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Unsere kollektive Verantwortung

Zweiter Artikel der Themenwoche zur Nachhaltigkeit

Der Originalbeitrag wurde ursprünglich von Györgyi Bajka auf ungarisch veröffentlicht.

Verfasser:innen: Dániel Sziva, Katalin Czippán(Cz&K Consulting Kft)


Die fremde Flasche wird leer in drei Zügen, die eigene nicht in zehn, besagt ein Sprichwort. Und tatsächlich, wenn uns etwas gehört, neigen wir dazu, besser darauf aufzupassen als auf gemeinsam genutztes Eigentum. Dafür fühlt sich oft niemand wirklich verantwortlich und es nimmt schneller Schaden. In dem 1968 erschienenen Essay Die Tragik der Allmende (The Tragedy of the Commons[1]) setzt sich der Biologe Garrett Hardin mit genau diesem Phänomen auseinander.[2] Sein Modell mag zunächst fern von unserer Lebenswelt zu wirken, doch bei genauerem Betrachten können wir es sehr gut auf ein besonders aktuelles Phänomen übertragen. Hardin macht auf komplexe ethische und aus dem menschlichen Verhalten resultierende Probleme im Hinblick auf die gegenwärtige Umwelt-, Wirtschafts- und Gesellschaftskrise aufmerksam.

Es war einmal ein kleines Dorf. Am Rande dieses Dorfes befand sich eine Weide, die von neun Landwirt:innen gemeinsam bewirtschaftet wurde. Anfangs ließ jede:r der neun Landwirt:innen eine einzige Kuh dort weiden und jede Kuh gab zehn Liter Milch pro Tag. Eines Tages aber dachte sich einer der Landwirte, dass er seinen Milchertrag doch verdoppeln könnte und stellte eine weitere Kuh auf die Weide. Somit standen dort nun zehn Kühe, die jeweils zehn Liter Milch gaben. Und was für eine Freude für unseren Landwirt, er hatte sein Einkommen verdoppelt! Da dachte sich ein anderer: „Das kann ich auch!“ Und schon hatte auch er eine weitere Kuh auf der Weide stehen. Doch am Ende des Tage mussten die Landwirt:innen feststellen, dass die Kühe nur noch jeweils neun Liter Milch gaben – das Gras auf der Weide reichte nicht mehr für zehn. Trotzdem standen den beiden Landwirten mit den zwei Kühen immerhin noch 18 Liter Milch pro Tag zur Verfügung. Die anderen hingegen hatten einen Verlust von jeweils einem Liter zu verrechnen. Mir nichts, dir nichts stellten auch sie eine weitere Kuh auf die Weide. Doch daraufhin sank der Milchertrag pro Kuh weiter, bis das Gras auf der Weide wegen der vielen Kühe nicht mehr schnell genug nachwachsen konnte. Und es kam der Tag, an dem keine Kuh mehr Milch geben konnte. Die Landwirt:innen waren alle pleite.

Die Geschichte von der Tragik der Allmende zeigt also auf, was passiert, wenn mehrere Individuen im eigenen Interesse gemeinsame Ressourcen erschöpfen, ausbeuten oder gar zerstören. Im Hinblick auf die Überbevölkerung der Erde und die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf eine sich verringernde Menge Ressourcen angewiesen sind, ist die Feststellung Hardins zu Beginn seines Essays besonders einleuchtend: Es komme unter den gegebenen Umständen besonders auf eine sinnvolle und ethische Nutzung der „Allmende“ an.

Garrett Hardin

„Für die Überbevölkerung der Erde gibt es keine technische Lösung. Die Menschheit ist grundsätzlich auf die Anwendung moralischer Grundsätze angewiesen.“

Das Handeln im eigenen Interesse kann zunächst rational und nachvollziehbar anmuten. Denn aus evolutionärer Sicht ist es verständlich, dass sich der Mensch in erster Linie um das eigene Überleben bemüht. Eigennütziges Verhalten geschieht im Sinne der natürlichen Selektion, welche die Weitergabe derjenigen Merkmale und Eigenschaften sichert, die das Überleben des Individuums sowie die Fortpflanzungs- und Anpassungsfähigkeit fördern. Daher neigt der Mensch in Bezug auf gemeinsame Ressourcen dazu, diese wirkungsvoll zu nutzen oder sogar auszubeuten, um dadurch unmittelbar Vorteile zu ziehen. Langfristige Konsequenzen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere sowie kollektive Interessen werden dabei außer Acht gelassen.  Neben der evolutionären Veranlagung des Menschen wird die aktuelle Problemlage zwischen den Landwirt:innen auch dadurch befeuert, dass keine gemeinsam geltenden Vereinbarungen getroffen wurden und keine kollektive Zusammenarbeit entstand. Wenn es kein eindeutiges Eigentumsrecht oder Regelungen zur Nutzung gemeinsamer Ressourcen gibt, sehen Individuen keinen Anreiz für deren Bewahrung oder einen nachhaltigen Umgang mit ihnen. Dieser Problematik wird keine Beachtung geschenkt, solange die Vorstellung herrscht, dass eine bestimmte Ressource endlos verfügbar ist und alle daraus schöpfen können, so viel sie nur möchten. Allerdings ist seit der Industrialisierung infolge der exponentiell wachsenden Weltbevölkerung und der dadurch zunehmenden Nutzung von Ressourcen nicht mehr zu übersehen, dass diese begrenzt und erschöpflich sind.

Und plötzlich wirkt das Problem in der Geschichte von den Landwirt:innen doch zum Greifen nah. Denken wir einmal an die Überfischung der Meere und die maßlose Bewirtschaftung des Ackerlandes. Letztere führt zur Degradation des Bodens, bis dieser unbenutzbar ist. Denken wir an den stetig steigenden Pro-Kopf-Verbrauch bei einem ständigen Bevölkerungswachstum, der in der völligen Ausbeutung der Ressourcen der Erde resultiert. Für ein nachhaltiges Zusammenleben ist es unabdingbar, auf diese Umstände aufmerksam zu machen. Schließlich betreffen die Konsequenzen sich verringernder, erschöpfter oder ausgebeuteter gemeinsamer Ressourcen alle. Solange die entsprechenden Ressourcen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen (bspw., wenn auf einer Weide 18-20 Rinder gut stehen können), ist alles in Ordnung. Mit steigendem Bedarf jedoch ist die Tragödie in Anbetracht eines Planeten mit endlichen Ressourcen jedoch früher oder später unabwendbar. Genau damit beschäftigt sich auch die 1972 erschienene Studie „Die Grenzen des Wachstums“[3], in der Dennis Meadows und seine Mitforschenden auf systemdynamischer Grundlage die Welt modellieren und ein Drehbuch der Zukunft verfassen.

Die Systemdynamik beleuchtet Systeme im Hinblick auf die Eigenschaften verschiedener Elemente, ihre Verknüpfung unter- und Auswirkungen aufeinander sowie die Entwicklung all dieser Faktoren im Laufe der Zeit. Mit Hilfe dieser Methode können Zukunftsszenarien simuliert sowie Probleme erkannt und modelliert werden. Sie erleichtert es, lösungsorientierte Handlungswege zu finden, einzuleiten und anzupassen”.[4] Grundlegende, wiederkehrende Verhaltensmuster werden in der Systemdynamik als Systemarchetypen bezeichnet. Zu diesen zählt auch die Tragik der Allmende und das Verleugnen bestehender Probleme.

Das Werk machte bereits vor 50 Jahren darauf aufmerksam, dass ein unverändertes Verhalten in der Landwirtschaft, beim Konsum und der Müllproduktion schwerwiegende Konsequenzen nach sich zieht, die sowohl die Wirtschaft als auch uns selbst und die Umwelt betreffen. Die Veröffentlichung nannte bereits damals einen Ausweg: nachhaltige Entwicklung. 

Nachhaltige Entwicklung 

„Wissenschaftliche Untersuchungen und Zusammenarbeit haben dazu geführt, dass sich die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im September 2015 auf die Verfolgung von 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) einigten. Diejenigen, die an der Ausarbeitung der Zielsetzungen beteiligt waren versuchten, sich in das Jahr 2030 hineinzuversetzen und Schlüsselprobleme der bis dahin verbleibenden Jahre aus dieser Zukunftsperspektive zu betrachten. Der Hauptfokus des Gedankenexperiments richtete sich auf die Menschheit, den Planeten und das gemeinschaftliche Wohlergehen. Es sollte für alle ein würdiges, gesundes und nachhaltiges Leben ermöglicht werden. Die Ausarbeitung der Ziele erfolgte so, dass bei entsprechender Kooperation und Einhaltung seitens der Regierungen und betroffenen Akteur:innen jedes einzelne davon erreichbar sein sollte. Die gesetzten Ziele betreffen die Gesellschaft (den Welthunger stoppen, Fragen der Gesundheit und der Bildung lösen), die Wirtschaft (würdevolle Arbeit, nachhaltiger Städtebau) sowie die Umwelt (Klimawandel, Schutz von Ökosystemen). Jedes einzelne ist von essenzieller Bedeutung, und gleichzeitig sind alle Ziele eng miteinander verflochten. Über mehrere Jahre hinweg wurden sie von Diplomat:innen, Wissenschaftler:innen, Unternehmer:innen sowie Stellvertretenden ziviler und jugendlicher Bevölkerungsgruppen ausgearbeitet.“ 

Fenntarthatósági célok

Lesen Sie hier mehr über die Ziele der nachhaltigen Entwicklung. 

Die Kenntnis des Fundamentalsatzes, dass in einem begrenzten System kein unbegrenztes Wachstum stattfinden kann, hätte die Landwirt:innen und ihre Kühe retten können. Schließlich stellt die Auseinandersetzung mit den Eigenschaften, Grenzen und Möglichkeiten eines Systems die Grundlage für Nachhaltigkeit dar.

Doch was hätten die Landwirt:innen konkret unternehmen müssen, damit unsere kleine Geschichte gut endet? In dem Moment, als sie den sinkenden Milchertrag feststellten, hätten alle ihre kurzfristigen, persönlichen Interessen in den Hintergrund stellen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten müssen.  Denn das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, eine gerechte, nachhaltige sowie kollektiv kontrollierte und einzuhaltende Milchwirtschaft zu etablieren.

TehenekBildquelle: Astrid860

Die Tragik der Allmende ist somit evolutionär schwer einzuordnen, wird sie doch auch von gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren beeinflusst. Gemeinsame Normen, Werte, Ziele, Glaubenssätze und Gesetze spielen durchaus eine große Rolle. Ausschlaggebend sind hier Sensibilisierung, der gezielte Einsatz von Regierungsmaßnahmen sowie die enge Zusammenarbeit aller betroffener Parteien. András Takács-Sánta macht in seinem Buch [5] auf genau diese Faktoren aufmerksam, indem er die Bedeutung des Wiederauflebens von Dorfgemeinschaften hervorhebt. Im Idealfall legen die Landwirt:innen hier den Eigennutz beiseite, halten als Gemeinschaft zusammen und organisieren sich mithilfe kollektiver Normen im Interesse der Erhaltung der „Weide“.

Nachhaltigkeit lebt vom Einklang persönlicher Interessen mit dem Wohlbefinden der gesamten Gemeinschaft und einem ausgeprägten kollektiven Verantwortungsbewusstsein. Dadurch können negative Auswirkungen eingedämmt und die Ziele für nachhaltige Entwicklung erreicht werden. Denn der Erhalt unseres Planeten für zukünftige Generationen durch Nachhaltigkeit ist die kollektive Verantwortung aller.


Lesen Sie hier weitere Artikel unserer Themenwoche zur Nachhaltigkeit!


[2] Erstmals 1979 auf Ungarisch erschienen in „Társadalmi csapdák“ (Fallen für die Gesellschaft) von Elemér Hankiss

https://www.jelenkor.net/userfiles/archivum/1979-01.pdf

[4] Czippan – Demeter – Papp – Ütőné (2022): Zöld Föld für Fortgeschrittene. Bildungsamt. Budapest https://www.tankonyvkatalogus.hu/site/kiadvany/OH-FNT1112TA

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Kommentar

A jelen és a jövő nagy kérdése egyben véleményem szerint, hogy a cégek és az emberek profitéhségét és a fenntarthatóságot sikerül-e egyensúlyban tartani. A negatív környezeti folyamatokat látva félek, hogy csak egy igen gyors és erőteljes változással lehet esélyünk nem elfogyasztani belátható időn belül a Föld erőforrásait. Azonban ehhez a tanulás minden formájában az aktuálisnál sokkal tudatosabb információ átadásra, -megosztásra van szükség. Tudás nélkül sokkal nehezebb elvárni, hogy megváltozzanak a fogyasztói és a termelői szokások.  Itt merül fel az a kérdés is, hogy a profitot át lehet-e irányítani a növekvő termelés és fogyasztás helyett a minőségi, kevesebb de magasabb értékek felé. Ez a szemléletváltás egyszerre követeli meg a vállalatoktól a fenntarthatóság elemeinek növekvő arányát a termelési folyamatba (pl. ESG szempontok) és az emberek részéről a felelős vásárlói attitűdök növelését. Mindezt azonban tanulni kell, amire folyamatosan lehetőségünk van, hála a korszerű technikának, de szükség van olyan indulási kapaszkodó pontokra, ahol egy-egy témát jobban körül járva tájékozódhatunk a minket érintő és érdeklő kérdésekről.

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