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EPALE Interview: Wendy Ramola – Dorf(er)leben – miteinander & digital

Wie funktionieren FaceTime, Zoom & Co? Das digitale Dorf-Mobil bringt Menschen in ländlichen Räumen mit einem Angebot zu Medienkompetenz zusammen.

EPALE Interview - Wendy Ramola

Dieser Artikel ist Teil der europäischen EPALE Themenwoche: „Learning Communities im ländlichen Raum“. Dieses Schwerpunktthema umfasst Initiativen aus Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Österreich, Polen und Ungarn.


Wendy Ramola ist Diplom Sozialwirtin und arbeitet als pädagogische Mitarbeiterin bei der Ländlichen Erwachsenenbildung in Niedersachsen e.V. (LEB). Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt in der Beratung von Gruppen, Vereinen, Institutionen und Kommunen bei Bildungsprozessen. Im Rahmen dessen konzipiert und organisiert sie politische und medienpädagogische Projekte in urbanen und ländlichen Räumen. Im EPALE-Interview stellt sie das digitale Dorf-Mobil vor, das Menschen in ländlichen Räumen mit einem Angebot zu Medienkompetenz zusammen bringen will.

Um was geht es in dem Projekt „Digitales Dorf- Mobil - Medienkompetenz für Jung & Alt vor Ort“ und wie hat alles angefangen?

Die Kernidee des Digitalen Dorf-Mobils (DigiMo) ist es, mit mehreren digitalen Dorf-Mobilen direkt in die ländlichen Räume zu fahren, um junge und ältere Menschen mit einem attraktiven Angebot zur Medienkompetenz zusammenzubringen und dadurch die Lücke fehlender digitaler Bildungsangebote in ländlichen Räumen zu schließen.

Es begann damit, dass 2020 das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Wettbewerb „Gesellschaft der Ideen“ ausgerufen hat. Dabei geht es um den Ideenpreis für soziale Innovationen. Darauf haben sich ca. 1000 Projekte beworben, von denen 30 überzeugen konnten. Darunter war auch das „Digitale Dorf-Mobil - Medienkompetenz für Jung und Alt vor Ort“, das von der LEB eingereicht wurde.

Wie ging es weiter nachdem ihr ausgewählt wurdet?

Im Anschluss fing die Konzeptphase an. Dafür haben wir Partner*innen aus Praxis und Wissenschaft gesucht und gefunden. Mittlerweile setzt sich das Team zusammen aus der LEB, der Freien Altenarbeit Göttingen e.V. (FAG), der Agrarsozialen Gesellschaft e.V. (ASG) sowie aus der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät für Ressourcenmanagement. 

Wir hatten dann ein halbes Jahr Zeit aus der Idee ein Konzept zu entwickeln. Als dieses Konzept dann fertig war, haben wir es erneut bei der „Gesellschaft der Ideen“ eingereicht. Die 30 besten Ideen gehen nun in ein zweites Abstimmungsverfahren, bei dem Bürger*innen die Idee unterstützen können, die sie am besten finden. Die 10 meistgewählten Ideen dürfen dann in eine wissenschaftlich begleitete 2-jährige Erprobungsphase starten. Seit Anfang 2022 haben wir damit begonnen und haben jetzt zwei Jahre Zeit unser Projekt, das Digitale Dorf-Mobil, in Lern- und Experimentierräumen zu erproben.

Was ist das Digitale Dorf-Mobil genau?

Bei dem digitalen Dorf-Mobil handelt es sich um ein Fahrzeug. Qualifizierte Pädagog*innen von der freien Altenarbeit fahren zu Dörfern, die sich auf dieses Projekt bewerben können und bringen auch die komplette technische Ausstattung wie Notebooks, Tablets Smartphones, Headset usw. mit.

Wie sieht die Arbeit vor Ort aus?

Unser Projekt stützt sich auf die drei Säulen Qualifizierung, Bildung und Beratung. Im ersten Schritt werden durch die Pädagog*innen freiwillig Engagierte durch Train the Trainereinheiten qualifiziert, damit sie in der Lage sind ihr Wissen über Mediennutzung empathisch, mit Geduld und in kleinen Schritten an diejenigen weiterzugeben, die bisher eher geringes Wissen im Umgang mit digitalen Medien haben. Wenn sie dann ausgebildet sind, können wir dann richtig Bildungsangebote vor Ort anbieten.  

Wer sind die freiwillig Engagierten und wie erreicht ihr sie?

Wir werden zum einen eine große Ausschreibung machen und an die lokale Presse herantreten. Zum anderen sind wir durch unsere Arbeit sehr gut im ländlichen Raum hier in Niedersachsen vernetzt. Wir gehen bei den Qualifizierten davon aus, dass es sich um jüngere Leute handeln wird. Vielleicht werden sich auch Menschen melden, die schon ein bisschen älter sind, die z.B. verstärkt durch die Pandemie auf die Dörfer gezogen sind, dort von zu Hause arbeiten und sich in der digitalen Welt gut auskennen. Diese Personen können dann die Menschen, die wenig Kenntnisse zu digitalen Medien haben, dabei unterstützen die digitalen Welten besser kennenzulernen.


Themenwoche Learning Communities im ländlichen Raum

Was sind die zentralen Lernthemen an diesen mobilen Lernorten?

Das wird wahrscheinlich ganz unterschiedlich aussehen. Die Lerninhalte die wir anbieten werden, orientieren sich immer an den Menschen vor Ort. Zunächst werden inhaltliche Bildungsbedarfe ermittelt, um dann mit gezielten Interventionen Lernerfolge im Dorf zu erreichen. Es gibt also keinen festen Lehrplan, sondern wir schauen was gebraucht wird. Bei einigen wird es so sein, dass sie wirklich erst mal erklärt bekommen müssen, was ist eigentlich eine Maus, was ist ein Cursor, wie schalte ich einen Computer an. Andere wollen vielleicht wissen, wie sie mit ihrer Familie in Frankreich per Video telefonieren können. Wieder andere wollen Fotos von ihrem Smartphone auf ihren Laptop ziehen.

Ein anderes Themenfeld könnte zum Beispiel Telemedizin sein. In Dörfern, in denen der letzte Arzt oder die letzte Ärztin das Dorf verlassen hat, kommen vlt. Fragen auf wie Telemedizin funktioniert, ob das seriös ist und worauf man dabei achten muss. Auch da werden ihnen dann die qualifizierten Menschen zur Seite stehen.

Inwieweit wird das Gelernte nachhaltig verankert?

Anfänglich werden unsere Pädagog*innen noch bei den Bildungsveranstaltungen dabei sein. Aber das Ziel ist, dass am Ende dieser Bildungsveranstaltungen die Qualifizierten, also die freiwillig engagierten Leute, den Menschen vor Ort ein eigenes Angebot kreieren. Dass sie zum Beispiel einmal die Woche eine digitale Sprechstunde anbieten oder eine engagierte Person kennt sich besonders gut in einem bestimmten Bereich aus und bietet dafür einen Workshop an.

Die Räumlichkeiten in denen diese Angebote stattfinden, werden auch vor Ort sein. Das kann die Halle der Freiwilligen Feuerwehr sein oder das kann ein Dorfgemeinschaftshaus sein. Internet ist nicht zwingend notwendig, weil das in unserem Paket enthalten ist und wir das mitbringen. Die beteiligten Personen können schauen wie sich das entwickelt und auch welche Räumlichkeiten sie danach weiter nutzen. Durch das Projekt wird eine Basis für digitale Teilhabe und neue Kontaktmöglichkeiten zwischen jungen, alten, neuzugezogen und alteingesessenen Menschen geschaffen. Das bedeutet also, dass bei unserem Projekt nicht unbedingt diese Bildungsangebote, sondern das gesamtgesellschaftliche Zusammenrücken im Vordergrund stehen. Dass die Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen, dass Menschen feststellen können, wo ihre Ressourcen sind und diese ausbauen oder auch weitergeben können. Dies sind die Kernpunkte unseres Projekts.

Qualifizierung und Bildung sind die ersten beiden Säulen eures Projekts, wie sieht die dritte Säule aus?

Als dritte Säule bieten wir auch noch Beratungsangebote an. Das bedeutet, dass wir mit dem digitalen Dorf-Mobil auch in andere Dörfer fahren, also nicht nur in diese drei vorab ausgewählten. Man kann sich das wie so eine Art rollenden Supermarkt vorstellen. Wir stehen dann zum Beispiel vor einem Supermarkt oder auf einem Feuerwehrfest und in unserem Digitalen Dorf-Mobil befindet sich eine Art Show Room. Hier zeigen wir ganz viele verschiedene digitale Endgeräte, die die Leute ausprobieren können und Fragen dazu stellen können. Die Hemmschwelle für die Menschen wird niedrig gehalten, weil es ist kein Raum in dem man wirklich reingehen kann, sondern eben nur ein Auto an das man herantritt.  

Wie habt ihr festgestellt, dass der Bedarf im ländlichen Raum für so ein Projekt besonders hoch ist?

Einmal haben das ganz klar unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Gruppen und Vereinen in ländlichen Räumen gezeigt und mit der wissenschaftlichen Seite des Projekts haben wir schon viele Erhebungen im ländlichen Raum gemacht, die den Bedarf aufzeigen. Auch hier wurde wieder klar, dass gegenüber städtischen Gebieten die Bildungsangebote auf Dörfern nach wie vor nicht gut ausgestattet sind.  

Bestätigt hat sich das dann auch darin, dass uns viele Menschen angerufen und ihr Interesse bekundet haben, als bekannt gemacht wurde, dass wir in diesem Ideenwettbewerb gewonnen haben. Viele haben uns am Telefon berichtet, dass sie sich auch Angebote auf dem Land wünschen, da sie nicht immer in den Bus steigen, oder das Auto nehmen wollen.  Das ist für uns ein ganz zentraler Punkt gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land zu ermöglichen. Auch wenn Menschen aus städtischen Gebieten Interesse bekunden, binden wir sie gerne in das Projekt ein. Wir sind sehr offen dafür, dass auch ein Austausch zwischen Stadt und Land stattfindet.   

Kannst du noch etwas zu dem generationsübergreifenden Ansatz eures Projektes sagen?

Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, dass ältere und jüngere Menschen sich gegenseitig bei gewissen Themen unterstützen können. Insbesondere im digitalen Bereich habe ich schon vor Jahren tolle Erfahrungen machen können. Oft stehen bei so einem Miteinander gar nicht die Bildungsinhalte im Vordergrund. Vielmehr geht es dann darum sich einfach mal auszutauschen, sich kennenzulernen und Ängste und Vorurteile abzubauen. In Dörfern ist es sehr wichtig, dass es zu einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt kommt. Ich vermute, dass der Zusammenhalt in den Dörfern vielleicht schon stärker ausgeprägt ist als in städtischen Gebieten, aber trotzdem können die Menschen insbesondere im digitalen Bereich wahnsinnig viel voneinander profitieren. Man lernt sich dann nochmal auf eine ganz andere Art und Weise kennen  

Wie geht es dann weiter und was wäre für euch das perfekte Ergebnis des Projekts?

Letztendlich zielt alles, was wir jetzt gerade machen darauf ab, dass wir nach diesen zwei Jahren Erprobungsphase in die Umsetzungsphase gehen können, so nennt sich dann die nächste Phase mit der es weitergeht. Da wird es wieder ein Verfahren geben, in dem ein paar Projekte ausgewählt werden, die dann in den nächsten Jahren nochmal wirklich in ihrer Umsetzung gefördert werden. Das würde für uns bedeuten, dass wir nicht nur mit einem Digitalen Dorf-Mobil, sondern vielleicht mit zehn Dorf-Mobilen losfahren können und dass das dann auch wirklich bundesweit stattfinden kann. Das ist sozusagen dann unser Endziel. Und natürlich, dass wir viele Leute geschult haben, dass sie ihr Wissen erweitern und auch Lust haben sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen. Bestenfalls natürlich, dass sich die Leute auf den Dörfern ganz neu organisieren und aus diesem Projekt heraus etwas Neues entsteht, neue Bekanntschaften entstehen und vielleicht auch weitere Projekte entstehen.


Weitere Informationen zum Projekt: https://www.leb-niedersachsen.de/das-digitale-dorf-mobil.html

Logo "Gesellschaft der Ideen".
Gesellschaft der Ideen: https://www.gesellschaft-der-ideen.de/de/home/home_node.html

 

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