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Lernen im hohen Alter

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Der Beitrag gibt einen Überblick über das Lernen Hochaltriger ab einem Alter von etwa 80 Jahren. Auch wenn die kognitive Entwicklung Lernen bis ins hohe Alter ermöglicht, wird nur ein geringer Anteil der Zielgruppe über Lern- und Bildungsangebote angesprochen. Entsprechend gering ist die Datenlage zu dieser Lebensphase. Allgemein gelten die Ausbildung der eigenen Identität und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Alter sowie der Endlichkeit als Ziele von Lern- und Bildungsaktivitäten, die sich auf das Human-, Sozial- und Identitätskapital der Zielgruppe auswirken.

  1. Differenzierung der Lebensphase Alter und kognitive Entwicklung

Zur Gruppe der älteren Menschen werden i. d. R. Personen ab dem Ende der Erwerbstätigkeit (Kruse & Wahl 2010), also in etwa ab einem chronologischen Alter von 65Jahren, gezählt. Im Jahr 2023 in Deutschland sind dies 18,89 Millionen Menschen, die zwischen 65 und bis zu über 100 Jahre alt sind – im Vergleich bspw. zu den 16,77 Millionen, die 20 Jahre und jünger sind. Es sind Personen mit unterschiedlichsten Lebensläufen, Bildungsbiografien oder Herkunftsgeschichten, zusammengefasst unter die Älteren, die auf genauso unterschiedliche Weise die Lebensphase Alter gestalten. In vielen Studien wird die große Altersspanne und Heterogenität der Personengruppe der älteren Menschen jedoch insofern vernachlässigt, als dass der Fokus auf den jüngeren Älteren liegt (Kaspar et al. 2023) und Personen mit einem Alter von 85 Jahren und älter kaum berücksichtigt werden. Das Ziel dieses Beitrags ist es nun, einerseits einen Einblick in die Lebensphase der Hochaltrigkeit zu geben, und andererseits gezielt den Bereich des Lernens und der Bildung im hohen Alter in den Blick zu nehmen

Aufgrund der Komplexität der Lebensphase Alter liegen weder eine einheitliche Definition (Kruse 2018) noch eindeutige Merkmale zum Übergang vom jüngeren zum hohen Alter vor (Kaspar et al. 2023). Als Richtwert für das jüngere oder dritte Lebensalter dient das chronologische Alter von etwa 60 bis 80/85 Jahren, das höhere oder vierte Lebensalter gilt ab etwa 80/85 Jahren (Kruse 2017). Inzwischen wird zudem die Möglichkeit eines fünften Lebensalters diskutiert (z. B. Bubolz-Lutz in diesem Heft). Dieses höhere Lebensalter ist geprägt von erhöhter Verletzlichkeit sowie einer Anhäufung von Herausforderungen wie Krankheiten oder Verlusterfahrungen (ebd.). Bei der Bewältigung solcher Begleiterscheinungen stellt Resilienz einen wichtigen Faktor dar, der durch Bildung positiv bedingt wird (Kruse 2018). Die Zielgruppe der hochaltrigen Menschen ist mehrheitlich weiblich und in Privathaushalten wohnhaft (Kaspar et al. 2023). Im Jahr 2019 galten etwa 40 % der Hochaltrigen als pflegebedürftig, jedoch steigt der Anteil der Pflegebedürftigkeit mit höherem Alter an (76 % der Menschen über 90 Jahre sind pflegebedürftig; Zimmermann et al. 2023).

Aus gerontologischer Sicht ist das Altern geprägt durch ein Wechselspiel von Rückgang und Wachstum – ein Rückgang der Funktionen des Organismus auf der einen Seite, der einem Wachstum an Erfahrungswissen auf der anderen Seite gegenübersteht (Kruse 2018; für eine ausführliche Darstellung vgl. Kruse 2017; Kruse & Wahl 2010). Die Komponenten des Rückgangs, der Steigerung und laut Himmelsbach (2023) auch des Stillstands sind dabei für Entwicklungs- und Lernprozesse älterer Menschen kennzeichnend. Entsprechend resultiert, dass Lernprozesse stets „vor dem Hintergrund des Umgangs mit Veränderungen“ (Himmelsbach 2023, S. 427) zu betrachten sind. Dabei bezieht sich die Autorin auf die Theorie der Selektiven Optimierung mit Kompensation (SOK; Baltes & Baltes 1990), die Strategien für einen Umgang mit den Ressourcen des Alters vorgibt. Durch die Festlegung auf ausgewählte, aber individuell wichtige Ziele und deren wiederholte Übung kann ein Ressourcenverlust kompensiert werden

Auch in der Entwicklung kognitivr Fähigkeiten zeichnen sich Veränderungen ab. Während die fluide Intelligenz (Informationsverarbeitung) bereits früh rückläufig ist, nimmt die kristalline Intelligenz (Kulturwissen) weiter zu (Kade 2009). Entsprechend ist es für ältere Menschen herausfordernd, gänzlich neue Themen zu lernen. Der Ausbau von bereits vorhandenem Vorwissen fällt älteren Lernenden hingegen leichter (ebd.), weshalb Lerninhalte auf bestehende Interessen aufbauen sollten. Lernprozesse sind somit über die gesamte Lebensspanne möglich (Tippelt u. a. 2009). Aus erwachsenenpädagogischer Sicht ist dabei zu ergänzen, dass das Lernen im Alter darauf ausgerichtet ist, Identität und Anerkennung zu erhalten (Kulmus 2018). Im Vergleich zu Jüngeren sind Ältere somit „nicht weniger, sondern auf andere Art und Weise kreativ und innovativ“ (Kruse 2018, S. 1191).

  1. Bildungsbeteiligung und Lernaktivitäten im hohen Alter

Über die Bildungsbeteiligung der über 80-Jährigen gibt es zumindest für Deutschland bislang keine repräsentativen Daten und auch Träger-Statistiken, wie die Volkshochschulstatistik, differenzieren die Gruppe der über 65-Jährigen nicht weiter. Während für viele Weiterbildungserhebungen (z. B. Adult Education Survey) ohnehin nur Personen im Erwerbsalter von Interesse zu sein scheinen, fassen andere alle Personen jenseits des Renteneintrittsalters in einer Gruppe zusammen (Trägerstatistik) oder schließen Hochbetagte bewusst aus (z. B. Tippelt u. a. 2009). Dies lässt sich mit dem Verweis auf die besondere Lebenssituation, die spezifischen Bedürfnisse und Bedarfe sowie die Lebens- und Lernkontexte im hohen Alter auch durchaus begründen, führt aber dazu, dass Erkenntnisse über das Lernen der über 80-Jährigen vor allem aus der Gerontologie vorliegen. Der Fokus der Studien liegt eher auf der Untersuchung einzelner (häufig informeller) Lern- und Bildungskontexte bzw. auf der Entwicklung von Lernfähigkeit (s. u.), wodurch der Eindruck entsteht, dass Lernen im hohen Alter vor allem in der Familie, in Einrichtungen der Altenhilfe oder im Kontext von Engagement erfolgt (für eine ausführliche Darstellung vgl. Bubolz-Lutz et al. 2022). Über die Präsenz von über 80-Jährigen in Erwachsenenbildungseinrichtungen ist hingegen erstaunlich wenig bekannt

Allerdings gibt es gerade international auch aus der Erwachsenenbildungsforschung Stimmen, die auf die Bildungsbeteiligung und -bedarfe Hochbetagter verweisen und gleichzeitig zeigen, dass diese Personengruppe sowohl mit offenen wie mit standardisierten Forschungszugängen erreicht werden kann. Für Belgien kommen De Donder et al. (2014) auf Basis der Daten aus den belgischen Altersstudien (N = 67.560) auch für die über 80-Jährigen zu einem Anteil von 8,4 %, die angeben, zumindest gelegentlich Weiterbildungsangebote zu nutzen. Die befragten jüngeren Alten berichteten hier über eine deutlich höhere Beteiligung (28,1 % bei den 60- bis 69-Jährigen; 20 % bei den 70- bis 79-Jährigen). Dabei wurde nach den Bildungsaktivitäten der letzten zwölf Monate gefragt und von den über 80-Jährigen gaben 91,6 % an, an keinem Bildungsangebot teilgenommen zu haben, 5,5 % taten das selten, 1,25 % zumindest monatlich und 1,6 % wöchentlich. Sandra von Doetinchem (2020) arbeitet im Rahmen einer standardisierten Befragung von weiterbildungsaktiven Älteren in Deutschland und den USA empirisch die Unterschiede in den Bildungsaktivitäten von Älteren unter 80 und über 80 Jahren in Deutschland und den USA heraus. Dabei wird der Einfluss historischer Ereignisse und generativer Lagerungen auf Bildungsbiografien, aber auch auf gegenwärtige Bildungsinteressen deutlich, d. h. Unterschiede zwischen Altersgruppen werden hier theoretisch begründet auch als Kohorteneffekte interpretiert. Peter Jarvis (2011) diskutiert die Bedeutung der über 100-Jährigen als Zielgruppe von Erwachsenenbildung und qualitative Befragungen identifizieren retrospektiv auch im höchsten Alter noch aktive Lernprozesse (Fenimore 1997) sowie aktuelle Lerninteressen und -bedürfnisse (Friese 2014). Fenimore (1997) zeigt in ihren Interviews mit über 100-Jährigen, dass von den Befragten auch in diesem Alter noch Lernprozesse wahrgenommen werden, die vor allem informell im Austausch stattfinden und als Ergebnis von Interaktionen mit anderen Personen gesehen werden. Dabei werden für die Hochbetagten Mobilitätseinschränkungen sowie Einschränkungen des Hör- und Sehvermögens zu wesentlichen Teilnahmebarrieren und – wie eine Interviewstudie mit hochaltrigen Heimbewohner:innen (Friese 2014) zeigt – aufsuchende bzw. in den Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen angebotene Bildungsangebote werden zu einer wichtigen Alternative. Allerdings bleibt der Bezug zur eigenen Lebenswelt und Lebenssituation auch und gerade im hohen Alter ein wichtiges Kriterium für die Teilnahme an organisierten Bildungsangeboten (ebd.).

  1. Lernziele und Bildungsangebote im hohen Alter

In Studien, die ältere Lernende befragen, werden der Erhalt kognitiver Fähigkeiten sowie die Auseinandersetzung mit relevanten gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen häufig als Bildungsmotive genannt, aber auch die Eingebundenheit in eine Gruppe von Lernenden und die damit verbundenen Gelegenheiten sozialer Begegnung. Allerdings kann gerade das Streben nach dem Erhalt kognitiver Leistungsfähigkeit auch im Lichte eines dominanten gesellschaftlichen Diskurses gesehen werden, in dem das hohe Alter vor allem mit potenziellen kognitiven Einschränkungen und demenziellen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. Wie solche Diskurse sich in individuellen Altersbildern und Konzepten für die Gestaltung des eigenen Alters Bahn brechen, konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden (Schmidt Hertha & Mühlbauer 2012

Kulmus (2018) identifiziert in einer qualitativen Studie drei zentrale Aspekte, die das Lernen im Alter treiben. Erstens ist die Gestaltung der nachberuflichen Lebensphase einschließlich der Suche nach identitätsstiftenden Inhalten zu nennen. Zweitens geht es um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Altern und den damit einhergehenden physischen und psychischen Veränderungen, und zwar sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdwahrnehmung. Drittens betont Kulmus die lebenszeitlich-biografischen Fragen, die angesichts der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit zentral werden und in Bildungskontexten bearbeitet werden können. Dabei zeigen die geführten Gruppendiskussionen deutlich, dass sich Bildung im hohen Alter eben nicht auf die Kompensation von Defiziten beschränkt, sondern auch Elemente der gesellschaftlichen Verortung und der Identitätsarbeit umfasst. Letzteres wird gerade im internationalen Diskurs auch mit dem Stichwort der Transformative Education verbunden und betont, dass persönliche Weiterentwicklung in jeder Lebensphase ein relevantes Bildungsprojekt darstellt (vgl. Formosa 2010)

Mit Blick auf Konzepte und Angebote beschreibt sich die Bildung Älterer laut Bubolz-Lutz und Kolleginnen (2022) vor allem dadurch, dass die darin aufgegriffenen Themen eine Reflexion des eigenen Alterns anregen. Als Ansätze lassen sich allen voran Begleitung, Biografie, Sozialraum und Quartier, aber auch vielfältige weitere Bereiche identifizieren (Schramek et al. 2022), was die Heterogenität der Zielgruppe (Kade 2009) hervorhebt. Begleitung verdeutlicht in diesem Kontext individuelle Lernbegleitung einer Zielgruppe, die zuletzt weniger an Bildungsangeboten teilgenommen hat. Unter biografischen Ansätzen verstehen die Autorinnen die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, aber auch den Austausch über verschiedene Generationen hinweg. Vor allem Angebote mit Einbindung von Sozialraum und Quartier können die Erreichbarkeit der Zielgruppe Hochaltriger ermöglichen (Bertermann 2014). Bubolz Lutz und Kolleginnen (2022) ergänzen gängige Angebote aus den Themenfeldern Sinn und Spiritualität, Kreativität, Nachhaltigkeit, Gesundheit/Krankheit, Digitalisierung, aber auch dem Ehrenamt.

  1. Erträge von Bildung und Lernen im hohen Alter

Schuller (2004) schlägt zur Kategorisierung von Bildungserträgen eine Heuristik mit drei Formen von Kapital vor: Humankapital, Sozialkapital und Identitätskapital. Der Begriff des Humankapitals, der vor allem im Kontext von wirtschaftlich relevantem Wissen und Können etabliert ist, umfasst auch kognitive Leistungsfähigkeit und physische wie psychische Gesundheit. Ältere Lernende beschreiben häufig einen positiven Effekt ihrer Lernaktivitäten auf das individuelle Wohlbefinden und ihre subjektive Gesundheit. Auch empirisch lassen sich Bildungserträge hinsichtlich Gesundheit und kognitiven Fähigkeiten nachweisen, wenngleich nur für letzteren Bereich spezifische Studien zu Hochbetagten vorliegen (z. B. Yang & Krampe 2009). Unter sozialem Kapital können mit Blick auf Lernen im hohen Alter vor allem Gelegenheiten der Begegnung und des sozialen Austauschs subsummiert werden, die nicht nur im hohen Alter ein Grundbedürfnis darstellen, aber gerade für Hochbetagte in anderen Lebensbereichen seltener werden. Auch Lernaktivitäten in vertrauten sozialen Kontexten, wie z. B. in der Familie oder in der Pflegeeinrichtung, ermöglichen eine andere Qualität sozialer Interaktion. Schließlich geht es im Bereich des Identitätskapitals auch um die bereits angesprochene Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit und dem Thema Tod und Sterben. Im Sinne von Erik Eriksons letzter Identitätskrise bieten Bildungsaktivitäten Älteren die Möglichkeit, sich mit der eigenen Biografie auseinanderzusetzen und das eigene Leben positiv zu bilanzieren. Zur Identitätsarbeit gehört aber auch, die eigene Persönlichkeit selbst bei stärkeren kognitiven Verlusten (z. B. demenziellen Erkrankungen) zu erhalten (Berner 2019).

In Befragungen von bildungsaktiven Älteren werden die erwähnten Aspekte immer wieder sowohl als Ergebnisse von als auch als Motive für Lern- und Bildungsaktivitäten genannt (z. B. Kim & Kim 2014; Boulton-Lewis et al. 2016). Während für andere Altersgruppen jedoch über Selbsteinschätzungen hinausgehende empirische Daten zu Erträgen von Bildung vorliegen (Schrader, Ioannidou & Blossfeld 2020), fehlen vergleichbare Indikatoren für das vierte Lebensalter. Diese wären erforderlich, um einerseits die Präsenz der Zielgruppe in Bildungsangeboten zu dokumentieren und andererseits hier auch gegenüber bildungspolitischen Entscheidungsträgern argumentieren zu können (Bertermann 2014). Empirisch belegen lässt sich ein positiver Zusammenhang von Bildungsaktivitäten und Gesundheit (Rees 2020), wobei aber die Frage der Kausalität noch nicht hinreichend geklärt ist.

  1. Digitale Medien und Lernen im hohen Alter

Das Themenfeld der Digitalisierung hat in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erfahren und soll nun abschließend im Hinblick auf die Aneignung sowie die aktive Nutzung als Lernfeld fokussiert werden. Die Generation der heute Hochaltrigen ist erst spät in ihrem Leben mit dem Digitalen in Berührung gekommen. Aneignungsprozesse finden demnach oft erst nach der Berufstätigkeit (Reissmann et al. 2023) und verstärkt in informellen Settings statt. Deutschlandweit sowie auf Landes- und Kommunalebene engagieren sich verschiedene haupt- und ehrenamtliche Initiativen2 mit dem Ziel, die Gruppe älterer Menschen an digitale Geräte heranzuführen (für eine ausführliche Übersicht Göbl 2023). Am stärksten verbreitet sind Freiwilligeninitiativen, aber u. a. auch Angebote von Bildungseinrichtungen und Beratungsangebote (Göbl 2023). Jedoch ist zu vermuten, dass die Adressat:innen den jüngeren Älteren mit höherem Bildungsstand zuzuordnen sind.

Bei der Bevölkerung ab 60 Jahren zählen 81 % zu denen, die mindestens selten online sind, wohingegen dies ab einem Alter von 85 Jahren und aufwärts nur noch 36 % sind (Rathgeb et al. 2022). Neben dem Alter beeinflussen vor allem Faktoren wie das Geschlecht, Einkommen und Bildungsstand, aber auch die Wohnsituation die Nutzung (Doh 2020; Reissmann et al. 2023). Gerade Personen in institutionalisierten Wohnformen haben erschwerten Zugang zum Internet (Endter et al. 2020). Initiativen, die bspw. an der Wohnform ansetzen, können hier einen Beitrag leisten. Das Projekt DiBiWohn verfolgt diesbezüglich einen Peer-Ansatz, bei dem ältere ehrenamtliche Technikbegleitende ihren gleichaltrigen technikfernen Peers aus institutionellen Wohnformen die Nutzung digitaler Geräte näherbringen (Klank et al. 2023). Kennzeichnend ist für das Projekt weiterhin, dass die Anleitung durch die Technikbegleitenden an den jeweiligen individuellen Bedürfnissen der Peers ansetzt und sich damit von gängigen formalen Bildungsangeboten mit vorbestimmten Lernzielen unterscheidet.

Fazit und Ausblick

Gerade im hohen Alter scheint der Grat zwischen Motivierung und Bevormundung, zwischen dem Anbieten von Bildungsgelegenheiten und Lernzwängen schmal zu sein. Aufgrund der in dieser Lebensphase zunehmenden Vulnerabilität und Abhängigkeit von anderen sind Bildungsangebote relevant. Hierbei ist die Ausdifferenzierung der Angebote voranzutreiben, die direkt an den individuellen Interessen der Älteren ansetzen. Bildung darf aber nicht zu einer von außen aufoktroyierten Zumutung werden. Trotz der empirischen Verweise auf die Erträge und Potenziale von Bildung im hohen Alter ist das Nicht-Lernen-Wollen auch und gerade im hohen Alter eine legitime Entscheidung, die es zu akzeptieren gilt.

Gleichzeitig gibt es in den letzten Jahren vor allem international eine zunehmende Zahl von Studien, die nach den Lernbedarfen von Personen fragen, die mit hochbetagten Menschen zu tun haben (z. B. Pflegepersonal und Angehörige), was aber nicht mehr Gegenstand dieses Überblicks sein konnte.

Insgesamt ist der Forschungsstand zu Lern- und Bildungsaktivitäten im hohen Alter aber noch deutlich ausbaufähig und eben auch hinsichtlich der Frage nach dem Fortbildungsbedarf von pädagogischen Fachkräften und anderen Personengruppen, die das Lernen dieser Zielgruppe begleiten. Zugespitzt formuliert stellt sich die Frage, ob die Expertise für das Lernen Hochbetagter ausschließlich bei geriatrischen Fachkräften liegen soll oder ob der Anspruch erwachsenenpädagogischer Professionalität auch in eine Lebensphase hineinreichen soll, die auch von Verlusten in verschiedenen physischen und kognitiven Bereichen geprägt ist. Grundlage hierfür müsste eine vertieftere bildungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem hohen Alter und den darin eingelagerten Lern- und Bildungsbedürfnissen und -potenzialen sein.

Autoren:

Bernhard Schmidt-Hertha, Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Cristina Klank, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „DiBiWohn – Digitale Bildungsprozesse für ältere Menschen in seniorenspezifischen Wohnformen der institutionalisierten Altenhilfe“ an der Katholischen Hochschule Freiburg

 


Die Zeitschrift ist als kostenloser Download erhältlich.

 

Resource Details
Autor der Ressource
Bernhard Schmidt-Hertha, Cristina Klank
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