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Drag, eine engagierte und politische Kunst, die aufrüttelt

Interview mit Ranael, engagiertes Mitglied von La Maison Clinquante, einer kulturellen Vereinigung, die zugunsten von Queer-Künstlern und Gender-Minde

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David LOPEZ
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Auf einem europäischen Seminar lernte ich Ranael (Künstlername) kennen, ein engagiertes Mitglied von „La Maison Clinquante“, einer Kultur- und Kunstvereinigung, die sich für Queer-Künstler und Gender-Minderheiten einsetzt. Dieses Thema ist für viele Menschen, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes von zentraler Bedeutung. Wenn jeder und jede so leben kann, wie er oder sie es für richtig hält, in einem respektvollen Miteinander, dann wird unsere Gesellschaft freier, offener und toleranter. Manchmal wird diese Vision verspottet und kritisiert, als sei sie bloß eine von Marotte von Minderheiten. Doch seit einigen Jahren sind individuelle Freiheiten für kollektive Freiheiten mitbestimmend. In einer Zeit, in der dunkle Kräfte uns mit Pseudotraditionen oder zur Ablehnung anderer, des Anderen, verführen wollen, sind Verständnis und Diskussion mit anderen, die auch Teil unserer Gesellschaft sind, unerlässlich auf dem Weg zur Freiheit, zu den Freiheiten.

David LOPEZ: Ranael, kannst du kurz erzählen, welche Funktion du innerhalb des Vereins „La Maison Clinquante“ hast? Und etwas über die Arbeitsweise und den Zweck des Vereins erzählen?

Ranael: Im Maison Clinquante bin unter meinem Künstlernamen Ranael bekannt. Ich bin Teil des künstlerischen Teams, dem sechs Personen angehören, die Angestellte und Lehrkräfte sind. Wir sind Drag-Performerinnen und Performer. Der Vorstand unseres Vereins setzt sich aus Freiwilligen sowie einigen Lernenden zusammen, die sich in der Drag-Disziplin ausbilden lassen. Außerdem leite ich die europäischen Projekte. 

La Maison Clinquante ist ein Verein nach französischen Vereinsgesetz von 1901 mit dem Ziel, kulturelle und künstlerische Veranstaltungen zu verbreiten, zu produzieren und zu moderieren, um queere Künstler*innen und/oder Künstler*innen, die Gender-Minderheiten angehören, zu unterstützen. Wir möchten Drag-Künstler*innen mehr Sichtbarkeit und Professionalisierung ermöglichen, um eine inklusive Szene zu schaffen. Unser Kollektiv hat es sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, das Know-how im Bereich Drag-Shows, insbesondere Drag-King und Drag-Queer, durch wöchentliche Kurse und Workshops oder Praktika weiterzugeben. Dazu gehören viele künstlerische Diszipline wie Make-up, Tanz, Theater, Clown, Zauberei, Puppenspiel, Poesie, Musik, Gesang, Lip-Sync[1][1].

Durch diese Interventionen und Veranstaltungen möchten wir gleichzeitig das Bewusstsein für den Kampf gegen Diskriminierung und Ungleichheit schärfen. Wir setzen uns  aktiv für die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte von LGBTQIA+-Personen ein.

David LOPEZIn der Tat befindet sich der Verein an den Schnittstellen zweier Missionen. Er ist eine künstlerische Einrichtung, die eine bestimmte Aktivität (Drag) unterstützt, und er ist auch ein Ort, der sich für die Gleichstellung der Geschlechter und LGBTQIA+-Personen einsetzt. Wie sieht die konkrete Umsetzung aus? 

Ranael: Drag ist eine ihrem Wesen nach eine engagierte und politische Kunst. Eine Kunst, die auch aus der LGBTQIA+-Community stammt, obwohl Drag für alle Menschen offen ist, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. 

Das Ziel von La Maison Clinquante ist es, diese Drag-Praxis zu fördern und zu lehren, die notwendigen Werkzeuge und Fähigkeiten zu vermitteln, um seinen eigenen Drag-Charakter und seine eigene Performance zu kreieren, und echtes künstlerisches Wissen zu vermitteln. Es gibt jedoch nicht viele Einrichtungen, die diese Art des Lernens anbieten. Drag war lange Zeit eine Praxis, die unter Eingeweihten weitergegeben wurde, im Untergrund, im Verborgenen. Es ist ziemlich neu, dass es so zugänglich ist und dass diese Kunstform immer sichtbarer wird, nicht zuletzt dank der Fernsehsendungen, die diese ganze Welt für die breite Öffentlichkeit geöffnet haben. 

In unserer Pädagogik ist es für uns wesentlich, sichere und inklusive Räume zu schaffen, da dies Teil unserer Werte ist, aber auch die Zielgruppe, die wir mit diesen Kursen erreichen, ist mehrheitlich von der Problematik der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung betroffen. Wenn wir Veranstaltungen organisieren, stellen wir auch Künstler*innen vor, die von diesen Themen betroffen sind, um ihnen eine Chance zu geben, sichtbarer zu werden und sich zu professionalisieren. 

David LOPEZ: Neue Formen des Feminismus werden manchmal kritisiert und missverstanden. Was kannst du über eure Vision des Kampfes gegen Diskriminierung sagen? Und was sind die wichtigsten Elemente in eurem Kampf, die mit einer feministischen Form in Verbindung gebracht werden könnten?

Ranael: Unser angestelltes Team besteht ausschließlich aus AFAB-Personen (Assigned Female At Birth), d. h. Personen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurden. Wir sind also alle von Fragen der Unsichtbarkeit von Frauen, des Platzes, der ihnen in einer eminent patriarchalischen Gesellschaft eingeräumt wird, der noch immer vorhandenen Diskriminierung von Frauen und Männern auf beruflicher Ebene betroffen... 

Auf unseren verschiedenen Wegen mussten wir uns immer wieder mit diesen Themen und Problemen auseinandersetzen. Es ist bereits ein starker Akt, einen Verein zu gründen, der von Cis-Frauen (das bedeutet, dass ihre Geschlechtsidentität mit ihrem Geschlecht, wie es im Personenstandsregister angegeben ist, übereinstimmt) und Transgender-Frauen (das bedeutet, dass sie sich mit einem anderen Geschlecht identifizieren als dem, das ihrem Geburtsgeschlecht entspricht) geleitet wird. 

Es ist eine Möglichkeit, unseren Platz, unsere Stimme und unsere Macht zurückzuerobern und sie zu nutzen, um neue Räume für andere Menschen zu schaffen, die von diesen Themen betroffen sind. Die Tatsache, dass wir einen Verein gegründet haben, dessen Hauptthema die Praxis von Drag und insbesondere Drag King und Drag Queer ist, ist ebenfalls ein starkes Symbol. 

Bei Drag geht es oft um die Übertreibung von  geschlechtlichen Stereotypen. Drag King ist die Performance des männlichen Geschlechts, was es ermöglicht, damit zu spielen, es zu kritisieren, anzuprangern, aber auch Lösungen vorzuschlagen, um in unserer Gesellschaft weniger toxische Männlichkeiten anzustreben, und das alles durch das Prisma der Kunst, so dass jedes Publikum, jedes Alter, jeder soziale und berufliche Hintergrund Zugang zu all dem haben kann. Die künstlerische Dimension macht die Behandlung dieser Probleme oft für viele Menschen zugänglicher. Wir fördern durch unsere Kunst Toleranz, Respekt für jeden Einzelnen, Inklusion, aber auch Solidarität und Schwesternschaft.

David LOPEZ: Danke, Ranael. Ich freue mich darauf, eine Drag-Aufführung zu sehen, um die künstlerische Dimension, aber auch die Bildung von Menschen und die politische Vision der Gesellschaft besser zu verstehen. Ich denke auch, dass die europäische Dimension in eure Aktionen integriert ist, da ihr nach möglichen Partnerschaften mit Vereinen aus anderen europäischen Ländern suchst, welche die gleichen Kämpfe teilen.

David LOPEZ, EPALE-Experte Frankreich

 [1][1]Lip sync.  Lippensynchronisation ist im audiovisuellen Bereich die Gesamtheit der Techniken, die dafür sorgen sollen, dass die Lippenbewegungen einer Person oder eines Charakters einerseits und die Worte oder Töne, die sie sprechen sollen, andererseits synchron erscheinen, wenn beides mit unterschiedlichen Mitteln aufgenommen oder ausgestrahlt wird und zusammengeführt werden muss.

[Übersetzung / NSS EPALE France]

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Kommentar

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Abdullah Anil TOROS
Community Hero (Gold Member).
Fr., 10.05.2024 - 13:22

Thank you, David Lopez, for sharing this insightful interview with Ranael from La Maison Clinquante. It's always inspiring to learn about organizations that promote not only artistic creativity but also broader social change. The work that La Maison Clinquante does to support queer artists and gender minorities is commendable, especially in an era where issues of gender equality and LGBTQIA+ rights remain at the forefront of social and political discourse.

Ranael's discussion about La Maison Clinquante's dual mission of promoting artistic expression through drag while advocating for gender equality and LGBTQIA+ rights underscores the transformative power of art. It's fascinating to see how drag, as a form of expression, can both entertain and challenge societal norms. By creating safe spaces for drag performers and emphasizing the importance of diverse voices, La Maison Clinquante is playing a crucial role in fostering inclusivity and social change.

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Thank you Abdullah Anil for your message. I agree with your viision. In few days, I'm going to write a blog on the issue of sport and inclusion. I met a hand ball team trying to link men and women, LGBTQI+ or not, old and young to practice sport in a very inclusive way. 

I hope that you'll enjoy it.

My best, David 

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