.nl/downloads/book-2017-english-vplbiennale-the-learner-at-the-centre.pdf

Assinger, Philipp. 2022a. “Recognition of Prior Learning in Workplaces: exploring managerial practice by the means of a heuristic conceptual framework.” Studies in Continuing Education. https://doi.org/10.1080/0158037X.2022.2109615

Assinger, Philipp. Ed. 2022b. Betriebliche Bildung in der Holzwirtschaft: Digitalisierung und Kompetenzentwicklung. Bielefled: wbv Media. https://doi.org/10.3278/9783763971589 

Berglund, Leif, and Per Andersson. 2012. “Recognition of Knowledge and Skills at Work: In Whose Interests?” Journal of Workplace Learning 24 (2): 73–84. https://doi.org/10.1108/13665621211201670

Billett, Stephen. 2016. “Apprenticeship as a Mode of Learning and Model of Education.” Education+ Training 58 (6): 613–628. https://doi.org/10.1108/ET-01-2016-0001

Casano, Lilli. 2016. “The Future of European Labour Law and the Right to Employability. Which Role for the Validation of Non-formal and Informal Learning?” European Labour Law Journal 7 (3), 498-519. https://doi.org/10.1177/201395251600700311

Wallo, Andreas, Henrik Kock, Cathrine Reineholm, and Per-Erik Ellström. 2021. “How do Managers Promote Workplace Learning? Learning-Oriented Leadership in Daily Work.” Journal of Workplace Learning 34 (1): 58–73. https://doi.org/10.1108/JWL-11-2020-0176

Weiß, Ulrich. 2018. “Arbeitsintegrierte Kompetenzentwicklung Ohne Anerkennung? Adressierung und Validierung in Beruflichen und Betrieblichen Anerkennungsverhältnissen.” In Betriebliche Kompetenzentwicklung in Heterogenen Lernkonstellationen Gestalten, edited by Gabriele Molzberger, 13–23. Münster: Waxmann.

Autor

Philipp Assinger ist Assistenzprofessor für berufliche Weiterbildung am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz, Österreich. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich mit der Rolle von beruflicher Bildung als Mittel für eine gelungene Teilhabe am Arbeitsplatz. Seine Forschungsarbeiten drehen sich um die Validierung und Anerkennung von Lernergebnissen, Lernen am Arbeitsplatz, den Zweiten Bildungsweg und Erwachsenenbildungspolitik. Persönliche Website: https://homepage.uni-graz.at/de/philipp.assinger/

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