Kulturelle Austauschprogramme mit dem internationalen Parcours für Begleitung und Reflexion neu erfinden! (Parcours d’Accompagnement et de Réflexion à l’International, oder kurz: PARI!)


Marie Le Sourd, für kulturelle Austauschprogramme und Koordinatorin des internationalen Netzwerks On the Move, das künstlerischen Austauschs fördert, spricht hier über das Programm PARI! . Dieses 2018 gestartete und gemeinsam mit dem Institut Français und dem französischen Kulturministerium gestaltete Programm bietet Künstlern und Produktionsteams strategische Unterstützung und begleitet sie bei der internationalen Expansion. Durch die Verbindung von Reflexion über berufliche Praktiken, ethischem Engagement und der Entwicklung neuer Strategien zur Bekanntmachung lädt PARI! die Teilnehmer des Programms dazu ein, ihre Beziehung auf internationaler Ebene neu zu überdenken und dabei wesentliche Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und kulturelle Vielfalt zu integrieren.

Marie le Sourd, Sie sind Spezialistin für internationale Austauschprogramme im Kulturbereich. Können Sie sich kurz vorstellen?
Ich koordiniere seit 2012 das internationale Informationsnetzwerk zu kulturellen Austauschprogrammen On the Move. Das von der Europäischen Union und dem französischen Kulturministerium ko-finanzierte Netzwerk hat heute 79 Mitglieder in 29 Ländern.
Die wichtigste Aufgabe vonOn the Move ist es, kostenlos, regelmäßig und zugänglich über finanzierte Mobilitätsmöglichkeiten (Residenzen, Festivalteilnahmen, Workshops, Stipendien, Ausbildung usw.) in Europa und auf internationaler Ebene zu berichten. Die Daten, die wir über unsere Website sammeln, fließen auch in unsere Aktionen und Berichte ein, in denen wir für eine gerechtere, verantwortungsvollere und vielfältigere Art von kulturellen Mobilitätsprogrammen eintreten. Wir arbeiten insbesondere an Themen, die mit kulturellen Mobilitätsprogrammen in Zusammenhang stehen: Visa, Elternschaft, Wohlbefinden und psychische Gesundheit, Barrierefreiheit, ökologische Nachhaltigkeit usw. Die Idee ist, über den kulturellen Austausch in seiner ganzen Komplexität zu berichten und zu handeln und die vielfältigen Kontexte sichtbar zu machen, in denen sich Künstler und Kulturschaffende international bewegen.
Ressourcen auf Französisch, darunter ein monatlicher Newsletter auf Französisch : https://on-the-move.org/resources/ressources-francais
Das Programm PARI! will kulturelle Einrichtungen bei der internationalen Aufstellung unterstützen. Was sind die größten Herausforderungen, denen sich diese Organisationen gegenübersehen, wenn sie sich international aufstellen wollen?
Das Programm PARI! (Parcours d'Accompagnement et de Réflexion à l'International) wurde 2018 vom französischen Kulturministerium initiiert, später schloss sich das Institut Français als Partner an. Das von On the Move in enger Zusammenarbeit mit Isabel Andreen koordinierte Programm unterstützt seit 2022 jeweils 17 Teams aus den Bereichen darstellende Kunst und Musik (Kompanien, Kollektive, Ensembles etc.) ein Jahr lang bei ihrer Expansion auf internationaler Ebene.
Projektträger, die international tätig werden wollen, müssen sich unter anderem mit folgenden Herausforderungen auseinandersetzen:
- Schwierigkeit, lange genug durchzuhalten, und gleichzeitig mit der kurzfristigen Sichtbarkeit durch die für die Strukturierung verfügbaren Mittel umzugehen.
- Zwiespalt zwischen Bekanntmachung und nachhaltiger und verantwortungsvoller Entwicklung.
Der PARI!-Parcours setzt darauf, in Zusammenarbeit mit den künstlerischen Teams und den Partnern des Programms insbesondere zu zwei Hauptachsen zu arbeiten:
- Das Thema Internationalität als Reflexions- und Austauschinstrument nutzen, um die eigene Berufspraxis in einem sich stark verändernden Umfeld (in politischer, wirtschaftlicher, ökologischer, gesellschaftlicher Hinsicht usw.) anders zu denken
- Unterstützung der Teams bei der Vernetzung, beim Zugang zu Ressourcen über Länder/Regionen der Welt, bei der Kommunikation (insbesondere auf Englisch), beim Nachdenken über Herausforderungen und Chancen auf europäischer Ebene usw.
Unseren neuesten Aufruf finden Sie hier: http://www.on-the-move.org/news/pari-parcours-daccompagnement-et-de-reflexion-sur-linternational-appel-candidatures-2024-2025
PARI! legt den Schwerpunkt auf Reflexion und Veränderung der beruflichen Praxis. Können Sie uns konkrete Beispiele für die Veränderungen nennen, die Sie bei den Teilnehmern im Laufe des Programms beobachtet haben?
Die Begleitung betrifft die Gruppen aus Künstler/in / Produktions-/Vertriebs-/Verwaltungsbeauftragte/r. Die Idee ist, diese Reflexionsräume innerhalb und mit der begleiteten Einrichtung zu fördern, um gemeinsam Ansätze zum Thema Internationalität zu erarbeiten.
Die künstlerischen Teams, die sich für PARI! bewerben, wollen ihre Beziehung zur Internationalität anders denken. Zum Beispiel wollen sie ihre partnerschaftlichen Beziehungen umgestalten, um sie nachhaltiger und weniger rein auf die Verbreitung ausgerichtet zu machen. Wir schlagen den Organisationen vor, ihre Besonderheiten und ihre Vorstellungen i Bezug auf Austausch und Zusammenarbeit zu hinterfragen. Alle stellen dabei fest, dass das von entscheidender Bedeutung ist, zuerst ihre Arbeitsweise und die interne Zusammenarbeit und die mit anderen Teams zu definieren, um neue Modelle zu erarbeiten und Innovationen erzielen zu können. Die Frage der (mangelnden) Zeit ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, daher schlägt PARI! vor, feste, dedizierte Zeiten als Rahmen für die Umgestaltungs- und Einsatzschritte festzulegen.
Diese gemeinsamen und individuellen Termine ermöglichen zum Beispiel die interne Umverteilung der Art und Weise, wie Internationalisierung gehandhabt wird (Verfassen eines spezifischen Lastenhefts zu dem, was man unter 'international' versteht, Neudefinition von Stellenbeschreibungen oder sogar Einstellungen, Einführung nach der Zeit der PARI!-Begleitung von regelmäßigen Austauschzeiten innerhalb der Teams je nach Entwicklung bestimmter Projekte usw.)
Bei einigen Teams führte eine bessere Kenntnis der europäischen Kulturnetzwerke und der Fördermechanismen dazu, dass sie sich Partnerschaften oder Förderungen sichern konnten (insbesondere über Perform Europe und Culture Moves Europe).
Allgemein kommt es zu einem umfassenderen Verständnis in Bezug auf die internationale Dimension des Teams und seiner Projekte, die über die internationale Verbreitung hinausgeht und sich in Form von Zusammenarbeit, Übertragung und sogar Co-Kreation entfalten kann.
Das Programm befasst sich mit übergreifenden Herausforderungen wie Ethik, Ökologie und Vielfalt. Wie passen diese Themen in eine internationale Entwicklungsstrategie für die darstellenden Künste und Musik?
Wir bearbeiten diese Fragen auf unterschiedliche und individuell abgestimmte Weise:
- Zunächst einmal stehen die insgesamt 17 begleiteten Teams, die über eine Ausschreibung ausgewählt wurden, bei der die endgültige Entscheidung vom Kulturministerium und dem Institut Français getroffen wird, für verschiedene Formen der Vielfalt: geografischeVielfalt, wobei mindestens 2 bis 3 Teams aus den Überseegebieten kommen, nach Geschlecht, nach künstlerischem Ansatz und nach Querschnittsthemen wie Inklusion, Zusammenarbeit mit anderen Sektoren, Klimawandel usw.
- Die Reflexion über diese Themen ist das Herzstück des (einzigen) Präsenztreffens aller Teams in Paris, wird aber auch im Austausch mit den Vertretern vom Kulturministerium und dem Institut Français behandelt. Zum Beispiel wurden bei der Sitzung im September 2024 auf der Grundlage der Bedarfsdiagnosen folgende Themen für den Austausch vorgeschlagen:
- Peripherie, Zentrum, Insellage - Von wo aus spreche ich? Von wo aus starte ich? Mein geografischer Hintergrund beeinflusst meinen Blick auf das Internationale. In diesem Bereich können sich die Teams darüber austauschen, wie ihr Hintergrund Folgendes beeinflusst:
- wie sie ihre Projekte und ihre Ausrichtung auf internationaler Ebene planen,
- wie sie ihre Austauschprogramme ausrichten,
- welche Beschränkungen und Chancen bestehen usw.
- Engagement im Mittelpunkt von Projekten; Raum für den Austausch darüber, wie politisches, soziales, ökologisches, menschliches usw. Engagement aussehen kann.
- Engagement ist eine treibende Kraft bei Ihrem Vorgehen und der Umsetzung Ihrer Projekte. Gemeinsam überdenken, wie sich dieses Engagement auf Ihre internationale Entwicklung auswirkt und diese befruchten kann.
- Schließlich ermöglichen die individuellen Begleitungen, einige dieser Aspekte (die im Allgemeinen bereits Teil der von den Teams getragenen Werte sind) zu formalisieren, indem an bestimmten Aspekten gearbeitet wird (Fahrplan zu den Herausforderungen von Austauschprogrammen und ökologischer Nachhaltigkeit, Protokoll für die Umsetzung von Projekten im Globalen Süden usw.)
PARI! bietet eine zwölfmonatige Begleitung, bei der sich Gruppen- und Einzelsitzungen abwechseln. Welche Vorteile hat dieser gemischte Ansatz für die teilnehmenden Einrichtungen?
Das Programm (16 Stunden) ist in eine Diagnosezeit, ein gemeinsames Treffen in Paris (die einzige Präsenzzeit), zwei bis drei individuelle Termine pro Team sowie zwei gemeinsame Termine in der Mitte und am Ende des Parcours gegliedert.
Dieser gemischte Ansatz ermöglicht einen gemeinsamen Austausch von Ressourcen und Erfahrungen zwischen den künstlerischen Teams, um eine Verbindung herzustellen und den Dialog untereinander, aber auch mit den Verantwortlichen des Kulturministeriums und des Institut Français zu fördern.
Die individuellen und maßgeschneiderten Sitzungen ermöglichen es, Themen und Arbeitsschwerpunkte zu vertiefen, die für jedes Team spezifisch sind, und zwar in Verbindung mit Ansprechpartnern, die insbesondere über das Netzwerk von ?On the Move. In diesem Rahmen arbeitet Pierre Brini du Laba sehr regelmäßig an Fragen der internationalen Strukturierung und Entwicklung sowie an der Einführung eines europäischen Ansatzes für die Projektentwicklung.
Der Wechsel zwischen Gruppen- und Einzelsitzungen gestattet es, abwechselnd zu reflektieren und nach neuen Ansätzen in Bezug auf die internationale Aufstellung zu suchen und sie gleichzeitig bei den eigenen Projekten umzusetzen. In den 12 Monaten des Projekts kann damit begonnen werden, neue Richtungen einzuschlagen und neue Chancen zu erkennen. Aber wir stellen dennoch fest, dass die Umsetzung der Überlegungen in die Praxis in der Regel auf den Leitungsebenen erfolgt.
Liste der Ansprechpartner der begleiteten Einrichtungen bis 2024 :
Welche wichtigen Entwicklungen hat das Programm PARI! seit seinem Start im Jahr 2018 durchlaufen? Wie sehen die Zukunftsperspektiven aus?
Die erste wichtige Entwicklung war die Einführung einer Ausschreibung ab 2022 (die erste Ausschreibung hätte 2020 erfolgen sollen, wurde aber aufgrund von COVID verschoben, obwohl die Begleitung auf Grundlage interner Vorschläge des Kulturministeriums und des Institut Français fortgesetzt wurde), nachdem das Programm mehrere Jahre lang in einer Versuchsphase erprobt worden war. Die Ausschreibung ermöglicht eine klarere Positionierung der Einrichtungen insbesondere in Bezug auf die Themen, die überdacht werden sollten.
Der Ansatz der Reflektion des Parcours wird insbesondere durch die Koordination von Isabel Andreen vertieft Die folgenden drei Fragen bilden die einfache, aber wichtige Prämisse: Worüber sprechen wir? Was möchte man teilen, mit wem und wie? Was ist essenziell? Diese Fragenmatrix ermöglicht es, Denken und Handeln miteinander zu verbinden, einzugrenzen, was man unter „international“ versteht, die definierten Werte mit den Projekten der Einrichtung zu verbinden und den eigenen Weg in Form eines Pflichtenhefts zu skizzieren. Die Identifizierung der Ressourcen ist bei diesem Prozess entscheidend und integraler Bestandteil von On the Move.
Der gemeinsame Ansatz der Begleitung wurde insbesondere durch einen gemeinsamen Austausch zur Halbzeit verstärkt, bei dem Erfahrungen, Fortschritte und Probleme, auf welche die Teams gestoßen sind, geteilt wurden. Dieser Austausch förderte nicht nur die Verbindungen zwischen den Teams, sondern half auch dabei, den anschließenden individuellen Abschnitt genauer abzustimmen und auf festgestellte Probleme zu reagieren.
Perspektivisch planen wir für Ende 2024 eine Auswertung der letzten drei Ausgaben von PARI!, die auf der Grundlage von Ausschreibungen entwickelt wurden. Es gibt einige Ideen für Veränderungen, wie die Stärkung des kollektiven Ansatzes bei der Begleitung, der Aufbau eines Alumni-Netzwerks und die stärkere Förderung von Verbindungen zwischen den Teams aus den Bereichen Theater/Tanz und assoziierte Künste und Musik. Wir werden auch dieBegleitung für den Sektor der visuellen Künste, der ebenfalls von der Begleitung abgedeckt wird, genauer betrachten.
Schriftliche Antworten von Marie Le Sourd und Isabel Andreen
[ Übersetzung : NSS EPALE France ]