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Professionelles Handeln in der Erwachsenenbildung anerkennen – Deutschland und Österreich im Vergleich

Welche Kompetenzen benötigen Lehrkräfte in der Erwachsenen- und Weiterbildung für professionelles Handeln und wie können diese Fähigkeiten trotz fehlender Kompetenzstandards sichtbar gemacht werden?

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Redaktion Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

Lesedauer circa 6,5 Minuten – lesen, liken und kommentieren!


Welche Kompetenzen benötigen Lehrkräfte in der Erwachsenen- und Weiterbildung für professionelles Handeln und wie können diese Fähigkeiten trotz fehlender Kompetenzstandards sichtbar gemacht werden? Seit einigen Jahren beschäftigen sich Praxis und Wissenschaft mit eben diesen Fragen und liefern dazu passende Projekte und Einrichtungen, die sich dem Thema annehmen. Führend in Österreich und Deutschland sind die beiden Anerkennungsverfahren der wba und GRETA.

Aber was genau ist GRETA? Was macht die wba aus? Wie stehen die beiden miteinander in Verbindung? Fest steht, dass GRETA und die wba im Austausch stehen, einander ähnlich sind und ein Verfahren älter als das andere ist. Eins sei schon vorab verraten: Beide haben zum Ziel, durch Validierung von Kompetenzen das Feld der Erwachsenenbildung zu professionalisieren. Mit dem Fokus auf die Professionalisierung knüpfen die beiden Verfahren an die intensive Debatte an, welche seit Jahren die Erwachsenen- und Weiterbildung prägt. Eine Entwicklung von trägerübergreifenden Kompetenzstandards für Lehrende in der Erwachsenenbildung soll zum Ziel haben, die informell und non-formal erlangten Kompetenzen der Lehrenden sichtbar zu machen und somit dessen Professionalisierung zu fördern. So weit, so gut. Bevor ein Vergleich Aufschluss geben soll über relevante Rückführungen auf die Praxis, bedarf es einer kurzen Vorstellung der beiden Verfahren:

Die Weiterbildungsakademie (wba) ist seit 2007 eine österreichische Zertifizierungsstelle für  in der Erwachsenenbildung tätige Personen. Die andragogisch ausgerichteten Qualifikationsprofile der wba können durch facheinschlägige Weiterbildungen ebenso anerkannt werden, wie durch informell erworbenes Know-how („Learning by Doing“) oder Schul- und Universitätsabschlüsse. Fehlendes wird durch den Besuch passender Seminare ergänzt. Nach der Teilnahme an einem Assessment, der sogenannten Zertifizierungswerkstatt, erhält man das wba-Zertifikat „Zertifizierte/r Erwachsenenbildner/in.“ Die wba-Diplomabschlüsse erwirbt man optional danach. Entwickelt wurde die wba von der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ), einem Zusammenschluss gemeinnütziger Bildungseinrichtungen. Heute wird die wba vom Kooperativen System der Österreichischen Erwachsenenbildung getragen, das die zehn KEBÖ-Verbände und das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung umfasst. Die wba wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung gefördert.

Am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. startete im Jahr 2014 das Forschungs- und Entwicklungsprojekt GRETA (GRETA steht für „GRundlagen für Ein Trägerübergreifendes Anerkennungsverfahren von Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen- und Weiterbildung“), welches durch das Ministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Im Projekt wurde als Basis für ein Anerkennungsverfahren ein einheitliches und trägerübergreifendes Kompetenzmodell entwickelt, das erwachsenenpädagogische Kompetenzen abbildet, die für eine Lehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung relevant sind. In enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit Dachverbänden aus relevanten Bereichen der Erwachsenen- und Weiterbildung wurden in Deutschland Instrumente und Konzepte entwickelt, mit denen Lehrende ihr auf vielfältige Weise erworbenes Wissen und Können anerkennen lassen können. Durch das Bearbeiten von Aufgaben im sogenannten PortfolioPlus machen die lehrend Tätigen ihre erwachsenenpädagogischen Kompetenzen in einem ersten Schritt sichtbar. Nach einer Beurteilung von qualifizierten GRETA-Gutachterinnen und -Gutachtern erhalten die Lehrenden eine individuell aufbereitete Kompetenzbilanz, welche die Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten im Detail darstellt. Aktuell werden die entwickelten Instrumente unter dem Claim „GRETA – kompetent handeln in Training, Kurs und Seminar“ noch bis Ende 2021 bundesweit erprobt und pilotiert mit dem Ziel, die Kompetenzanforderungen Lehrender transparent zu machen und eine systematische Professionalitätsentwicklung zu fördern.


Unterlagen von wba und Greta.

Unterlagen der wba und von GRETA


Kompetenzanerkennung über Grenzen hinaus

Beide Verfahren – das der wba und GRETA - streben an, formal, non-formal und informell erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen und eine Tätigkeit in der Erwachsenenbildung anzuerkennen. Trotz des gemeinsamen Vorhabens die Erwachsenenbildung in Österreich und Deutschland zu professionalisieren, sind die Projekte unterschiedlich angelegt.

Ein Unterschied liegt in der Zielgruppe der Verfahren: Während GRETA sich explizit an Lehrende in der Erwachsenenbildung richtet, hat die wba alle Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner im Fokus, die lehrend, beratend sowie im Bildungsmanagement oder im öffentlichen Bibliothekswesen tätig sind.

Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus der Herangehensweise der Verfahren. GRETA bildet die individuellen Kompetenzen von Lehrpersonen auf Basis eines differenzierten und breit angelegten Kompetenzmodells ab. Der Fokus im wba-Verfahren liegt auf der Feststellung und in weiterer Folge auf der Überprüfung von Kompetenzen, die in einem Qualifikationsprofil festgelegt sind. Ziel ist die Ausstellung eines wba-Zertifikats bzw. wba-Diploms. Kurz: Das GRETA-Anerkennungsverfahren ist in erster Linie ein entwicklungsorientierter Ansatz, während die wba abschlussorientiert vorgeht.

Durchläuft man in der wba den Prozess einer Zertifizierung, so müssen Vorgaben erreicht werden, die für alle gleich sind. Die wba wandelt Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie informell erworbene Kompetenzen in Workload um und macht das Bestehen der Zertifizierungswerkstatt zur Bedingung.

Bei GRETA stehen die Selbstreflexion und die Darstellung der individuellen Stärken und Entwicklungsfelder von Lehrenden in der Erwachsenenbildung im Fokus der Validierung. Das dem GRETA-Anerkennungsverfahren zugrundeliegende Kompetenzmodell ist nicht als Standard zu verstehen, dessen Einzelkompetenzen im Validierungsprozess überprüft werden sollen, sondern vielmehr als Referenzmodell, das differenziert begutachtet wird. Ein Nichtbestehen ist demnach nicht möglich. Vielmehr werden durch die kleinschrittige und differenzierte Begutachtung das Selbstverständnis der Lehrenden gestärkt, die Potenziale für eine Weiterentwicklung aufgezeigt und gegebenenfalls mit handlungsfeldspezifischen Standards in Abgleich gebracht. Im Ergebnis erhalten die Lehrenden eine differenzierte, grafisch und schriftlich aufbereitete individuelle Kompetenzbilanz.

Praxis und Perspektiven

Aber wie sieht die Praxis aus und welche Aspekte müssen bei der Umsetzung von Validierungsverfahren beachtet werden? Welche Erfahrungen hat der österreichische Vorreiter in den letzten Jahren gesammelt und wie können beide Projekte davon profitieren? Die Erwachsenenbildung ist zweifelsohne durch eine ständige Weiterentwicklung geprägt, sei es auf der Ebene der Politik oder der Tätigkeitsgruppe der Lehrenden.

Die wba hat gute Erfahrungen damit gemacht, ihr Angebot als Ergänzung zu den bestehenden Aus- und Weiterbildungsangeboten zu kommunizieren. Auch sehr erfahrene Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner nutzen die wba, um ihre auf vielfältige Weise erworbenen Kompetenzen sichtbar zu machen und zu einem anerkannten Abschluss zu bündeln. Neben diesem Aspekt der beruflichen Verwertbarkeit, wird das Durchlaufen des Verfahrens als Gewinn erfahren, was sich in einem höheren Bewusstsein für die eigenen Stärken und Fähigkeiten, einer Steigerung des Selbstwerts und einem gestärkten Selbstverständnis als Erwachsenenbildner bzw. Erwachsenenbildnerin ausdrückt.

Im GRETA-Anerkennungsverfahren werden derzeit erste Erfahrungen mit der Validierung von Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen- und Weiterbildung gesammelt. Das Interesse an einer Teilnahme ist groß und Lehrende aus ganz unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern der Weiterbildung sowie mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen sind an einer systematischen Rückmeldung ihrer Kompetenzen interessiert. Die Potenziale, die das Verfahren mit sich bringt, sollen in der Erprobungsphase strukturiert erhoben werden.

GRETA und die wba sind auf ihre Art und Weise einzigartig: GRETA ermöglicht mit dem Verfahren in erster Linie eine umfangreiche Selbstreflexion in Bezug auf das professionelle Lehrhandeln. Die wba führt durch das Sichtbarmachen von formal, non-formal und informell erworbenen Kompetenzen zu einem Zertifikat. Trotz der unterschiedlichen Validierung von Kompetenzen ist der Nutzen in beiden Formen essenziell. GRETA und die wba bieten eine Bündelung der erworbenen Kompetenzen und eine professionelle und persönliche Weiterentwicklung. Mit der Implementierung der wba in Österreich und der Pilotierung von GRETA in Deutschland kann der bisher nur sehr geringen Formalisierung der Erwachsenenbildung entgegengewirkt werden.

Die Verfahren ermöglichen interessierten Personen eine zeitlich flexible und größtenteils ortsunabhängige Bearbeitung. Ganz im Sinne der europäischen Idee kann jedes Verfahren über die nationalen Grenzen hinaus durchlaufen werden. Die Kooperation zwischen GRETA und der wba ist noch lange nicht am Ende angelangt. Es bedarf weiterhin einer länderübergreifenden Zusammenarbeit, um die Erwachsenenbildung weiterzuentwickeln und die Professionalisierung – auch über die Landesgrenzen hinaus – zu fördern.


Über die Autorinnen

Christina Bellmann ist wissenschaftliche Hilfskraft am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung. 

Irmgard Stieglmayer ist Mitarbeiterin der Weiterbildungsakademie (wba).

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