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Lets talk about Sex! Online-Magazin „ELM“ veröffentlicht Themenausgabe über Sexualität und Erwachsenenbildung

Wie war das noch mit den Bienen und den Blumen? Wo kommen eigentlich die kleinen Kinder her? Diese Fragen haben uns (wahrscheinlich) in der Jungendzeit sehr beschäftigt. Dass Sexualerziehung auch eine Sache der Erwachsenenbildung ist, damit beschäftigt sich die neue Ausgabe des Onlinemagazins „European Lifelong Learning Magazine“. Gerade durch den Internetboom mit seinen unbegrenzten Zugangsmöglichkeiten zu Themen, die früher weitgehend verschlossen waren, macht das Thema heute besonders relevant.

ELM Ausgabe 3 2019

Teil des Wohlbefindens

"Sexualität ist ein Teil der Gesundheit und des Wohlbefindens in jedem Alter, zusammen mit anderen Elementen der Gesundheit wie Ernährung, Bewegung, geistiger Gesundheit, Schlaf und dem Gebrauch von Rauschmitteln", wird Katriina Bildjuschkin vom Nationalen Institut für Gesundheit und Wohlfahrt in Finnland im Beitrag von Anne Tastula zitiert. Eine Erwachsenenbildung schließt darum vielfältige Aspekte ein, die im Laufe des Lebens in diesem Zusammenhang relevant sind, bis hin zum Umgang mit dem anderen Geschlecht in Zeiten der „#MeToo“-Debatte. 

Die Internationale Föderation für geplante Elternschaft (IPPR, https://www.ippf.org) fordert entsprechend eine lebenslange Sexualerziehung, die auch Lifeskills wie Respekt, kommunikative Fähigkeiten oder das eigene Körpergefühl einbezieht. 

Besonders die Ländern Skandinaviens sind Vorreiter in der Sexualerziehung. Schweden war 1955 das erste Land, das sie an den Schulen eingeführt hat. Auch in den anderen Ländern Europas hat sich seither viel getan. 

Anstieg konservativer Werte behindert Akzeptanz

Doch: „Es gibt einen Anstieg konservativer Werte. In vielen europäischen Ländern, die Pioniere der Entwicklung waren, wurden die Programme und die Unterstützung für Sexualerziehung gekürzt. Es gibt viele Probleme, die mit der Akzeptanz von Vielfalt verbunden sind. Wir haben also noch viel zu kämpfen“, sagt Sexualpädagoge Tommi Paalanen, Direktor der finnischen Sexpo Foundation. 

Sex-Bildung für Erwachsene: Beispiel Schweden

Eine entsprechende Bildungsarbeit wird in Europa meistens von NGOs geleistet. RFSU, eine schwedische Organisation, die auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit tätig ist, hat vor etwa sieben Jahren damit begonnen, Erwachsene anzusprechen (www.rfsu.se). „Der Impuls war Selbstkritik. Wir waren als eine Organisation gesehen worden, die sich nur an die Jugend richtet. Wir wollen aber allen Menschen Sexualerziehung zu bieten “, sagt die Sexualpädagogin Pelle Ullholm von RFSU. Die Organisation hat seitdem zum Beispiel Podcasts, Kurzfilme, Zeitungskolumnen und Medienmitteilungen erstellt, die sich an Erwachsene richten. Sie haben auch einen Beratungsdienst für über 50-Jährige eingerichtet. „Sexualerziehung kann für verschiedene Gruppen unterschiedlich sein. Es kann für mich jetzt relevanter sein als früher. Es geht nicht nur ums Alter. Es geht auch darum, wo ich im Leben stehe“, sagt Ullholm.

Die RFSU hat zum Beispiel mit großen Musikfestivals zusammengearbeitet, wo sexuelle Belästigung ein weit verbreitetes Phänomen ist. Mit entsprechenden Kampagnen wurde auf dieses Problem dort aufmerksam gemacht. Erwachsene müssten insgesamt lernen, mehr und offener über dieses Thema zu reden. 

Postfeminismus statt #MeToo: Frauen sind von Natur aus "fehlerhaft"

Dass viele junge Frauen Buchratgeber nutzen, ist Thema des Beitrags „The lonely age of self-help feminism“ von Viivi Itkonen. Aussehen, Körperlichkeit und Sexualität sind ständig in den Medien präsent, was einen großen Druck auf die jungen Frauen ausübt. „Die Autoren von Selbsthilfebüchern haben die Macht zu artikulieren, was es bedeutet, eine gute Frau zu sein“, sagt Sarah Riley von der University of Aberystwyth (Wales), die diese Art von Literatur erforscht hat. "Die wiederkehrende Botschaft scheint zu sein, dass Frauen von Natur aus fehlerhaft sind und sich selbst reparieren müssen." 

Dies ist eine gefährliche Botschaft für Menschen, die von unseren leistungsorientierten Gesellschaften bereits erschöpft sind. “ Bei den Büchern herrscht allem ein „Postfeminismus vor der davon ausgeht, dass die Gleichstellung der Geschlechter bereits verwirklicht wurde, und es jetzt es das Hauptanliegen der Frauen ist, sich zu amüsieren.“

Menschen mit Behinderung werden als Kinder gesehen

Themen der Ausgabe sind außerdem der Umgang mit Transgender oder Sexualität bei Menschen mit Behinderung. Dies ist ein Menschenrecht, das allen zusteht. So sagt etwa Beyza Unal, Rollstuhlfahrerin aus der Türkei, die über das Körpergefühl von Menschen mit Behinderung promoviert hat: „Die Atmosphäre in der Türkei ist sehr konservativ, und über Sexualität wird nicht wirklich gesprochen. Menschen mit Behinderungen werden desexualisiert und nicht als sexuelle Wesen angesehen. Mangel an unabhängigem Leben ist ein Hindernis für die Sexualität. In der Türkei gibt es keine staatliche Unterstützung für persönliche Assistenten, sodass Menschen mit Behinderungen gezwungen sind, bei ihren Familien zu leben. Sie können kein Sexualleben oder keine romantische Beziehung haben, wenn sie mit ihrer Familie leben. Wenn Sie immer mit Ihren Eltern oder Geschwistern zusammen sind, wirkt sich dies auch darauf aus, wie Sie von anderen Menschen gesehen werden: als Kind und nicht als sexuelles Wesen.“

Prävention von sexuellem Missbrauch

Ein zunehmend wichtiges und drängendes Anliegen ist die Prävention von sexuellem Missbrauch. Bedingt durch die vielen Skandale in der katholischen Kirche sind vor allem in Deutschland und Österreich viele Trainingskonzepte entstanden, um Missbrauch zu vermeiden und zu erkennen. Mitarbeitende in katholischen Einrichtungen müssen solche Trainings regelmäßig durchlaufen. In Polen wird diese Präventionsarbeit etwa von der NGO “Empowering Children Foundation” (Fundacja Dajemy Dzieciom Siłę FDDS), die seit der Regierungsübernahme durch die konservative PIS-Partei kaum noch staatliche Förderung bezieht. Insgesamt ist das Engagement der Länder in Europa noch viel zu gering, bestätigt eine Studie des Europäischen Parlaments. Die Konvention von 2007 zum des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (sog. Lanzarote-Konvention), die ausdrücklich Präventionsschulungen und Sensibilisierungskampagnen vorsieht, wird noch zu wenig wahrgenommen und realisiert. 

Die Zeitschrift European Lifelong Learning Magazine ELM  wird von der finnischen Stiftung für Erwachsenenbildung KVS herausgegeben und von einem europäischen Netzwerk von Autoren/-innen und Experten/-innen unterstützt. Sie erscheint auf Englisch, ist kostenlos und veröffentlich im Quartal eine Themenausgabe.

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Über den Autor: Michael Sommer ist Redakteur der Zeitschrift „Erwachsenenbildung“ der katholischen Erwachsenenbildung Deutschland KEB und Co-editor vom „European Lifelong Learning Magazine ELM“ der finnischen Stiftung für lebenslanges Lernen. Er ist zudem Botschafter für EPALE Deutschland.

Illustration: Pinja Meretoja (ELM)


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