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Weiterbildung und Coaching – wo verlaufen die Grenzen?

Eindrücke von Fachleuten aus dem Workshop der Unkonferenz

In dem Workshop der Unkonferenz „Wo endet Weiterbildung und beginnt Coaching, wo endet Coaching und beginnt Weiterbildung?“ wurden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Weiterbildung und Coaching unter die Lupe genommen und versucht, die grundlegende Rolle beider Konzepte zu bestimmen und festzustellen, ob und wie man zwischen ihnen unterscheiden kann.

Die Leiterin des Workshops, Reet Treial, war sowohl als Lehrende, Coachin als auch als Personalleiterin tätig und hat mit sehr unterschiedlichen Organisationen zusammengearbeitet, von der Landesverteidigung bis hin zum Finanzsektor. Darüber hinaus ist sie ausgebildete Supervisorin und teilte zu Beginn des Workshops ihre Erfahrung, dass Methoden aus dem Kommunikationstraining ständig in der Weiterbildung zum Einsatz kommen.

Erfahrungen der Fachleute im Bereich Soziometrie

Als Einstieg in das Thema und zur Auflockerung der Mittagspause bat Reet Treial die Workshop-Teilnehmenden, sich entsprechend den Anfangsbuchstaben ihres Vornamens und ihrer Erfahrung als Lehrende sowie auf einer Skala zu positionieren, auf der 1 für eine völlige Unterschiedlichkeit von Weiterbildung und Coaching und 10 für eine vollständige Übereinstimmung stand. Die meisten Teilnehmenden ordneten sich in der Mitte der Skala ein und räumten ein, dass es zwar Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten gibt. Es gab jedoch auch einige, die der Meinung waren, dass es möglich ist, Coaching und Weiterbildung zu 100 Prozent zu verbinden.

Was ist also der Unterschied zwischen einer Weiterbildung und einem Coaching?

  • Fokus: Bei einer Weiterbildung liegt der Fokus auf einem Thema und dem, was die Lernenden wissen oder können müssen. Beim Coaching hingegen stehen der Mensch selbst und seine Ziele im Mittelpunkt.

  • Ziel: Das Ziel einer Weiterbildung ist es, Wissen zu vermitteln und Fähigkeiten zu entwickeln. Das Coaching ist eher zukunftsorientiert – wie kann sich der Mensch weiterentwickeln und sein Potenzial entfalten?

  • Ablauf: Eine Weiterbildung ist in der Regel strukturiert und gruppenbasiert. Das Coaching ist individuell oder teambasiert und flexibler.

  • Inhalt: Der Inhalt einer Weiterbildung ist meist vorab geplant und standardisiert. Der Inhalt eines Coachings hängt hingegen konkret von den Kundinnen und Kunden und ihren Bedürfnissen ab.

  • Rollen: Lehrende sind eher Fachkräfte mit Expertise für ein bestimmtes Thema und vermitteln Wissen. Coaches übernehmen eine unterstützende, lenkende und begleitende Rolle auf dem Weg der Entwicklung.

  • Zeit: Weiterbildungen haben oft einen festen Beginn und ein festes Ende. Coachings können kürzer oder länger dauern.

  • Haltungen: Mit Weiterbildungen lassen sich Haltungen schwieriger verändern als mit Coachings, welche stärker auf diesen Aspekt ausgerichtet sind. 

Reet Treial betonte, dass diese Grenzen in der Praxis nicht so klar sind. 

Das Wesen des Coachings aus Sicht der Expertinnen und Experten

In der Diskussion wurden die wichtigsten Schlüsselbegriffe des Coachings herausgearbeitet.

  • Blick in die Zukunft: Beim Coaching geht es weniger um die Analyse der Vergangenheit als vielmehr um die Ziele und die Entwicklung für die Zukunft.

  • Erkennen von Potenzialen: Coaches unterstützen Menschen dabei, ihre verborgenen Ressourcen und Möglichkeiten zu erkennen.

  • Persönlicher Ansatz: Jede Coaching-Beziehung ist einzigartig und auf die jeweilige Person oder das jeweilige Team zugeschnitten.

  • Zielsetzung: Klare Ziele sind die Grundlage für erfolgreiches Coaching.

Ergebnisse der Gruppenarbeiten

Wie es sich für eine gute Arbeitsgruppe gehört, konnten sich auch die Teilnehmenden selbst in die Diskussionen einbringen. Die erste Gruppe befasste sich mit der Frage, wie Ausbildende die Methoden der Coaches nutzen können.

Es wurden verschiedene Methoden genannt, wie das Stellen effektiver Fragen, die Zielsetzung nach dem GROW- oder SMART-Modell, aktives Zuhören, Assoziationskarten, Visualisierung, Feedback, Feedforward und Reflexion.

Die zweite Gruppe diskutierte das Thema „Was sind die wichtigsten ethischen Dilemmata beim Überschreiten der Grenzen zwischen Weiterbildung und Coaching?“.Es wurde erwähnt, dass Ethik eine Rolle spielt, wenn die Weiterbildung in das Coaching übergeht. Als wichtiges Dilemma wurde die persönliche Entwicklung im Vergleich zur Wissens- und Kompetenzvermittlung genannt. Der Schlüssel könnte hier in der Festlegung professioneller Grenzen und der Klärung der Rollen sowohl für sich selbst als auch für die Lernenden oder Coaches liegen.

Die dritte Gruppe befasste sich mit dem Thema „Was macht eine/n gute/n Lehrende/n aus und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zum Coach / zur Coachin?“. Die Teilnehmenden erarbeiteten Eigenschaften guter Lehrender und Coaches und stellten fest, dass sie nicht nur Fachleute auf ihrem Gebiet sein müssen, sondern auch Begeisterung für das Wissen mitbringen sollten, das sie vermitteln. Sie müssen über Humor, gute Reflexionsfähigkeit, Zeitmanagementfähigkeiten, Führungsqualitäten, digitale Kompetenz, Positivität, Empathie und Wertschätzung für ihre Mitmenschen verfügen. Außerdem müssen sie methodisch versiert sein, Gruppendynamiken verstehen und bereit sein, selbst zu lernen. Weiterhin wurden Flexibilität und Adaptionsfähigkeit, das Bewusstsein für die eigene Rolle, in gewisser Weise sogar schauspielerisches Talent und das „gewisse Etwas“ genannt. Zudem wurden Belastbarkeit in Stresssituationen und die Tatsache, dass gutes Lehrpersonal nicht ausgebrannt sein darf, angeführt.

Die vierte Gruppe überlegte, welche Eigenschaften gute Coaches auszeichnen. Teilnehmende mit sehr guter visueller Ausdrucksfähigkeit betonten, dass gute Coaches sich durch aufrichtige Neugier auszeichnen – was sie visuell durch ein großes Herz und große Augen symbolisierten. Ebenso wichtig sei die Fähigkeit, zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen. Sie wiesen außerdem darauf hin, dass gute Coaches über verschiedene Methoden in ihrem Repertoire verfügen müssen. Der Leuchtturm, auf den man zusteuert, sei das, was die Kundinnen und Kunden zu ihren Zielen führe, aber auch die Beschäftigung mit sich selbst. Darüber hinaus sei Selbstfürsorge wichtig, um Wissen oder Energie vermitteln zu können, was durch ein Kissen symbolisiert wurde.

Allgemeine Diskussion und Schlussfolgerungen

Am Ende des Workshops wurden Punkte zur weiteren Reflexion hervorgehoben. Es wurde angemerkt, dass diese Grenzen in der estnischen Erwachsenenbildung deutlich verschwommener sind als in den USA, dem Heimatland des Coachings, wo Lehrende eher von Behaviorismus und Coaching-Humanismus ausgehen. In Estland hingegen sind diese Grenzen verwischt, da die persönliche Entwicklung im Mittelpunkt steht. 

Der Workshop regte die Teilnehmenden auch dazu an, darüber nachzudenken, warum wir lieben, was wir tun. Wichtig ist die Identitätsbildung – Wer bin ich eigentlich? – sowie eine klare Rolle zu übernehmen und Grenzen zu setzen. 

Es wurde ebenfalls diskutiert, wie man einen estnischen Begriff für den englischen Begriff coach finden könnte, wobei man zu dem Schluss kam, dass dies den Willen der Fachleute und die Zusammenarbeit mit Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern erfordert.

Fazit 

Der Workshop bot einen guten Einblick in die Welt der Fachleute, in der theoretische Grenzen oft verschwimmen. Die Erfahrungen von Reet Treial und die Gedanken der Teilnehmenden haben gezeigt, dass beide Ansätze ihre Stärken und Anwendungsbereiche haben. Mit Blick auf die Zukunft des Weiterbildungssektors ist es spannend zu beobachten, wie Technologie und sich wandelnde Bedürfnisse diese Bereiche beeinflussen und welche neuen Formen der Zusammenarbeit entstehen werden. Ebenso wäre es interessant zu erfahren, wie Organisationen diese Erkenntnisse besser nutzen können, um ihre Entwicklungsziele zu erreichen.

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