Gegen Ausgrenzung kämpfen heißt auch gegen Analphabetismus kämpfen
Mehr als 600 000 Menschen in Finnland gelten als funktionale Analphabeten. Diese Tatsache stellt für die finnischen Medien anscheinend aber keinen Grund zur Aufregung dar. Das könnte daran liegen, dass die Diskussion über das Problem des Analphabetismus in Finnland Teil einer umfassendere Debatte über marginalisierte Jugendliche ist.
Die PIAAC-Studie der OECD aus dem Jahr 2012, eine Art PISA-Studie für Erwachsene, ergab, dass etwa 70 Millionen Europäer nicht über ausreichende Lese- und Schreibkompetenzen verfügen. Diese Zahl wird häufig zitiert und findet sich in der europäischen Debatte über Lese- und Schreibkompetenzen häufig wieder.
Weniger häufig wird jedoch erwähnt, dass auch in Nordeuropa, das für gewöhnlich als leuchtendes Beispiel für hervorragende Lese- und Schreibkompetenzen genannt wird, Probleme mit Analphabetismus bestehen. Die PIAAC-Studie zeigte, dass allein in Finnland, dem Land, in dem ich lebe und arbeite, mehr als 600 000 Menschen im Alter von 16 bis 65 nur über begrenzte Lese- und Schreibkompetenzen verfügen. Für die Menschen im erwerbsfähigen Alter liegt die Zahl bei 370 000.
Kein Aufschrei in den Medien wegen Analphabetismus?
Für ein Land mit wenig mehr als 5 Millionen Einwohnern ist diese Zahl eigentlich ein Skandal. Aber als Medienprofi war ich eigentlich immer überrascht, dass in den finnischen Medien nie mehr Empörung über diesen Umstand geäußert wurde und es nicht einmal einen Aufschrei gab, der im Verhältnis zu dieser hohen Zahl von funktionalen Analphabeten steht.
Vielleicht bin ich nicht ganz fair. Das Problem wurde durchaus in den Mainstream-Medien behandelt. Es gab Aufrufe zu Maßnahmen, um das Problem der mangelnden Lese- und Schreibkompetenzen zu beseitigen, und die Erwachsenenbildungs-Community und Alphabetisierungsorganisationen setzten sich besonders ein. Allerdings behandelten die meisten Medien das Thema auf eine schizoide Weise. Sie wiesen darauf hin, dass Finnland hinsichtlich Lese- und Schreibkompetenz nach wie vor eines der weltweit führenden Länder ist, obwohl eine große Zahl von Finnen bei dieser Entwicklung zurückblieben.
Die Diskussion über Analphabetismus vermischt sich mit Marginalisierungsthemen
Wenn man sich die Medienberichterstattung über die mangelnde Lese- und Schreibkompetenz und die in letzter Zeit in den Medien behandelten Themen etwas näher ansieht, dann ergibt sich ein etwas nuancierteres Bild. Meine Überraschung über das Schweigen der Medien in den vergangenen Jahren ist zumindest teilweise unbegründet. Die Bekämpfung des Analphabetismus in Finnland wurde im Zusammenhang mit anderen Medienthemen diskutiert, vor allem im Kontext marginalisierter Jugendlicher.
Seit einigen Jahren läuft in Finnland eine umfassende nationale Debatte über marginalisierte Jugendliche. Dabei geht es in erster Linie um sogenannte NEET-Jugendliche (Jugendliche, die sich weder in Beschäftigung noch in einer Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahme befinden), und dieses Thema wurde in Mainstream-Medien ausführlich abgedeckt. Der Staat blieb nicht untätig und führte im Jahr 2013 das „Jugendgarantie“-Programm ein, um NEET-Jugendlichen nach Möglichkeit entweder einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz zu garantieren. Auch NROs wurden aktiv: Ein gutes Beispiel ist die „We Foundation“ (gegründet von den Inhabern des finnischen Spieleentwicklers Supercell), deren Ziel es ist, die Marginalisierung in Finnland bis 2050 mit Hilfe verschiedener Projekte zu beseitigen.
Analphabetismus und Marginalisierung sind zwei Seiten einer Medaille
Wie fügt sich die Marginalisierungsdebatte in die Debatte über Lese- und Schreibkompetenz ein? Nahtlos.
Mangelnde Lese- und Schreibkompetenzen sind häufig die Folge von Lernschwierigkeiten und eine Hauptursache für Marginalisierung. In der Tat handelt es sich bei marginalisierten Menschen und Analphabeten größtenteils um dieselbe Gruppe. Dies wurde kürzlich von Mikko Heinikoski festgestellt, dem Vorsitzenden der Zentralen Organisation der finnischen Gewerkschaften. In seinem Blog für EPALE stellte er fest, dass es in Finnland 600 000 Menschen gibt, die nur über einen sehr grundlegenden Schulabschluss verfügen. Dies entspricht in etwa den Menschen, die als funktionale Analphabeten gelten, denn wir sprechen im Großen und Ganzen über dieselbe Bevölkerungsgruppe. Natürlich umfassen die Analphabeten auch viele ältere Menschen, aber NEETs und geringqualifizierte Jugendliche machen den größten Teil aus.
Bedeutet dies, dass die Medien mit dem Thema Marginalisierung sich gleichzeitig für mehr Lese- und Schreibkompetenz einsetzen? In gewisser Weise ja. Aber nur, wenn die Medien Analphabetismus ausdrücklich als eine der Hauptursachen für Marginalisierung brandmarken und konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Analphabetismus fordern. Ein wenig Empörung ist immer willkommen.
Kommentar
Información y analfabetismo.
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