Wie sag ich’s? Demokratie und Streitkultur

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Wo wir auch hinschauen, gibt es Konflikte – in der Familie, am Arbeitsplatz, in der politischen Diskussion, im Seminar einer Bildungseinrichtung. Es handelt sich um ein allgemeines soziales Phänomen. Ein Konflikt existiert, wann immer unvereinbare Aktivitäten stattfinden, so definiert der US-amerikanische Forscher Morton Deutsch. Treffen Menschen mit unterschiedlichen Interessen aufeinander, sind Konflikte also unvermeidbar.
Umgang mit Reibereien verbessern
Oft jedoch kosten die Streitigkeiten Nerven, werden destruktiv ausgetragen. Es gibt Gewinner und Verlierer.
Dabei sind Konflikte nicht an sich schlecht. Denn werden sie wertschätzend bearbeitet, so können sie Motor sozialen Wandels sein. Denn wer sich die Mühe macht zu ergründen, warum das Gegenüber sich so verhält und nicht anders, kann viel lernen. Es gilt also nicht, Konflikte zu vermeiden, sondern einen anderen Umgang mit ihnen zu finden – hin zur gemeinsamen Problemlösung.
Wie wird Verstehen auch in Konflikten möglich?
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Marshall Rosenberg; (c) Etan J. Tal CC By-Sa 3.0 |
In den 1970er Jahren entwickelte der US-amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg sein Modell der „nonviolent communication“, das hierzulande als gewaltfreie Kommunikation (GfK) bezeichnet wird. Dabei geht es darum, sich aufrichtig mitzuteilen und einander aktiv zuzuhören.
Worte können Brücken sein, die Menschen verbinden. Sie können aber auch Mauern errichten und trennen. Diese beiden Varianten von Kommunikation und Beziehungsgestaltung symbolisierte Rosenberg mit zwei Tieren: Giraffe und Wolf. Der Wolf steht für ein gewaltvolles, aggressives Auftreten. Menschen nehmen sich als getrennt wahr. Die Giraffe – das Säugetier mit dem größten Herzen – ist hingegen das Symbol für ein freundliches und mitfühlendes, kraftvolles und klares Verhalten. In seinen Workshops ahmte Marshall Rosenberg nach, wie sich Giraffe und Wolf in der Kommunikation verhalten.
Wolf – beleidigen und angreifen
Konflikte lassen sich hochschaukeln, Gesprächspartner greifen sich an, nutzen negative Pauschalurteile. Gefühle und Beweggründe des Gegenübers bleiben im Dunkeln, es wird mit Worten verletzt.
Zu den Wolfstechniken gehören:
demonstrativ schweigen, brüllen, beschuldigen, abwerten, pauschalisieren,
verharmlosen, manipulieren, moralisieren.
Beispiele:
Fallen Sie ins Wort!
Kritisieren Sie!
Geben Sie drängende Ratschläge!
Analysieren und psychologisieren Sie!
Überschütten Sie mit Mitleid!
Hören Sie nicht zu, sondern erzählen stattdessen aus Ihrem Leben!
Drohen Sie mit Konsequenzen!
Giraffe – annehmen und verstehen
Mit Hilfe dieser Gesprächsform lassen sich Gefühle und Bedürfnisse bei sich und anderen aufspüren und auch ausdrücken.
Wichtige Merkmale der Giraffensprache sind:
Sie sagen Ihrem Gegenüber, was Sie stört, ohne es zu beleidigen.
Sie sagen, was Sie fühlen.
Sie sagen deutlich, was Sie sich wünschen.
Die hohe Kunst ist dann die sogenannte 4-Schritte-Bitte nach Rosenberg:
1. Beobachtung („Ich höre/ sehe...“)
- Beobachtung ohne Bewertung: Wichtig, da sich der Angesprochene bei einer Vermischung schnell kritisiert fühlt.
2. Gefühl („Das erzeugt folgendes Gefühl in mir...“)
- Es gibt keinen Konflikt ohne Gefühle.
- Die Ursache für unsere Gefühle sind unsere Bedürfnisse. Nicht die Handlungen anderer lassen in uns Gefühle entstehen, sondern unsere Bedürfnisse. Das Verhalten der Anderen ist nur der Auslöser.
3. Bedürfnis („ich brauche...“)
- Bedürfnisse sind universell. Im Konfliktfall kollidiert meist die eigene Strategie der Bedürfniserfüllung mit der des Gegenübers (nicht die Bedürfnisse selbst).
- Der Schlüssel zur Verständigung liegt darin, zu akzeptieren, dass die Bedürfnisse berechtigt sind. Nun folgt die Suche nach Strategien, die beiden Bedürfnissen Rechnung trägt.
- Grundbedürfnisse: Lebenserhaltung, Sicherheit, Zuwendung, Verständnis, Teilnahme, Entspannung, Kreativität, Identität und Zugehörigkeit, Autonomie,...
4. Bitte („deshalb hätte ich gerne / bitte ich um folgendes...“)
- Die Bitte sollte klar und konkret formuliert sein.
„Kooperation entsteht, wenn wir darauf vertrauen können, dass wir in unseren Bedürfnissen gehört, verstanden und ernst genommen werden. Und wenn wir frei entscheiden können, wie wir auf eine Bitte reagieren“, sagt Christa Schäfer, Pädagogin und Mediatorin aus Berlin.
Sie betont, dass für das gegenseitige Verständnis das aktive Zuhören bestens geeignet sei. „Mein Gegenüber spricht. Das, was ich verstanden habe, wiederhole ich. Dabei fasse ich mich kurz und halte den eigenen Senf heraus“, sagt sie. Verständnis ist nicht Einverständnis. Hört man einer Person aktiv zu, bedeutet das nicht, dass man diese Meinung teilt. Aber dass man bereit ist, das Gegenüber ernst zu nehmen – der erste Schritt zur konstruktiven Konfliktlösung.
Über die Autorin:
Maren Lohrer erstellt Verbrauchernews in Leichter Sprache für „Wortbrücke e.V.“. Sie hat einen M.A. in Germanistik und Politikwissenschaften der Universität zu Köln und ist zertifizierte Mediatorin (INA at FU Berlin). Sie ist zudem Botschafterin für EPALE Deutschland.
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Kommentar
Prima
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Wieder was gelernt
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Protams, konfliktus var
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