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Sprachunterricht auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen zuschneiden

In diesem Blog-Beitrag erläutert Alex Stevenson vom Learning and Work Institute, wie britische Englisch-Sprachdienstleister neu angesiedelte Flüchtlinge am besten unterstützen können. Stevenson identifiziert in diesem Artikel eine Reihe von Herausforderungen, denen Sprachdienstleister begegnen können, und untersucht mögliche Ansätze und Lösungen. Er stellt zudem ein neues Bündel von Ressourcen zur Unterstützung von ESOL-Lehrkräften (Englisch für Nichtmuttersprachler) vor.

L&W | Learning and Work Institute.

 

Das Vereinigte Königreich nimmt seit 2015 eine führende Position bei der Neuansiedlung syrischer Flüchtlinge ein.  Im Vulnerable Persons Resettlement Scheme (VPRS, Neuansiedlungsprogramm für schutzbedürftige Personen) wurde ursprünglich die Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen bis 2020 festgelegt. Diese Initiative wurde nun vor Kurzem auf die schutzbedürftigsten Asylsuchenden aus dem Nahen Osten und Nordafrika ausgedehnt.  Der Ansatz des Programms zur Neuansiedlung sieht hauptsächlich vor, bestehende öffentliche Dienstleistungen zu nutzen, diese jedoch – zum Beispiel zwecks Förderung von Wohnraum und Beschäftigung – an die besonderen Umstände von Flüchtlingen anzupassen.  Dies trägt dazu bei, dass Flüchtlinge denselben Zugang zu Dienstleistungen wie der Rest der Bevölkerung haben, und fördert die umfassendere Integration von Flüchtlingen.  Derselbe Ansatz wurde für eine der wichtigsten Dienstleistungen verfolgt, die viele neu angesiedelte Flüchtlinge wahrscheinlich in Anspruch nehmen werden: Englischkurse für Nichtmuttersprachler (ESOL).  Im Rahmen des VPRS haben sich das britische Innenministerium und das britische Bildungsministerium zu einer zusätzlichen Investition von 10 Mio. GBP verpflichtet, um den Englischunterricht für Flüchtlinge zu verbessern. 

Aber warum muss der ESOL-Unterricht auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen zugeschnitten werden – und wie?

 

Herausforderungen

Im Vereinigten Königreich bedient der ESOL-Unterricht die verschiedensten Lernenden.  Eine typische Klasse kann aus Wanderarbeitnehmern aus europäischen Ländern, Lernenden aus etablierten südasiatischen und Somali-Gemeinschaften sowie Asylsuchenden und Flüchtlingen aus aller Welt, die vor Verfolgung, Krieg und Naturkatastrophen fliehen, zusammengesetzt sein.

Ihre Bedürfnisse in Bezug auf Sprachunterricht können erheblich voneinander abweichen.  Bei einigen Flüchtlingen handelt es sich um hoch qualifizierte Fachkräfte, die schnell Englisch lernen möchten, um ihre berufliche Neuorientierung im Vereinigten Königreich zu erleichtern.  Für andere kann der Englischunterricht den ersten Schritt hin zu einer formalen Bildung darstellen, da die Schulbildung vieler Lernender unterbrochen wurde oder begrenzt ist.

Das VPRS soll die schutzbedürftigsten Personen unterstützen, wobei die meisten dieser Neuansiedler nur geringe Englischkenntnisse besitzen, oftmals auf oder unter dem Niveau der untersten Stufe (A1).  Am Learning and Work Institute (L&W) haben wir mit wichtigen Akteuren für Neuansiedlung und ESOL daran gearbeitet, einige Bereiche zu identifizieren, in denen Dienstleister für englischen Sprachunterricht diesen möglicherweise auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen zuschneiden müssen.  Zu diesen gehören:

  • Bewusstsein für die Auswirkungen von Traumata und physischen Erkrankungen auf die Bereitschaft von Flüchtlingen, sich am formalen Bildungsprozess zu beteiligen.  Dies erfordert zum Beispiel Flexibilität hinsichtlich der Anwesenheitsanforderungen bzw. das Angebot weniger formaler Bildungsaktivitäten.
  • Eingehen auf die Bedürfnisse im Zusammenhang mit der lokalen und kulturellen Orientierung, einschließlich praktischer Informationen zur lokalen Umgebung.  Die Lernenden können jederzeit zum Unterricht eintreffen und eventuell wichtige Teile des Kursinhaltes verpassen, wenn sie nach Beginn eines Sprachkurses dazukommen.  Angesichts der Vielfalt der Lernenden in normalen ESOL-Klassen sind Inhalte zur lokalen oder kulturellen Orientierung nicht für alle Lernenden relevant – insbesondere dann nicht, wenn sie sich bereits seit einiger Zeit im Vereinigten Königreich aufhalten. Daher kann die Herstellung der richtigen Balance eine Herausforderung für Lehrkräfte sein.
  • Unterstützung von Ergebnissen im Zusammenhang mit der beruflichen und sozialen Integration.  Obwohl jeder dieser Aspekte für Lernende in ESOL-Klassen eine unterschiedliche Bedeutung haben kann, wollen viele Flüchtlinge so bald wie möglich eine Arbeit finden.  Andere fühlen sich vielleicht isoliert und möchten Englisch lernen, um in ihrer lokalen Gemeinschaft neue soziale Kontakte knüpfen zu können.  In typischen ESOL-Klassen kann es schwierig sein, die Unterstützung auf diese Ergebnisse zuzuschneiden, wenn sie für andere Lernende in der Gruppe weniger relevant sind.
  • Förderung grundlegender Lese- und Schreibfähigkeiten.  Viele der Teilnehmer am VPRS mit geringen Englischkenntnissen benötigen zusätzliche Unterstützung beim Erwerb von grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten, insbesondere wenn ihnen die geschriebene englische Schrift nicht vertraut oder ihre Schulbildung unvollständig ist.  Lehrkräfte können Schwierigkeiten damit haben, ihre Lehr- und Lernaktivitäten auf diese Bedürfnisse abzustimmen, wenn manche Lernende im Kurs Unterstützung bei ihren grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten benötigen und manche nicht.  Selbst wenn sich alle Lernenden auf demselben Stand befinden, benötigen diejenigen ohne vorherige Lese- und Schreibfähigkeiten wahrscheinlich zusätzliche Zeit, um Fortschritte zu erzielen, und einige Lernaktivitäten bleiben ihnen vielleicht ganz verschlossen.

 

Lösungen

Eine mögliche Lösung ist natürlich die gesonderte Unterstützung neu angesiedelter Flüchtlinge.  In vielen Fällen geschieht dies bereits. Kommunale Behörden, die Flüchtlinge aufnehmen, haben Zugang zu finanziellen Mitteln des VPRS, um bei Bedarf maßgeschneiderte ESOL-Unterstützung bereitzustellen.  Diese Mittel werden u. a. dafür verwendet, zusätzliche Klassen einzurichten oder denjenigen Hausunterricht anzubieten, die nicht in ein lokales College oder in eine Volkshochschule kommen können.  

Wenn jedoch das Ziel der britischen Regierung erreicht werden soll, dass neu angesiedelte Flüchtlinge pro Woche mindestens acht Stunden ESOL-Unterricht besuchen, muss der Unterricht höchstwahrscheinlich zumindest teilweise in den normalen ESOL-Klassen lokaler Dienstleister stattfinden.  Oftmals bestimmt die Verfügbarkeit von Wohnraum, wo Flüchtlinge neu angesiedelt werden.  Eventuell wohnen in der lokalen Umgebung nicht genügend Lernende mit Flüchtlingsstatus, um die Organisation eines Kurses zu rechtfertigen, der sich aus finanzieller Sicht im Rahmen der ESOL-Finanzierungsregelung lohnt, obwohl einige Dienstleister einen solchen anbieten, wenn die Zahl der Flüchtlinge höher ist. 

Um also die Bedürfnisse von Lernenden mit Flüchtlingsstatus erfüllen zu können, müssen Dienstleister und Lehrkräfte besser darin unterstützt werden, die bestehenden Kurse anzupassen.  Das könnte folgende Aspekte umfassen:

  • Unterstützung der beruflichen Aus- und Weiterbildungsbedürfnisse der Lehrkräfte, z. B. durch die Schulung des Bewusstseins für relevante Probleme, etwa die Bewältigung von Traumata und physischen Erkrankungen im Unterricht.
  • Anpassung von Kursinhalten, z. B. in Bezug auf Lese- und Schreibfähigkeiten.
  • Partnerschaftliche Arbeit, um Bedürfnisse zu erfüllen, die den Rahmen des ESOL-Unterrichts sprengen.  Dazu gehört die Arbeit mit Organisationen, die eine spezielle Beschäftigungsförderung bereitstellen können, oder die Verknüpfung mit Gemeindeeinrichtungen, die informelle Gelegenheiten für eine Verbesserung der Konversationsfähigkeiten bieten.

 

Neue Ressourcen

Education & Training Foundation | ESOL for Refugees: Resources for New Arrivals | Guidance for Te...
Gemeinsam mit seinem Partner Learning Unlimited hat L&W ein neues Bündel von Ressourcen – ESOL for Refugees – entwickelt, das Lehrkräfte unterstützen soll, ESOL-Lernende mit Flüchtlingsstatus auf Anfängerniveau zu unterrichten. Finanziert wurde das von der Education and Learning Foundation in Auftrag gegebene Bündel vom britischen Innenministerium.  Das Material umfasst 12 Lehr- und Lerneinheiten, unterstützende Leitfäden und Profile von Lernenden, die während der Entwicklung der Ressourcen interviewt wurden.  Das Bündel ist in enger Anlehnung an die New to ESOL Materialien von 2019 entstanden, die Lehrkräfte beim Lehren grundlegender Lese- und Schreibfähigkeiten unterstützen.

Während der gesamten Entwicklung arbeitete L&W eng mit Akteuren im Bereich der Neuansiedlung von Flüchtlingen sowie mit ESOL-Lehrkräften und ESOL-Lernenden mit Flüchtlingsstatus selbst zusammen.  Ihre Einblicke liegen der Themenauswahl zugrunde, die sich mit Szenarien der frühzeitigen Integration beschäftigen, in denen es wichtig ist, einfache Interaktionen ohne fremde Hilfe zu meistern.  Die Meinungen der Lernenden prägen auch den untermauernden Lehr- und Lernansatz, der Wert auf praktische „Brocken“ nützlicher Sprache anstatt auf abstrakte grammatische Konzepte legt.

LU | Learning Unlimited.
Wir hoffen, dass sich die Ressourcen als nützlich dabei erweisen werden, den ESOL-Unterricht auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen zuzuschneiden. 

 

 

 

Über den Verfasser

A photo of Alex Stevenson from September 2019.
Alex Stevenson ist Leiter der Englisch-, Mathematik- und ESOL-Abteilung am Learning and Work Institute (L&W), einer unabhängigen Organisation für Politik, Forschung und Entwicklung, die sich für lebenslanges Lernen, Vollbeschäftigung und Integration einsetzt. Zu seinen Projekte zur Förderung der Grundfertigkeiten Erwachsener zählen: die Entwicklung nationaler Leitlinien für partnerschaftliche Arbeit im Bereich ESOL (für das britische Bildungsministerium); Ressourcen zur Unterstützung von Lehrkräften, die Flüchtlinge mit begrenzten Lese- und Schreibfähigkeiten unterrichten (für das britische Innenministerium und die Education and Training Foundation) und die Arbeit an der Entwicklung nationaler Leitlinien für Englisch-Konversationsklubs (für das britische Ministerium für Wohnen, Kommunen und lokale Selbstverwaltung).  Bevor er zu L&W stieß, war Stevenson über 13 Jahre lang mit dem Lehren, Verwalten und Entwickeln von Angeboten zur Förderung der Grundfertigkeiten Erwachsener beschäftigt. Er wechselte dabei zwischen Fachoberschulen, der Erwachsenenbildungseinrichtung einer lokalen Behörde und einem unabhängigen Bildungsanbieter. Stevenson ist zudem Vorstandsmitglied des Europäischen Verbands für Erwachsenenbildung.

 

 

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