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Was ist Neuroandragogik?

Aktuelle Forschungsarbeiten darüber, wie Erwachsene lernen und wie die Erwachsenenbildung durch das Umfeld beeinflusst wird, sind von großer Bedeutung

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Die Autorin des Originalbeitrags ist Ieva Margeviča-Grinberga. Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt.


Die Entwicklung der Erwachsenenbildung wird heutzutage durch die Interaktion verschiedener Wissenschaftszweige bestimmt, infolge derer effektive pädagogische Lösungen erarbeitet werden. Durch diese Zusammenarbeit entstehen neue interdisziplinäre Teilbereiche wie die Neuroandragogik, die Elemente der Neuropsychologie, Neurophysiologie und Neuroanatomie mit der Erwachsenenbildung verbindet.

In seinem Buch No One Is Too Old to Learn veranschaulicht Clive Wilson (2006, 2), dass es in der Neuroandragogik um die Erforschung der Funktion des erwachsenen Gehirns, der Intelligenz Erwachsener und der Erwachsenenbildung geht. Die Neuroandragogik befasst sich sowohl mit der Anatomie und Physiologie des erwachsenen Gehirns als auch mit den kognitiven Funktionen der für die Intelligenz, das Gedächtnis und das Lernen verantwortlichen Gehirnregionen.

Die Entwickler*innen des Erasmus+-Projekts „Neuroandragogy against Exclusion“ (2019) weisen darauf hin, dass in der modernen Erwachsenenbildung die jüngsten Erkenntnisse über die Funktionsweise des erwachsenen Gehirns und seine Veränderungen in den verschiedenen Lebensphasen berücksichtigt werden müssen.

Die Erwachsenenbildung ist mit den Interessen, den Erfahrungen und der Kultur der einzelnen erwachsenen Lernenden verknüpft. Dies macht es erforderlich, dass die Lernziele, pädagogischen Konzepte, Inhalte und Instrumente sowie die Lerngeschwindigkeit der einzelnen Lernenden flexibel angepasst werden.

In der Neuroandragogik werden allgemeine Grundsätze für die Aktivitäten der Lernenden und Lehrenden in der Erwachsenenbildung formuliert, mit deren Hilfe die Effektivität der Erwachsenenbildung erheblich gesteigert werden kann.

Im Blog der American University (2021) über den Einsatz der Neurowissenschaft in der Bildung werden folgende didaktische Grundsätze in den Mittelpunkt gestellt:

1. Aktive Einbeziehung

Die physische Einbeziehung des Einzelnen in den Unterricht wirkt sich maßgeblich auf die Lernergebnisse aus. So sollten Erwachsene beispielsweise dazu ermutigt werden, sich innerhalb ihrer Gruppe sicher zu bewegen, um eine entsprechende Interaktion herbeizuführen. Durch verschiedene Aufgaben, die eine Loslösung aus der Gruppe ermöglichen, wie beispielsweise das Morgen-Meeting, soll eine ungezwungene Atmosphäre geschaffen werden.

Das Morgen-Meeting besteht aus folgenden vier aufeinanderfolgenden Teilen:

  • Begrüßung – Begrüßung der Teilnehmenden untereinander durch gegenseitiges Ansprechen, Händeschütteln, Ausführen von Bewegungen, Singen usw.
  • Austausch – Austausch von Neuigkeiten oder Informationen über die Teilnehmenden oder ihre Lernfortschritte untereinander; außerdem Stellen von Fragen zu eigenen Gedanken, Gefühlen und Ideen im Bereich Lernen und deren Beantwortung.
  • Gruppenarbeit – Gemeinsames Lösen einer kurzen Aufgabe (Eisbrecher), um die Gruppe zusammenzuschweißen.
  • Morgen-Botschaft – Vorab-Botschaft der Lehrkraft an der Tafel/auf dem Bildschirm mit Bezug zu den jeweiligen Unterrichtsstunden. Zum Beispiel „Alles oder Nichts“.

2. Positive Emotionen

Die Lehrkraft sollte den Teilnehmenden Feedback geben, sodass sie sich weiterentwickeln können. Es muss ein sicheres Umfeld geschaffen werden, in dem die Erwachsenen sich akzeptiert und respektiert fühlen.

3. Gruppenarbeit

Durch Gruppenarbeit können die Teilnehmenden voneinander lernen. Auf diese Weise wird klar, welche von der Lehrkraft vermittelten Punkte noch unklar/unverständlich sind.

4. Voneinander lernen

Wenn Erwachsene voneinander lernen, können sie neue Inhalte leichter aufnehmen. Sie können das Unterrichtsmaterial diskutieren, ihre Erkenntnisse vergleichen und Fragen stellen. Das Lernen voneinander reduziert den Stress, da es bedürfnisorientiert erfolgt. Durch Präsentation des Materials gegenüber den eigenen Gruppenmitgliedern hat jede*r die Möglichkeit, das Gelernte zu wiederholen und sicherzustellen, das Thema verstanden/gelernt zu haben.

5. Übung

Beim Üben ergibt sich die Möglichkeit, die erworbenen Kenntnisse regelmäßig zu wiederholen, die Kompetenzen in alltäglichen Situationen unter Beweis zu stellen und Fehler zu machen. Dies ist viel effektiver als das reine Auswendiglernen von Informationen. Die Teilnehmenden erhalten so einen viel genaueren Eindruck von der Problemlösung im echten Leben.

6. Begrenzte Vortragszeit

Cooper und Richards (2016, 376) weisen darauf hin, dass bei der Unterrichtsvorbereitung berücksichtigt werden sollte, dass Erwachsene sich ungefähr 15 bis 20 Minuten ununterbrochen konzentrieren können. Daher sollten auf einen 15- bis 20-minütigen Vortrag Diskussionen sowie Partner- und Einzelarbeit folgen, bei denen die aktive Einbeziehung aller Teilnehmenden gefragt ist.

7. Aussagekräftige und für die Einzelnen relevante Informationen

Erwachsene Lernende können sich Informationen besser merken, wenn sie aktiv in die entsprechenden Prozesse einbezogen werden. Dann werden Inhalte, die mit ihrem Alltag zu tun haben – beispielsweise Arbeitsaufgaben – wichtig und ergeben für sie einen Sinn.

Die Fachleute Tobias Seidel und Andrea Hempel (2014) vom Didaktikzentrum der Hochschule der Medien Stuttgart gehen auf folgende, aus der neurowissenschaftlichen Forschung abgeleitete elf Prinzipien der Erwachsenenbildung ein: Interesse und Neugierde wecken, Transparenz der Lehr- und Lernziele (gemeinsames Vorgehen), den „roten Faden“ im Blick haben (System und Struktur kennen), Inhalte vernetzen – Überblick geben, Tiefenlernen nutzen, Wichtiges wiederholen, mehrere Sinne ansprechen, Emotionen beachten, Pausen einlegen, individuelle Zugänge beachten und Feedback geben.

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Die Neuroandragogik bietet effektive Lehr- und Lernmethoden und -instrumente, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Funktionsweise des erwachsenen Gehirns basieren. Hierzu gehört beispielsweise der sogenannte Elevator Pitch, der auf Erkenntnissen der Neurowissenschaft beruht. Dabei muss eine andere Person innerhalb kürzester Zeit – während einer Aufzugfahrt, daher die Bezeichnung – für ein Thema gewonnen werden.

Hier geht es darum, Teamarbeit zu fördern, schnell Kompetenzen zu entwickeln (während der Aufzugfahrt) und die eigenen Ideen überzeugend zu präsentieren. Dabei teilt die Lehrkraft die Teilnehmenden in Fünfergruppen ein und fordert sie auf, ein Problem zu ermitteln, das für den jeweiligen Lernbereich wichtig ist und gelöst werden kann. Dann erhalten sie für die Erörterung des Problems drei Minuten Zeit. Anschließend werden sie aufgefordert, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu entwickeln, um das benannte Problem zu lösen. Dafür erarbeitet die Gruppe dann eine Präsentation von 60 Sekunden! Für die Gruppenarbeit sind fünf Minuten vorgesehen.

„Elevator Speech“

I. Vorgehensweise

1. Die Teilnehmenden werden in Gruppen eingeteilt (fünf Personen pro Gruppe).

2. Die Gruppe erstellt eine kurze Zusammenfassung der ihrer Ansicht nach effektivsten Methode zum Erlernen eines spezifischen Inhalts (5–7 Minuten).

Bei der Erstellung der Zusammenfassung sollten folgende Fragen beantwortet werden:

Worin besteht die Methode?
Welches Problem wird mit ihrer Hilfe gelöst?
Was ist das Besondere an der vorgeschlagenen Methode, und warum sollten Andere sie ebenfalls anwenden?


3. Eine der Gruppen hält eine 60-sekündige „Elevator Speech“ vor allen Teilnehmenden.

 

Laut J. Imilkowski (2018) schafft eine Elevator Speech eine entspannte Atmosphäre und lässt die Teilnehmenden offen für verschiedene Ideen werden. Das gemeinsames Denken im Hinblick auf ein einziges Ziel regt die Oxytocinproduktion im Gehirn an. Mithilfe der Elevator Speech kann geübt werden, in einem sicheren Umfeld auf Fragen wie „Was passiert, wenn... ?“ zu antworten. Oxytocin beeinflusst unser soziales Verhalten – es mindert die Angst, steigert den Mut und die Neugierde und stärkt den Wunsch, mit Anderen in Kontakt zu treten.

Das „Sozialhormon“ Oxytocin spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Sozialverhaltens und ist an verschiedenen Prozessen der sozialen menschlichen Wahrnehmung beteiligt (Wagner & Echterhoff, 2018).

Bisher weit verbreitete Konzepte wie beispielsweise das sequentielle Lernen von Grammatikregeln von Fremdsprachen und Vorlesungen, bei denen der Inhalt einer Theorie vermittelt wird, erweisen sich heutzutage zunehmend als ineffektiv. Aus den wichtigsten Ergebnissen der Studie des Weltwirtschaftsforums (2021, 2) geht hervor, dass die aktuellen Lernsysteme nicht so flexibel an die Arbeit angepasst werden können, wie es für das lebenslange Lernen nötig ist. Im Bericht mit dem Titel The Future of Jobs Report (Weltwirtschaftsforum, 2020) werden neben analytischem Denken und Innovationen das aktive Lernen und aktive Lernstrategien zu den wichtigsten zehn Kernkompetenzen gezählt, die bis 2025 benötigt werden. Folglich müssen Erwachsenenpädagog*innen effektive Unterrichtsmethoden kennen und effektiv anwenden können. Bei der Wahl der geeigneten Methoden und Instrumente der Erwachsenenbildung sind Kenntnisse in der Neuroandragogik äußerst hilfreich.


Literaturhinweise:

American University. (2021). What Is Brain-Based Learning? Abgerufen unter: https://soeonline.american.edu/blog/brain-based-learning

Cooper, A.Z.; Richards, J.B. (2016). Lectures for Adult Learners: Breaking Old Habits in Graduate Medical Education. AAIM Perspectives. Abgerufen unter: https://www.amjmed.com/article/S0002-9343(16)31217-7/pdf

 

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Kommentar

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KAI JÜRLAU
Fr., 04.03.2022 - 17:54

Olen andragoogika tudeng ja lugedes artiklit neuroandragoogikast, hakkasid tekkima seosed meie õpingutega. Neid põhimõtteid ja võtteid (aktiivne kaasamine, positiivsete emotsioonide loomine, rühmatöö, vastastikune õppimine jne) kasutavad Tallinna ülikooli õppejõud meid harides. Sõnad ja teod käivad käsikäes! 

Neuroandragoogikast ei olnud ma enne kuulnud, nüüd siis uus teadmine ja saan teemaga edasi tutvuda. 

Aitäh!

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Paldies par iepazīstināšanu ar neiroandragoģiju!

Neiroandragoģijā formulētie principi pieaugušo izglītības dalībnieku izglītības efektivitātes paaugstināšanai, manuprāt, ir tikpat labi attiecināmi arī uz bērnu un jauniešu mācīšanās prasmju apguvi (kā nekā - viņi arī nākotnes pieaugušie...).

Aktīva iesaistīšanās. Tas vienmēr dos efektu, jo ļauj apjaust, ka es esmu šeit un mans viedoklis ir svarīgs (arī, ja mācības notiek attālināti!). Neformālākai atmosfērai var izmantot ledus laušanas spēles.

 

Pozitīvas emocijas. Pieredzēju lielisku attālināto semināru ciklu, kuru pasniedzēja vienmēr iesāka ar deju. Sākumā man šķita grūti iedomāties, ka es varētu piecelties un dejot līdzi (ar dejošanu esmu uz Jūs), bet pozitīvisms ir lipīgs! Redzot citus aktīvi iesaistoties, cēlos kājās un kustējos līdzi! Tiem, kuriem nebija tādu iespēju, ievēroju platu smaidu sejā, kas liecināja, ka gūt pozitīvas emocijas var arī skatoties uz priecīgiem cilvēkiem.

Grupu darbs un savstarpējā mācīšanās. Tā ir pieredzes un viedokļu apmaiņa, tuvāka grupas dalībnieku iepazīšana. Svarīgi uzklausīt un pieņemt dažādus viedokļus. Grupu darbos var lieliski izmantot atvērta tipa jautājumus un ļaut katram pašam nonākt pie savas atziņas.

Prakse. Šis varētu būt viens no būtiskākajiem aspektiem pieaugušo izglītībā tiem, kuri vēlas apgūt ko jaunu. Būtu vērtīgi jau laicīgi saprast vai gaidas sakrīt ar realitāti. Kāpēc gan nevarētu būt atvērtās Ēnu dienas, kur jebkurš interesents varētu palūkoties uz interesējošo profesiju?

Ierobežots laiks lekcijām. Mani izbrīnīja pieauguša cilvēka koncentrēšanās ilgums. Šķita, ka pieaugušie spēj noturēt nedalītu uzmanību ilgāk (30-40 minūtes). Tātad būtiski svarīgu saturu sabalansēt ar darbu grupās un pauzēm.

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Ērika Pičukāne
Mo., 04.10.2021 - 11:36

Paldies! Īpaši par teikumu: Mācībās ir jāparedz iespēja regulāri atkārtot apgūtās zināšanas, demonstrēt prasmes reālās dzīves situācijās un kļūdīties. 

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