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Kultur als Eckpfeiler der menschlichen Gesellschaft und als wichtiger Bestandteil menschlicher Identität

Kultur - Wie man sie fördert, warum man es tun sollte und was die Erwachsenenbildung damit zu tun hat

Kultur

Der Duden definiert Kultur als Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung oder auch als Gesamtheit der von einer bestimmten Gemeinschaft auf einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Epoche geschaffenen, charakteristischen geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen.

Man könnte es auch, wenn man sich nicht an einer gewissen Arroganz stört, so formulieren: „Kunst ist das, was den Menschen menschlich macht.“ Denn im Prinzip sagt die Definition nichts Anderes aus: um Kultur zu entwickeln, bedarf es menschlichen Zutuns, Kultur entsteht nicht aus sich selbst heraus, nicht einmal durch einen einzelnen Menschen. Es braucht viele Menschen, und es braucht Zeit, um Gewohnheiten, Sitten, Rituale, Zeremonien, Charakteristika zu entwickeln, die als eine der unzähligen Ausprägungen von Kultur angesehen werden können. Die Kultur stellt den Menschen in den Mittelpunkt, und der Mensch instrumentalisiert die Kultur, um in den Mittelpunkt gestellt zu werden. Kultur ist so gesehen deutlich omnipräsenter, als es dem Menschen vielleicht bewusst ist. Sei es die Art, sich zu kleiden, die Zubereitung von Nahrung, die Verwendung von Sprache, wie wir wohnen, wie wir leben, Musik, Literatur, Sport, letztlich die gesamte menschliche Gesellschaft basiert auf Kultur als Produkt von etwas Erschaffenem.

Keiner dieser Aspekte des menschlichen Lebens ist in dem Sinne selbstverständlich, dass er von Anbeginn an in dieser konkreten Form dagewesen wäre noch dass er zwangsläufig bis ans Ende wird da sein müssen. Kultur existiert, weil der Mensch existiert, und weil der Mensch sich weiterentwickelt. Dabei bietet der Begriff der Kultur sowohl ein Merkmal der Gemeinsamkeit als auch der weiteren Unterteilung und Klassifizierung von Menschen. Kultur als Oberbegriff ist gewissermaßen der gemeinsame Nenner aller Menschen. Wer begreifen kann, was Kultur ist, wer auf irgendeine Art Kultur lebt, wird wohl ein Mensch sein. Die verschiedenen Ausprägungen von Kultur ermöglichen eine tiefergehende Betrachtung: wer eine gemeinsame Sprache spricht, fühlt sich eher derselben Gruppe zugehörig, ebenso die Mitglieder eines Theater-Verbands. Kulturen bieten somit ein Identifikationsmerkmal. Die Identifikation mit Kultur kann dabei so weit gehen, dass sich an ihr ganze Staaten ausrichten. In diesem Zusammenhang sei der (zugegeben wissenschaftlich umstrittene) Begriff der Kulturnation genannt. Aus der Sicht kleiner Gemeinschaften kann ihre ganze Existenz auf dem Verständnis einer zumindest teilweise gemeinsamen Kultur beruhen. Nicht umsonst hießen die drei Gemeinschaften, aus denen das Königreich Belgien heute besteht, zunächst Kulturgemeinschaft.

 

Die ostbelgische Kultur

Belgien blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Heute handelt es sich beim Königreich Belgien um einen Föderalstaat, der in vier Sprachgebiete, drei Regionen und drei Gemeinschaften untergliedert ist, wobei die Regionen und die Gemeinschaften sich teilweise überschneiden. Im Einzelnen handelt es sich bei den Sprachgebieten um das französische Sprachgebiet, um das niederländische Sprachgebiet, um das deutsche Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt. Die Regionen sind die Wallonische Region, die Flämische Region und die Brüsseler Region, und bei den Gemeinschaften handelt es sich um die Deutschsprachige Gemeinschaft, die Flämische Gemeinschaft und die Französische Gemeinschaft. Die Deutschsprachige und die Französische Gemeinschaft entsprechen dabei dem Gebiet der Wallonischen Region und die Flämische Gemeinschaft entspricht dem Gebiet der Flämischen Region.

Allerdings handelte es sich bei Belgien im Ursprung um einen Einheitsstaat. Erst im Zuge der ersten großen Staatsreform 1968-1971 wurde Belgien in drei Kulturgemeinschaften unterteilt, die dann 1983 durch die heutigen Gemeinschaften ersetzt wurden. Im Laufe der Zeit und der Staatsreformen haben die Gemeinschaften ihre Zuständigkeiten sukzessive ausbauen können, doch der Ursprung der Zuständigkeit lag in der Kultur. In dem Zugeständnis des belgischen Föderalstaates, sich selbst zu untergliedern, um angepasster und zielgerichteter auf die Bedürfnisse seiner Einwohner eingehen zu können, lässt sich die Wichtigkeit von Kultur auch auf politischer Ebene ablesen. So ist denn im Alltag auch weniger von einer „belgischen“ Kultur die Rede, als von einer „flämischen“ und einer „wallonischen“… und vielleicht auch von einer „ostbelgischen“.

Natürlich stellt dies einen relativ außergewöhnlichen Fall dar, der in erster Linie durch den flämisch-wallonischen Konflikt bedingt war und auf den Ostbelgien direkt einen sehr geringen Einfluss hatte, wenn überhaupt. Dennoch, im Zuge dieser Entwicklung ist ein im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl und seiner Fläche hoch entwickelter Apparat entstanden, der über eigene Regierung, über eigenes Parlament, über eigenes Ministerium, über eine weitgehend eigenständige Bildungs- und Krankenhauslandschaft verfügt und der heute weitreichende Autonomien und Entscheidungsbefugnisse besitzt. Dieses System bedingt einen in Relation sehr hohen Verwaltungsaufwand und zwangsläufig auch eine Anzahl von Kooperationen, sogar Abhängigkeiten, mit und von anderen Gemeinschaften, Regionen und Staaten, es bedingt aber auch eine ungewöhnliche Nähe zwischen Politik und Bürger und bietet die Möglichkeit, konkret auf die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Und all das nahm seinen Anfang mit der Anerkennung unterschiedlicher Kulturen.

Das Bewusstsein um die Wichtigkeit von Kultur hat sich bis heute erhalten. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat dieses Bewusstsein seinen Ausdruck in zahlreichen Programmen und Initiativen gefunden, die die Kultur in ihren unterschiedlichen Ausprägungen schützen und fördern. Einige von ihnen seien überblicksartig vorgestellt:

- Das Dekret zur Förderung von Kultur in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

- Das Dekret über die Förderung der Museen sowie der Veröffentlichungen im Bereich des Kulturerbes

- Das Dekret zur Förderung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung

An dieser Stelle in erster Linie interessant ist natürlich das zuletzt genannte Dekret zur Förderung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung.

 

Volks- und Erwachsenenbildung

Oder ist das gar nicht so „natürlich“? Bis gerade war nur von Kultur die Rede, nun soll plötzlich die Erwachsenenbildung ins Spiel kommen? Diese beiden Wörter teilen sich gerade einmal einen Vokal miteinander, was als gemeinsame Grundlage kaum ausreichend sein dürfte. Dennoch verbindet diese beiden Begriffe auch über diese Oberflächlichkeit hinaus viel, Erwachsenenbildung ist ein Teil von Kultur und gleichzeitig einer ihrer Vermittler. Nicht umsonst wurden bis vor wenigen Jahren die Begriffe „Erwachsenenbildung“ und „Volksbildung“ weitgehend synonym verwendet. Bei der Bildung des Volkes, der Gebildetheit des Volkes, ist der Bezug zur Kultur vielleicht offensichtlicher: das Volk, das ist die Vorzeigedefinition der bestimmten Gemeinschaft auf einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Epoche, die ebenfalls Bestandteil der eingangs aus dem Duden entnommenen Definition von Kultur ist. Die „Bildung“ aus „Volks-Bildung“ wiederum lässt sich in Einklang bringen mit den „geschaffenen, charakteristischen geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen“.

Volksbildung ist also Kultur, doch ist Volksbildung auch Erwachsenenbildung, und Erwachsenenbildung mithin auch Kultur? Immerhin sind die Begriffe „Volk“ und „Erwachsene“ mit eindeutig unterschiedlichen Bedeutungen konnotiert. Volk ist die Gesamtheit einer Gemeinschaft an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Erwachsene sind hingegen diejenigen, die die Merkmale aufweisen, anhand derer in der fraglichen Gesellschaft das Erwachsensein bestimmt wird, Erwachsene sind so gesehen also nur eine Teilmenge eines Volkes. In diesem Sinne sind Volksbildung und Erwachsenenbildung nicht dasselbe. Gleichzeitig wäre es verfehlt, anzunehmen, sie hätten nichts miteinander zu tun.

Der Wandel der Begrifflichkeiten ist in erster Linie historisch zu begründen und nachzuvollziehen, und mit diesem Wandel der Begrifflichkeiten ging durchaus auch ein teilweiser Wandel in Zielsetzung und Selbstverständnis der Volks- bzw. Selbstverständnis einher. Ein Wandel, der eher als Evolution denn als Revolution, eher natürliche Weiterentwicklung denn radikale Neuausrichtung darstellt. Die historisch ältere Volksbildung entstammt einer Zeit, in der Bildung in jeglicher Form weit weniger selbstverständlich war, als dies heute der Fall ist, in der zum Beispiel die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben, ausgewählten Kreisen der Gesellschaft vorbehalten war. Volksbildung diente in diesen Zeiten dazu, tatsächlich die breite Masse der Bevölkerung, des Volkes, an Bildung teilhaben zu lassen. Im Zuge gesellschaftlicher Weiterentwicklung, mit einem allgemein ansteigenden Bildungsniveau und mit einem sich verändernden Selbstverständnis änderte sich tatsächlich der Fokus dieser Art der Bildung vom ganzen Volk auf besagte Teilmenge, die Erwachsenen. Die Betonung liegt hierbei auf „Fokus“, diese Volks- und Erwachsenenbildung fokussierte sich zunehmend auf Erwachsene und stellte sie in ihren Mittelpunkt, ohne jedoch das weitere Volk auszuschließen. Viele heutige Erwachsenenbildungsanbieter heißen immer noch Volkshochschule, vielen bieten Angebote an, die nicht ausschließlich Erwachsenen vorbehalten sind.

Der Wandel der Begrifflichkeit von Volksbildung hin zu Erwachsenenbildung ist bei jenen, die es am besten wissen, durchaus nicht unumstritten: bei den Volks- bzw. Erwachsenenbildungsanbietern selbst. Am Beispiel der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens lässt sich das schön rekonstruieren: die ursprüngliche gesetzliche Grundlage für Volks- und Erwachsenenbildung war das Dekret vom 18. Januar 1993 über die Anerkennung und Bezuschussung von Organisationen für Volks- und Erwachsenenbildung, hier waren Volks- und Erwachsenenbildung synonym genannt. Diese gesetzliche Grundlage ist durch das Dekret vom 17. November 2008 zur Förderung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung abgelöst worden. Entsprechend veränderte sich auch die Bezeichnung des Dachverbandes von „Rat für Volks- und Erwachsenenbildung“ hin zu „Rat für Erwachsenenbildung“ – beides gegen den Willen der Erwachsenenbildungseinrichtungen, wohlgemerkt, die den Begriff der Volksbildung gerne weiter zusätzlich zum Begriff der Erwachsenenbildung verwendet hätten, weil dies eher ihrem Selbstverständnis entsprach: Bildner der Erwachsenen, ja, aber eben auch des Volkes. Im entsprechenden Dekret der Deutschsprachigen Gemeinschaft heißt es unter „Recht auf Erwachsenenbildung“ wörtlich: „Jeder Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht, Schlüsselkompetenzen zu erwerben, zu vertiefen oder zu aktualisieren.“ Jeder Bürger, nicht nur jeder Erwachsene, hat also das Recht auf nicht-formale Bildung, ob man sie nun Erwachsenenbildung oder Volksbildung nennt. An anderer Stelle heißt es: „Ziel ist die Förderung der sozialen Integration, der Chancengleichheit im weitesten Sinne, der kollektiven Handlungsfähigkeit und des Bürgerschaftssinns sowie das Erlernen grundlegender sozialer und bürgerlicher Werte.“ Spätestens an dieser Stelle wird der Bezug der Bildung, sei es nun jene der Erwachsenen oder jene des Volkes, zur Kultur evident.

 

Der Wert der Kultur

Denn um Kultur ging es eingangs. Kultur ist wichtig. Erwachsenenbildung trägt zur Kultur bei. So banal das klingen mag, es sollte weder vergessen noch unterschätzt werden: indem die Erwachsenenbildung einen Beitrag zu sozialer Integration leistet, zu kollektiver Handlungsfähigkeit, zu Bürgerschaftssinn und zu sozialen und bürgerlichen Werten, trägt Erwachsenenbildung zu einem Kulturbewusstsein bei, zur Entwicklung von Kultur, vielleicht auch zu ihrer Veränderung, was nichts Schlechtes sein muss, denn Kultur lebt von ihrer Veränderung, von ihrer Anpassung an die voranschreitenden Epochen.

Um es ganz klar auszudrücken: Kultur ist in einem biologischen Sinne nicht überlebensnotwendig. Für das Leben eines Individuums einer Rasse ist Kultur nicht erforderlich. Hätte es der Kultur bedurft, damit der Mensch überleben konnte, hätte er nicht überlebt, denn bevor es die ersten Ausprägungen von Kultur gab, gab es den Menschen bereits Jahrtausende. Literatur, Theater, Tanz, Musik, Rituale, Sitten und Bräuche, selbst Sprache, all das ist streng genommen nicht notwendig, um zu überleben. Gewisse Aspekte der Kultur, allen voran vermutlich Sprachen, das Zusammenleben in Gruppen, das sind Faktoren, die das Überleben begünstigen und wahrscheinlicher machen, insoweit können sie als evolutionsbiologisch notwendig angesehen werden, doch aus Sicht des Einzelnen ist das keine zwingende Erforderlichkeit.

Eine Welt ohne Kultur ist vorstellbar und würde sich nicht notwendigerweise negativ auf die Lebenszeit eines Menschen auswirken. Allerdings, was täte dieser Mensch mit all seiner Zeit, wenn es keine Musik gäbe, keine Literatur, weder Theater noch Tanz, keine Feste und Bräuche?

Kultur ist nicht lebensnotwendig, aber Kultur macht das Leben lebenswert. Die Erwachsenenbildung trägt zur Kultur bei, und damit trägt sie auch zum Wert des Lebens selbst bei.

 


Werdegang

Ich arbeite seit November 2018 in der Nationalen Agentur für die europäischen Förderprogramme Erasmus+ und das Europäische Solidaritätskorps (angesiedelt im Jugendbüro der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens).
Zunächst zeichnete ich dort verantwortlich für die Bewertung und Bearbeitung der Anträge und Projekte in den Bereichen Schulbildung, Berufsbildung und Hochschulbildung. Seit Januar 2021 koordiniere ich darüber hinaus das Youth Wiki in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die Online-Enzyklopädie über die verschiedenen Jugendpolitiken in Europa. Im Januar 2022 gab ich die Bildungsbereiche ab und übernahm stattdessen den Jugendbereich (sowohl Erasmus+ als auch das Europäischen Solidaritätskorps).
Vor meiner Zeit im Jugendbüro studierte ich Rechtswissenschaften an der Universität Trier mit einem Fokus auf internationalen Rechtssystemen. Außerberuflich bin ich gewerkschaftlich aktiv, weitere Interessen bilden Sprachen, Literatur, Kultur und Gesellschaft.


Weitere Veröffentlichungen

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