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Der Unterricht von Experten. Wann verlieren Übungen ihre Wirkung?

Lernen ist das Ergebnis von Übungen. Das mehrfache Wiederholen derselben Tätigkeit, das Lösen bestimmter Probleme und das bloße erneute Lesen desselben Textes sorgt dafür, dass wir bei verschiedenen Aufgaben effizienter werden; diese flüssiger erledigen und dabei weniger Fehler machen. Dabei ist eins klar: Bei der Wahl einer beliebigen Fachkraft vom Klempner bis zum Neurochirurgen vertraut die Mehrheit der Menschen einer erfahreneren Person.

[Auf der Straße:] Entschuldigen Sie. Wie komme ich zur Philharmonie?
- Sie müssen üben, üben und nochmals üben!

  

Lernen ist das Ergebnis von Übungen. Das mehrfache Wiederholen derselben Tätigkeit, das Lösen bestimmter Probleme und das bloße erneute Lesen desselben Textes sorgt dafür, dass wir bei verschiedenen Aufgaben effizienter werden; diese flüssiger erledigen und dabei weniger Fehler machen. Dabei ist eins klar: Bei der Wahl einer beliebigen Fachkraft vom Klempner bis zum Neurochirurgen vertraut die Mehrheit der Menschen einer erfahreneren Person.

Die Beziehung zwischen Erfahrung und Effektivität ist jedoch nicht so offensichtlich. Erstens kennen wir alle Personen, die trotz langjähriger Erfahrung keine Fachmänner in ihrer Branche darstellen. Zweitens belegen psychologische Studien, dass dies nicht die Ausnahmen von der Regel sind. Der Vergleich der Effektivität von Gruppen mit unterschiedlicher Berufserfahrung (in den von Ericcson zitierten Studien: u. a. zwischen erfahrenen Programmierern und Informatikstudenten, erfahrenen und angehenden Finanzberatern, klinischen Psychologen mit kurzer und längerer Erfahrung) lässt oft nicht darauf schließen, dass erfahrenere Fachmänner es besser können. Eine längere Erfahrung wird jedoch durch ein, nicht unbedingt gerechtfertigtes, Selbstvertrauen begleitet. Außerdem besteht das Risiko des „Expertenversteifung“ - einer übermäßigen Bindung an bestimmte Schemata oder Problemlösungsstrategien.

Mit anderen Worten, obwohl der Unterschied zwischen einem totalen Laien und einem Adepten, der bereits Erfahrungen in einem bestimmten Bereich gesammelt hat, klar und eindeutig ist, so ist es der Unterschied zwischen einem Adepten und einem erfahrenen Fachmann nicht mehr. Salopp ausgedrückt können ein Weltklasse Fachmann und ein zweitrangiger Stümper über dieselbe Berufserfahrung und dieselbe Anzahl an Praxisstunden verfügen. Worin unterscheiden sich also diese Personen? Können wir dieses Wissen für die Planung von Entwicklungserfahrungen nutzen?

  

Lernmechanismus

Eine Möglichkeit der Erklärung dieses Unterschieds basiert auf John Andersons klassischem Modell für die Fähigkeitsvermittlung. Nach Ansicht dieses Autors kann dieser Prozess in 3 deutlich unterscheidbare Phasen unterteilt werden:

  • Während der deklarativen Phase sammeln die Menschen Wissen über die entwickelte Fertigkeit und versuchen dieses Wissen in eine Gebrauchsanweisung umzusetzen. Das Befolgen von Anweisungen ist sehr belastend und die Wirkung ist langsam und fehleranfällig.
  • Während der Phase der Wissenskompilation üben die Menschen, wie sie die vorher erarbeiteten Regeln in der Praxis anwenden können. Dabei werden zwei wichtige Mechanismen aktiviert: die Komposition (die Verbindung mehrerer Prozesse in einen) und die Automatisierung, die darin besteht, die bewusste Kontrolle über sich wiederholende Verfahrensbestandteile zu verringern. Dank der Komposition und Automatisierung erfolgt die Anwendung von Handlungsabläufen schneller, fehlerfreier und erfordert weniger Aufmerksamkeit.
  • Während der Prozeduralisierungsphase wird diese Fähigkeit automatisch und mit viel weniger Aufwand angewendet. Auf der anderen Seite läuft der Prozess der „Abstimmung“ der dies steuernden Schemata. Diese unterliegen der Generalisierung (Verallgemeinerung verschiedener Bedingungsarten) und der Differenzierung (Anpassung an den sich ändernden Kontext).

Was ist dabei wichtig? Man muss anmerken, dass das Lernen in der Kompilationsphase in diesem Modell andere Bedingungen erfordert als das Lernen in der Prozeduralisierungsphase. Die Automatisierung ist das Ergebnis mehrerer Wiederholungen. Weitere Erfahrungen der gleichen Art sind daher hilfreich – sie tragen zur Erhöhung der Flüssigkeit, zur Einschränkung der Fehlerzahl und der Belastung für die Aufmerksamkeit bei. Der Preis dafür ist eine gewisse Versteifung (automatischen, unreflektierten Anwendung von Schemata). Andererseits ist es in der Prozeduralisierungsphase wichtig, die bereits bestehenden „Schemata“ mit weniger repetitiven Herausforderungen zu „füttern“. Die Menge an Erfahrungen ist hierbei weniger wichtig als deren Qualität. Geht man über Andersons Modell hinaus, so kann man hinzufügen, dass die „Erfahrungsqualität“ nicht ausschließlich von externen Faktoren, sondern auch von der Art der Aufmerksamkeit, die der Übung geschenkt wird.

Damit kommen wir zu einem möglichen Grund für den Entwicklungsstopp – dem Grund, weshalb so viele erfahrene Menschen nicht über ein besonders hohes Maß an Fähigkeiten im Zusammenhang mit der Erfahrung verfügen. Diese Menschen haben intensiv gelernt, bis sie ein Schema erarbeitet haben, das „gut genug“ ist und mit der Zeit immer automatischer geworden ist. Es mangelt ihnen jedoch an der Erfahrungsvielfalt und der Bereitschaft die angewandten Schemata „abzustimmen“. Ist dies nicht der Fall, dann ändern die weiteren Jahre an Praxis nicht viel daran.

  
Schlussfolgerungen für die Ausbildung von Experten

Aus diesem Verständnis von Lernmechanismen lassen sich mindestens zwei sehr praktische Schlussfolgerungen ziehen. In erster Linie ist es leichter zu verstehen, dass Menschen, die bereits umfangreiche Erfahrungen gesammelt haben, noch Entwicklungsunterstützung benötigen – in gewisser Weise mehr als Anfänger. Warum? Anfänger, die sich in der Arbeit irgendeiner Aufgabe annehmen, entwickeln sich durch ihre bloße Umsetzung. Durch ein Minimum an Unterweisung und die Ermöglichung der Beobachtung der Mitarbeiter sind Fortschritte zu erwarten - zumindest bis zu einem gewissen Grad. Das Hinausgehen über diesen Grad ist eine ganz andere Sache. Dies erfordert entweder eine bewusste Anstrengung seitens des Lernenden oder eine systematische Unterstützung und Rückmeldungen – sicherlich jedoch beides.

Außerdem sollten sich die Entwicklungsprogramme je nach Fortschritt des Teilnehmers ändern. Es geht nicht nur darum, den Schwierigkeitsgrad anzupassen – dies ist auch ohne Lernpsychologie offensichtlich. Interessanter ist die Rolle von Aufgaben, Übungen und Beispielen, die über ein Schema hinausgehen und zu komplex, ungewöhnlich oder „grenzwertig“ sind, um sie mit Hilfe einfacher Werkzeuge zu lösen, die man in den vorherigen Entwicklungsphasen kennengelernt hat. Die richtige Auswahl der Erfahrungen muss von der Fokussierung der Aufmerksamkeit begleitet werden. Wenn dies fehlt, kann man die Feinheiten einer Aufgabe schlicht übersehen. Coaches, die sich der Expertenausbildung annehmen, bedürfen also kleinerer Gruppen, mehr Zeit und vor allem die Bereitschaft, über universelle und immer wirksame Lösungen hinauszugehen.

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