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Die gesellschaftliche Teilhabe von Senior*innen fördern und sichtbar machen

„Jede(r) hat etwas zu geben und kann etwas zur Gemeinschaft beitragen - das Alter spielt keine Rolle.“

„Jede(r) hat etwas zu geben und kann etwas zur Gemeinschaft beitragen - das Alter spielt keine Rolle.“

Ältere und hochaltrige Menschen sind in unserer Gesellschaft oft „unsichtbar“. Sie haben die Arbeitswelt verlassen, sind weniger auf den Straßen unterwegs und sind auch in den Medien unterrepräsentiert. Je älter jemand wird, umso weniger wird von ihm oder ihr erwartet, etwas für die Gesellschaft zu leisten und an ihr sinnstiftend teilzuhaben.

Mit unseren Projekten möchten wir dazu beitragen, dass ältere Menschen mit ihren vielfältigen Interessen, Fähigkeiten und Talenten wahrgenommen werden und sich selbstbestimmt einbringen können. Gemeinsam mit Partner*innen aus verschiedenen Ländern, mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen und persönlichen Zugängen haben wir in den vergangenen Jahren Projekte entwickelt und umgesetzt, die Handlungsspielräume und Teilhabechancen älterer und hochaltriger Menschen erweitern und sie dabei unterstützen, so lange wie möglich selbstbestimmt, gesund, sicher und in vertrauter Umgebung zu leben. Wir wollen mit unserer Arbeit nicht nur zur (Selbst-)Ermächtigung alter Frauen und Männer, sondern auch zur alter(n)sgerechten Gestaltung der sozialen und der gebauten Umwelt beitragen.

Warum sind wir der Meinung, dass ältere Menschen ihre „Talente“ (wieder-)entdecken, sich vernetzen und gemeinsam ihre Umgebung und Gemeinschaften mitgestalten sollten? Hier ein paar ausgewählte Fakten:

Wir leben länger.

Am 1. Jänner 2019 war eine*r von fünf Bewohner*innen der Europäischen Union 65 Jahre und älter. Bis 2100 wird ungefähr ein Drittel der Europäer*innen 65+ sein. [1] Die Gruppe der Hochaltrigen (80 Jahre und älter) wächst schneller als jede andere Altersgruppe. Zwischen 2019 und 2100 wird der Anteil der 80+-Jährigen in der Europäischen Union von 5,8 auf 14,6 Prozent steigen [2].

Viele von uns möchte zuhause alt werden.

„Ageing in place“ bedeutet, die Lebensphase des Alters zu Hause, in vertrauter Umgebung, zu verbringen – und dies so unabhängig wie möglich. Dieses Konzept spart nicht nur Kosten, weil weniger Bedarf nach Pflegeeinrichtungen besteht, sondern macht die Menschen auch glücklicher. Sowohl politisch Verantwortliche als auch ältere Menschen selbst bevorzugen diese Lebensform, weil sie für Beziehung, Kontinuität, soziale Verbundenheit sowie für Sicherheit und Vertrautheit steht. Das Zuhause ist Rückzugsort, die Gemeinschaft eine wertvolle Ressource.[3]

Zugehörigkeit und Zusammenhalt sind eine wichtige Ressource.

Werden Zugehörigkeit und Zusammenhalt in der Nachbarschaft geschätzt und genährt, sind sie eine wertvolle Ressource im Alter. Sie tragen zu einer höheren Lebensqualität im Alter [4] bei, fördern die Gesundheit [5], verhindern bzw. lindern Einsamkeit und verlängern das Leben [6].

Zwei Projekte – zwei unterschiedliche Ansätze um die soziale Teilhabe älterer Menschen zu fördern

invisible talents

„Danke, dass ihr nach Talenten gefragt habt. Normalerweise interessiert das niemanden.

Jetzt, da ich darüber rede, merke ich erst, wie sehr mir das gefällt.“

Teilnehmerin in den Niederlanden

Ziele & Zielgruppen

Das Erasmus+ Projekt invisible talents (Oktober 2018 - September 2020) verfolgte das Ziel, ältere Menschen dabei zu unterstützen, ihre Talente (wieder-) zu entdecken und mit anderen zu teilen und zugleich Schlüsselpersonen und Organisationen dazu zu inspirieren, Raum für diese Talente zu öffnen.

Mit diesem Projekt wandten wir uns vor allem an Mitarbeiter*innen und Freiwillige von Gesundheits- und Sozialangeboten und an zivilgesellschaftliche Initiativen, die mit und für ältere Menschen aktiv sind. In fünf Partnerländern (Österreich, Deutschland, Litauen, Niederlande und Italien) arbeiteten die Projektteams mit Organisationen und Gemeinden zusammen, um „kleine Aktivitäten“ zu starten und umzusetzen, die die Sichtbarkeit und Wertschätzung älterer Menschen steigern sollten. Entstanden sind ganz unterschiedliche Aktivitäten: von einmaligen Interventionen bis hin zu längerfristigen Kooperationen mit älteren Menschen und Mitarbeiter*innen einer Organisation:

Kleine Schritte – große Wirkung: Ergebnisse aus dem invisible talents Projekt

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Teilnehmerin der Traumfabrik zeigt ihre Traum-Collage, © Caro Bonink

Im Kultur- und Gemeindezentrum Modestraat in Amsterdam entstand die Workshopreihe „Traumfabrik“, in der sich die älteren Teilnehmer*innen mit ihren Wünschen und Träumen auseinandersetzten und diese in unterschiedlichen Aktionen sichtbar machten. Unsere Partner*innen in Deutschland, Italien und Litauen entwickelten mit Mitarbeiter*innen und älteren Menschen in Senior*innen-Klubs und Senior*innen-Wohnheime Ideen, wie den Talenten älterer Menschen in den Einrichtungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Als im Frühjahr 2020 die Corona-Schutzmaßnahmen jede Form des öffentlichen Lebens und der gemeinsamen Aktivitäten zum Erliegen brachten, sahen sich ältere Menschen massiv mit dem Image der „vulnerablen Hochrisikogruppe“ konfrontiert. Um diesem Bild und anderen diskriminierenden Stereotypen etwas entgegenzusetzen, startete queraum die Videoreihe „Daheimbleiben für Fortgeschrittene“. In Videos beweisen ältere und hochaltrige Menschen ihre Lebensfreude und ihren Sinn für Humor und zeigen, wie sie mit Kreativität und Lebenslust auch zu Hause eine gute Zeit haben können.

Dreamlike Neighbourhood

„Ich möchte anderen helfen, wo immer möglich, aber auch mir selbst.

Ich möchte das Leben auskosten und nicht verkümmern.“

Teilnehmer aus Tschechien

Ziele & Zielgruppen

Im Erasmus+ Projekt Dreamlike Neighbourhood (Dezember 2020 - November 2022) unterstützen wir Nachbarschaftsgruppen älterer und hochaltriger Menschen. In diesen Gruppen treffen sie sich regelmäßig, lernen sich (anders) kennen und stärken sich gegenseitig.  Gemeinsam bilden sie ein Unterstützungsnetz, um die Herausforderungen des täglichen Lebens gut meistern zu können, und tragen aktiv zu einem Wandel von Nachbarschaften bei.

„Weil gemeinsam mehr Freude macht“:  Umsetzung & bisherige Erfahrungen

„Es ist großartig zu sehen, wie die Teilnehmer*innen gewachsen sind

und sich weiterentwickelt haben. Die Teilnehmer*innen sind zusammengewachsen

und neugierig auf neue Dinge in der Nachbarschaft und aufeinander.“

Projektpartnerin aus den Niederlanden

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Erzählcafé in Prag, © Letokruh, z.ú., Tschechien

In den vergangenen Monaten sind in den Partnerländern (Tschechien, Slowenien, Niederlande und Österreich) Senior*innen-Gruppen entstanden: Bei regelmäßigen „Plaudereien“ zu unterschiedlichen Themen (z.B.: Kindheitserinnerungen, Reisen) in einem Wiener PensionistInnenklub werden Gemeinsamkeiten, unterschiedliche Perspektiven und persönliche Erfahrungen gehört, sichtbar und wertgeschätzt. Die Nachbarschaftsgruppe von Letokruh in Prag erkundet einzelne Stadtviertel, lernt Neues in der eigenen Nachbarschaft kennen und bringt ihre Sichtweisen in Diskussionen mit Stadtplaner*innen und anderen Fachleuten ein. In den Nachbarschaftsruppen von AFEdemy in Den Haag gestalten die Teilnehmer*innen jedes ihrer Treffen nach ihren Interessen und Talenten. Selbstverfasste Gedichte oder Zeichnungen werden ebenso diskutiert wie gesundheitsrelevante Themen und persönliche Anliegen. Die Nachbarschaftsgruppe der Universität des 3. Lebensalters in Laibach setzt sich mit der alter(n)sfreundlichen Gestaltung des öffentlichen Raumes auseinander und wurde u.a. eingeladen, einen Videobeitrag für die Ausstellung „City65+ zwischen Erholung und Urbanität“ zu gestalten.

Insgesamt bieten die Treffen einen guten Rahmen für ein gegenseitiges Kennenlernen, die Diskussionen unterschiedlicher Perspektiven auf gute Nachbarschaft und die Erprobung kreativer Methoden und Formate zur Förderung des Miteinanders.

 


 

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Infobox: Publikationen & Links

Das Factsheet, das Handbuch, die Methodensammlung sowie die Videoreihe „Daheimbleiben für Fortgeschrittene“ finden sich auf der Projekt-Website von invisible talents:

www.invisible-talents.eu

Nähere Informationen und das Factsheet zum Projekt Dreamlike Neighbourhood finden Sie hier:

www.dreamlike-neighbourhood.eu

Ein Handbuch und eine Methodensammlung werden im Sommer 2022 veröffentlicht.

Weitere Projekte vom queraum-Team sind auf der Website beschrieben: www.queraum.org

 

Fußnoten:

[1] https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Population… and_ageing#The_share_of_elderly_people_ continues_to_increase

[2] https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Population… and_ageing#The_share_of_

[3] Janine L. Wiles et al.: The Meaning of Ageing in Place to Older People, in: The Gerontologist. Vol. 52, Issue 3, Juni 2012, 357-366.

[4] Gert Lang et al.: Determinanten der Lebensqualität älterer Frauen: Zum Stellenwert der wahrgenommenen Sicherheit und Eingebundenheit, in: SWS-Rundschau, 53, 2013.

[5] Vgl. zum Beispiel: Oliver Hämmig: Soziale Beziehungen und Gesundheit im Kanton Zürich, in: Gesundheitsberichterstattung (Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich), 2016.

[6] Julianne Holt-Lundstad et al.: Social Relationships and Mortality Risk: A Metaanalytic Review, in: PLoS Medicine 7/7, 1-10.

 

Autorinnen dieses Beitrags: 

Mag.ª Anita Rappauer ist Soziologin und seit 2006 queraum. kultur- und sozialforschung tätig. In den vergangenen Jahren hat sie gemeinsam mit Kolleg*innen und Partnerorganisationen aus ganz Europa mehrere Erasmus+ Projekte zum Thema „Soziale Teilhabe älterer Menschen“ entwickelt und umgesetzt.

Kontakt: rappauer@queraum.org

Susanne Dobner MSc ist seit 2019 als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei queraum. kultur- und sozialforschung in europäischen und nationalen Projekten tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Partizipation und soziale Teilhabe älterer Menschen, alter(n)sgerechte Stadtentwicklung, aktive Mobilität und Gesundheitsförderung.

Kontakt: dobner@queraum.org

 

Über diesen Beitrag: 

Dieser Beitrag basiert auf einem  Ideen- und Networkingpool der EPALE und Erasmus+ Konferenz 2022: "Life Skills im Fokus der Erwachsenenbildung, in welchem die Projekte Invisible talents & Dreamlike Neighbourhood von den Autorinnen dieses Beitrags vorgestellt wurden. 

 

 

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