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Be a Maker – not a Taker! Die Stadtbibliothek Köln beschreitet neue Wege

Die Digitalisierung ist unumkehrbar auf dem Vormarsch und viele Bereiche der Gesellschaft befinden sich deshalb im Umbruch. Bibliotheken sind dabei nicht allein - und obwohl sich an ihrem klassischen Auftrag der Vermittlung von Bildung und Wissen im Grunde nichts geändert hat, müssen Bibliotheken hinterfragen, wie sie diesem Auftrag unter den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden. Lesen Sie hier, wie die Stadtbibliothek Köln diese Herausforderung gemeistert hat!

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Bibliotheken im Wandel

Die Digitalisierung ist unumkehrbar auf dem Vormarsch, allenthalben ist von der vierten industriellen Revolution die Rede. Viele Bereiche der Gesellschaft befinden sich gleichermaßen im Umbruch, und dies gilt auch für die Rolle der Bibliotheken. Bibliotheken sind dabei nicht allein - weltweit müssen sich Institutionen, Organisationen und auch andere Branchen neu ausrichten. Die klassische Aufgabe der Bibliotheken ist die Vermittlung von Bildung und Wissen, und im Grunde hat sich daran nichts geändert. Bibliotheken müssen aber hinterfragen, wie sie diesem Auftrag unter den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden.Es geht dabei nicht nur um eine Anpassung des bisherigen Angebotes, sondern auch um ein visionäres Neudenken der Bibliotheksarbeit. Ein gleichberechtigter Zugang zu Wissen ist heute weit über das geschriebene Wort hinaus notwendig. Bildung im 21. Jahrhundert geht nicht mehr ohne eine digitale Bildung, denn der Umgang mit neuen Technologien und den sozialen Netzwerken ist einer der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Es stellt sich die zentrale Frage, wie die Digitalisierung in Bibliotheken gestaltet und vermittelt werden kann.  Dabei gilt es, den Menschen und seine Bedürfnisse in den Blick zu nehmen.

Stadtbibliothek Köln-Kalk.

Für die nächsten Jahre wird ein eklatanter Mangel an MINT-Fachkräften prognostiziert. MINT – Mathematik, Information, Naturwissenschaften, Technik – sind zentrale Kulturtechniken und werden in Zukunft zu einem Standortfaktor von gesteigertem Wert. Bibliotheken können, neben der notwendigen und selbstverständlichen Lese- und Medienerziehung, Akzente setzen und junge Menschen mit entsprechenden Angeboten schon früh für diesen Bereich interessieren. Sie tragen damit dazu bei, dass Kinder digitale Angebote nicht nur aus der Konsumenten-Perspektive wahrnehmen. Die Kölner Stadtbibliothek hat hier mit der MINTköln, einem MINT-Festival mit über 100 Veranstaltungen in nur zwei Wochen, einen veranstalterischen Leuchtturm gesetzt. Kritische Journalisten wie Dirk von Gehlen konstatieren, dass Deutschland bei der Digitalisierung den Anschluss verpasst hat. „Wir brauchen deshalb nicht nur an Schulen einen angstfreien Umgang mit Zukunftstechnologien [...]. Wir brauchen ein zweites Bildungssystem, das auch Erwachsene schult“ und spricht von in der Süddeutschen Zeitung von einem „neuen Generationenvertrag des Lernens“. Bibliotheken sollten hier Vermittler sein.

Bibliotheken sind heute Orte des „Wissens zum Anfassen“, sie sind Interaktionsräume, die zum eigenen Tun, aber auch zur Entschleunigung einladen. Der Begriff des Lernens wird hier bewusst weit gefasst und geht über das reine Lernen aus Büchern hinaus – Lernen durch eigenes Tun und Bürgerbeteiligung spielen eine wichtige Rolle. Bibliotheken verbinden Fortschritt mit Teilhabe. Die Menschen wollen nicht nur Rezipienten, sondern selbst aktiv sein. Sie wollen Neues ausprobieren, kreativ sein, eigene „Produkte“ herstellen und ihr Wissen und ihre Ideen mit anderen teilen. In Zeiten umfassender digitaler Kommunikation und Vernetzung braucht es verstärkt Orte des aktiven Tuns und der unmittelbaren Kommunikation von Mensch zu Mensch. Bibliotheken wandeln sich zum so genannten „dritten Ort“ neben der Wohnung und der Arbeitsstelle. Der Soziologe Ray Oldenburg (1989) kategorisierte unsere Lebensräume in erste, zweite und dritte Orte. Als erster Ort wird das Zuhause bezeichnet, der zweite Ort ist der Arbeitsplatz. Dritte Orte sind Räume der Begegnung, Orte der kulturellen und sozialen Interaktion. Das können öffentliche Räume im Stadtraum sein, aber auch halböffentliche Orte wie Bahnhöfe, moderne Kaffeehäuser wie Starbucks oder eben Bibliotheken. Gerade sie nehmen hier eine exponierte Rolle ein. Der digitale Wandel erfordert neue Strategien auch für den analogen Raum.  

Stadtbibliothek Köln-Kalk.

Die Bibliothek als Dritter Ort im Quartier

Ein solcher „Dritter Ort“ ist vor kurzem in Köln-Kalk entstanden. Ausgangspunkt war die Frage: Wie erreicht man möglichst viele bildungsferne und nicht bibliotheksaffine Kinder und Jugendliche? Der Stadtteil Kalk, ein ehemaliges Industriegebiet, befindet sich in einem Transformationsprozess und erfindet sich gerade als modernes Quartier mit neuer Wohnqualität. Die neue Bibliothek trägt dem Rechnung und lädt zum Experimentieren, Ausprobieren und Mitmachen ein. Kalk hat eine überdurchschnittlich junge Bevölkerung und weist den höchsten Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte auf. Kostengünstiger Wohnraum macht Kalk auch attraktiv für junge Familien, Studenten und Zugewanderte. Für die Frage, wie ein attraktives und akzeptiertes Angebot für dieses Umfeld zu gestalten sei, hat die Stadtbibliothek einen eigenen Lösungsansatz entwickelt: Bei der Kalker Bibliothek handelt es sich um ein gemeinsames Projekt des niederländischen Architekten und Design Guides Aat Vos, eines örtlichen Innenarchitekten und der Stadtbibliothek Köln. Aat Vos realisierte dort seine erste Bibliothek in Deutschland, die auch das Ergebnis einer Kooperation zwischen Bibliothek und Stadtgesellschaft ist.

Der Prozess der Konzeptentwicklung ist in der Stadtbibliothek Köln grundsätzlich partizipativ angelegt: Bürger aus Kalk waren an der Entwicklung beteiligt und konnten ihre Wünsche und Erwartungen im Rahmen einer Befragung einbringen. Die Ergebnisse flossen in den „Design Thinking Prozess“ ein, an dem in mehreren Workshops Bibliotheksmitarbeitende unterschiedlichster Qualifikationsstufen und Einsatzbereiche beteiligt waren. Sie erarbeiteten gemeinsam ein Profil für diese neue, ungewöhnliche Bibliothek. Das Design Thinking hat enorm schnell zu Ergebnissen geführt und macht allen unglaublich Beteiligten viel Freude.

Ziel war es, eine Bibliothek zu entwickeln, die den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen gerecht wird. So gibt es dort beispielsweise einen stationären und mobilen Makerspace – ein Cargo-Bike, modernste Virtual Reality Brillen und Gaming-Ausstattung sowie einen von der weltweit arbeitenden Künstlergruppe Urban Screen eigens für Köln entwickelten interaktiven Großbildschirm. Diese elektronische Tagtool-Wall bietet einzigartige Möglichkeiten des Experimentierens - hier können Jugendliche mit Tablets gleichzeitig und gemeinsam an großflächigen Graphiken, Graffitis und Animationen arbeiten und diese abspeichern, aber auch Musik kann eine Rolle beim Erforschen verschiedener Animationsprinzipien spielen. Eine gesamte Etage ist den Jugendlichen gewidmet, die das Haus vom ersten Tag an in Besitz nahmen. Digitale Technologien und Innenarchitektur gehen dort eine Symbiose ein.

(Vgl.: von Gehlen, Dirk: Raus aus der Steinzeit. Süddeutsche Zeitung, 14. Januar 2017)

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© Dr. Hannelore Vogt.
Über die Autorin:

Dr. phil Hannelore Vogt ist die Direktorin der Stadtbibliothek Köln, welche 2015 den nationalen Bibliothekspreis „Bibliothek des Jahres“ erhielt. Zuvor leitete sie die Stadtbücherei Würzburg, die zuvor auch zur „Bibliothek des Jahres“ gekürt wurde. Der Kölner Kulturrat zeichnete Dr. Vogt 2016 als „Kulturmanagerin des Jahres“ aus. Sie verfügt über einen Masterabschluss im Fach Kulturmanagement und hat im Bereich Marketing promoviert. Daneben war sie unter anderem Beiratsvorsitzende „I&B“ beim Goethe Institut, Mitglied im „Metropolitan Libraries Standing Committee“ der IFLA und „Strategic Advisor“ für die Bill & Melinda Gates Foundation. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift „Bibliothek. Forschung und Praxis."


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