Die Kraft des kritischen Denkens. Sind Fähigkeiten wichtiger als Wissen?

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Das Wesen des kritischen Denkens
Kritisches Denken ist eine wichtige Kompetenz im Leben, die das Verständnis in allen Bereichen dieser Welt verbessert. Doch ist kritisches Denken wichtiger, als über umfangreiches Wissen zu verfügen? Zweifellos gehen Wissen und kritisches Denken Hand in Hand. Kritisch – was heißt das eigentlich?
Kritisches Denken umfasst verschiedene Fähigkeiten wie beispielsweise Gedanken zu formulieren, Hypothesen zu testen, Argumente zu analysieren, Schlussfolgerungen zu ziehen, Annahmen zu prüfen, Informationen zu bewerten, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen (Petress 2004[1]; Paul & Elder, 2008[2]). Und es ist von entscheidender Bedeutung für die Herausbildung von Fähigkeiten und Einstellungen, die unabdingbar sind, um als handlungsfähiges Mitglied der Gesellschaft zu agieren. Menschen, die in der Lage und willens sind, ihre Ansichten und Bedenken zu äußern, lenken ihre Energie in zielgerichtetes Handeln und stärken die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene.
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In Anlehnung an Thomas Kuhn (2009)[3], der als Klassiker der Wissenschaftsphilosophie gilt, lassen sich folgende zwei Fähigkeiten als grundlegende Komponenten des kritischen Denkens ansehen: (1) die Fähigkeit, zu akzeptieren, dass Überzeugungen falsch sein können, und (2) die Fähigkeit, nach Gegenbeweisen zu suchen, d. h. der Versuch, etwas zu falsifizieren. Von entscheidender Bedeutung ist daher die Verifizierung dessen, was als wahr angesehen werden kann und was wir auf Grundlage des bereits vorhandenen Wissens glauben können. Die Analyse von Informationen ist einer der zentralen Punkte des kritischen Denkens, ermöglicht sie es uns doch, Nachrichten in ihre Bestandteile zu zerlegen und so Ursache und Wirkung zu erkennen, was das Verständnis von Inhalt und Kontext der Informationen erleichtert.
Kritisches Denken ist zudem ein Prozess bzw. eine Kompetenz höherer Ordnung, es läuft nicht automatisch ab, sondern erfordert Anstrengung, Reflexion und Selbstkontrolle. Dazu ist ein bewusster und zielgerichteter Prozess erforderlich, der die Interpretation und Bewertung von Informationen oder Erfahrungen umfasst (Valenzuela et al., 2011[4]). Ein solcher Prozess berücksichtigt alle situativen Aspekte und ermöglicht es uns, uns darauf zu konzentrieren, das Problem zu verstehen und durchdachte Lösungen zu entwickeln. Das bedeutet, dass wir uns nicht mit gedankenlosen Meinungen zufriedengeben, für die wir keine ausreichenden Argumente haben.
Was die kognitive Dimension des kritischen Denkens anbelangt, so liegt deren Schwerpunkt auf dem logischen Denken und Schlussfolgern, also auf Fähigkeiten, die mit den intellektuellen Voraussetzungen eines Menschen in Zusammenhang stehen. Die kognitive Dimension bezieht sich auf unsere Fähigkeit, ein Problem zu verstehen und vernünftige Lösungen für ein erkanntes Problem zu finden. Sie kann daher als ein Instrument betrachtet werden, das uns die Entscheidungsfindung und/oder Problemlösung erleichtert.
Entwicklung der Fähigkeit zum kritischen Denken
Die hier beschriebene Art des Denkens erfordert Training und Übung und wird oft auf bestimmte Dispositionen zurückgeführt. Eine ganze Reihe von Forscher:innen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hat sich mit der Fähigkeit zum kritischen Denken befasst. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Disposition zu kritischem Denken in der Neigung besteht, unter bestimmten Bedingungen bestimmte Dinge zu tun.
Die Disposition zum kritischen Denken wird als Gesamtheit von Einstellungen oder Denkgewohnheiten definiert, dank derer wir fähig sind, Schlussfolgerungen zu ziehen, zu argumentieren und Entscheidungen zu treffen (Facione et al., 1995)[5]. Um eine Person zu charakterisieren, die zu kritischem Denken neigt, sind solche Eigenschaften (Facione et al., 1994[6]) zu berücksichtigen wie:
- analytische Fähigkeiten, d. h. aufmerksam zu sein für potenziell problematische Situationen und mögliche Ergebnisse und Folgen zu antizipieren,
- systematisches Herangehen an konkrete Problemstellungen, und zwar auf strukturierte, organisierte und gewissenhafte Weise,
- Wissbegierde, d. h. den Wert guter Informationen zu schätzen, verbunden mit dem Wunsch, zu erfahren, wie etwas funktioniert, und das Lernen wertzuschätzen, selbst wenn ein Nutzen nicht direkt sichtbar ist,
- geistige Offenheit, verbunden mit Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen, d. h. sich möglicher eigener Vorurteile bewusst zu sein und andere Standpunkte zu respektieren,
- Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, verbunden mit einem guten Urteilsvermögen,
- Streben nach Wahrheit (d. h. die Einstellung, die Wahrheit finden zu wollen) verbunden mit Mut beim Ergründen der Wahrheit,
- Reife, verstanden als die Bereitschaft, Fragestellungen gezielt nachzugehen, mehr als eine plausible Option zuzulassen und sich ein Urteil auf der Grundlage von Beweisen zu bilden, die sich gegenseitig ausschließen können.
Für die Herausbildung einer Disposition zu kritischem Denken gibt es nicht den einen entscheidenden Schlüsselfaktor. Und zwar deshalb, weil dieser Prozess auf dem Zusammenspiel vieler Elemente beruht. Mit Sicherheit tragen Bildung und Praxiserfahrungen dazu bei, dass sich die entsprechenden Fähigkeiten entwickeln.
Hemmnisse beim Erlernen von kritischem Denken
Es gibt mehrere potentielle Faktoren, die das Erlernen von kritischem Denken behindern können. Zu diesen gehört in jedem Fall ein Mangel an Motivation, d. h. den Wert solcher Fähigkeiten nicht zu erkennen. Eine wichtige Rolle aber spielen auch verfestigte Überzeugungen, denn sie erschweren es, sich neuen Perspektiven zu öffnen und die eigenen Standpunkte zu hinterfragen. Ein weiteres Hemmnis kann darin bestehen, dass die falschen Fragen gestellt werden, die letztlich nicht zu einer tieferen Analyse führen. Und natürlich kann auch Zeitmangel ein Hindernis sein, denn die Entwicklung der Fähigkeit zum kritischen Denken ist zeitaufwändig.
Es lohnt sich allerdings, sich diese möglichen Hemmnisse bewusst zu machen und dann zu versuchen, diese durch effektive auf kritisches Denken ausgerichtete Lernstrategien zu überwinden.
Kritisches Denken als Motor für lebenslanges Lernen
Bildung kann dazu beitragen, den Weg zur individuellen „Erhellung oder Aufklärung“ zu ebnen. Es lohnt sich also, die Entwicklung des kritischen Denkens von klein auf und ein Leben lang zu fördern und zu unterstützen. Denn hierdurch wird es möglich, unser vorhandenes Wissen effektiv zu nutzen. Selbst wer über großes Wissen (d. h. viele Informationen) verfügt, kann ohne die Fähigkeit zu kritischem Denken möglicherweise nur schwer verstehen, wie diese Informationen zusammenhängen und welche Auswirkungen sie haben. Tatsächlich kann Wissen ohne die Fähigkeit zum kritischen Denken falsch angewendet werden.
Darüber hinaus trägt kritisches Denken, gestützt auf entsprechendes Wissen, wesentlich zur Analyse und Lösung von Problemen bei. Und da Wissen schnell veraltet, ermöglicht eine kritische Denkweise neues Wissen in aktuelle Zusammenhänge einzubinden und sich so besser an Veränderungen anzupassen. Daher kann die Förderung einer Kultur des lebenslangen Lernens auch den Auswirkungen der (überschnellen) Veralterung von Wissen entgegenwirken.
In der heutigen Welt, in der wir auf Schritt und Tritt mit Informationen bombardiert werden, hilft uns die Fähigkeit zu kritischem Denken, zwischen glaubwürdigen Quellen und Fake News zu unterscheiden. Dies ist wichtig, denn es trägt dazu bei, Manipulationen oder Fehlinformationen zu erkennen. Ebenso wichtig ist, dass kritisches Denken die Menschen in die Lage versetzt, zu denken, ohne sich auf Autoritäten zu verlassen und unkritisch die Meinung anderer zu übernehmen. Auf diese Weise unterstützt es unsere Eigenständigkeit und das Treffen bewusster Entscheidungen. Darüber hinaus fördert diese Art des Denkens die Entwicklung einer effektiven Kommunikationsstrategie, die es uns ermöglicht, logisch zu argumentieren und andere zu überzeugen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass kritisches Denken dazu beiträgt, Vorurteile abzubauen, indem wir unsere eigenen Fehler erkennen, was uns zu einer objektiveren Denkweise verhilft. Und nicht zuletzt gehört kritisches Denken zu den Fähigkeiten, die kontinuierlich weiterentwickelt werden können, was im Idealfall dem Konzept des lebenslangen Lernens entspricht. Kritisches Denken gilt daher auch als Schlüsselqualifikation in der heutigen Welt, die durch eine Fülle an Informationen geprägt ist, aber gleichzeitig die Fähigkeit erfordert, diese zu verstehen, zu bewerten und effizient zu nutzen.
Dr. hab. Dorota Gierszewski - Andragogin, Hochschuldozentin, Wissenschaftlerin, Ausbilderin, Community Organizer. Sie arbeitet an der Jagiellonen-Universität Krakau. Interessengebiete: non-formale Erwachsenenbildung, zivilgesellschaftliches Engagement, Migration, Interkulturalität. EPALE-Botschafterin.
Siehe auch:
Ein Übungsplatz für die Entwicklung von Bürgerkompetenzen
Ich handle, also bin ich. Der kontextuelle Charakter des Erlernens gesellschaftlicher Partizipation
Informelle Räume für das Erlernen zivilgesellschaftlichen Engagements
Der Bürgerhaushalt als Instrument zur Erziehung zur Selbstbestimmung
Senioren im heutigen Europa. Probleme und Herausforderungen
Kritisches Denken kann es nie zu viel geben ...
Quellen:
[1] Petress, K. (2004). Critical Thinking: An extended definition, Education, Vol.124, Nr 3.
[2] Paul R., Elder L. (2008). The Miniature Guide to Critical Thinking: Concepts & Tools. Foundation for Critical Thinking. Edited by L. Elder.
[3] Kuhn T. S. (2009). Struktura rewolucji naukowych. Tłum. H. Ostromęcka. Warszawa: Aletheia.
[4] Valenzuela, J., Ma Nieto, A., Saiz, C. (2011). Critical Thinking Motivational Scale: a contri- bution to the study of relationship between critical thinking and motivation, Electronic Journal of Research in Educational Psychology, Nr 24, s. 826.
[5] Facione, P., Sánchez, (Gittens) C., Facione, N., & Gainen, J., (1995). California critical thinking disposition inventory. Journal of General Education. Volume 44, Nr 1, ss. 1-25.
[6] Facione, P., Facione, N., & Sanchez, C. (1994). Critical thinking disposition as a measure of competent clinical judgment: The development of the California Critical Thinking Disposition Inventory. Journal of Nursing Education, 33(8), 345–350.
Kommentar
Uczenie uczenia się
Krytyczne myślenie to jedna z kompetencji poznawczych, czyli coś co wydaje się wydaje się kluczowe dla pojmowania dzisiejszego natłoku informacji. Kilka lat temu Udemy na konferencji pokazywało popularność różnych tematów szkoleń i okazało się, że właśnie tego typu tematy, na przykład growth mindset, znajdują rzesze zainteresowanych. Bardzo ciekawy post.
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W punkt. Tekst bardzo…
W punkt. Tekst bardzo skondensowany, ale zgadzam się w całości. Podkreśliłbym, że krytyczne myślenie to kluczowa umiejętność homo sapiens, bez której biegalibyśmy dalej po sawannie. Bardzo ważny wniosek, który wynika z tekstu, jest taki, że na krytyczne myślenie składa się cały wachlarz kompetencji, każdą można rozwinąć w różnym stopniu, a każdy kolejny krok wymaga pracy, przy czy wysiłek temu poświęcony, wysiłek rozumiany nawet czysto fizjologicznie, bywa większy niż przy intensywnych ćwiczeniach fizycznych.
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Super, że na nowo odkrywamy…
Super, że na nowo odkrywamy jak krytyczne myślenie jest ważne. Szczególnie, że na prawdę trudno je rozwijać i wzmacniać w okresie szkolnym, a zyskuje niezwykłe znaczenie w codziennym dorosłym życiu. Ze swojej strony bardzo polecam metodę pracy pytaniami sokratejskimi. Uwielbiam. Pisałam o niej jakiś czas temu tu na portalu. No i klasyka gatunku "Pułapki myślenia" Kahnemana, które pozwalają nam lepiej zrozumieć jak te procesy myślowe przebiegają i od czego zależą. :)
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Ulu, podpinam się pod Twój…
Ulu, podpinam się pod Twój komentarz - pytania sokratejskie to jedno z lepszych narzędzi myślenia krytycznego, które zapobiega barierze, o której pisze Dorota: Zadawanie nieadekwatnych pytań, które w związku z tym nie prowadzą do głębszej analizy.
Pozwolę sobie wkleić link do Twojego artykułu: Zadawaj lepsze pytania: metoda sokratejska i bonus
https://epale.ec.europa.eu/pl/blog/zadawaj-lepsze-pytania-metoda-sokrat…
Myślenie krytyczne niełatwo jest rozwijać samodzielnie. Świetnie sprawdza się tu tutoring - tutorzy są wyposażeni w narzędzia, umiejętność zadawania pytań, poszerzają perspektywę.
Jeśli nie mamy tutora, można spróbować wykorzystać, któryś z modeli językowych AI, np. czat gpt. Możemy wkleić swój tekst, np. esej i poprosić o pytania kwestionujące przyjęte założenia czy zlecić czatowi wejście w rolę osoby o odmiennych poglądach i podjęcie dyskusji z postawioną tezą.
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Ula, Barbara
dziękuję, że dzielicie się swoją wiedzą i praktyką w tym zakresie. Krytyczne myślenie jest działaniem społecznym. W rozmowach z innymi pojawiają się nowe pytania, rozwiązania problemów i spostrzeżenia. Zadawanie właściwych pytań jest punktem wyjścia rozwoju nauki. Z jednej strony ważne są pytania rozumiejące, które otwierają wiedzę i precyzują ją, a z drugiej strony pytania krytyczne, które pozwalają badać argumenty, wskazują luki, skupiają się na mocnych i słabych stronach rozwiązania.
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kompetencja uczenia się
Dla mnie najważniejszą kompetencją jest uczenia się. To znaczy umieć nabywać wiedzę i umiejętności, a następnie je przetwarzać. To poszukiwać i umieć korzystać ze wskazówek. Umiejętność uczenia się pozwala uczniom nabyć umiejętność korzystania z wcześniejszych doświadczeń w uczeniu się i ogólnych doświadczeń życiowych w celu wykorzystywania i stosowania wiedzy i umiejętności w różnorodnych kontekstach. Wymaga to efektywnego zarządzania własnymi wzorcami uczenia się, kształtowania kariery i pracy, a szczególnie wytrwałości w uczeniu się, koncentracji na dłuższych okresach oraz krytycznej refleksji na temat celów uczenia się.