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Sprachmentor*innen für bessere Beschäftigungsverhältnisse in Norwegen

Norwegen möchte anderen Ländern dabei helfen, mit seinem Konzept der Sprachmentor*innen Beschäftigte dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Lesezeit ca. 8 Minuten - Lesen, liken, kommentieren!

Der Originalbeitrag wurde auf Englisch von Mark Gaughan verfasst.


Students sitting in front of their computers, looking towards the teacher sitting on a desk with his back close to the camera

Sprachmentor*in (bzw. Språkmentor)

Norwegen ist sehr stolz auf seine Integration und seine multikulturelle Gesellschaft. Der statistischen Datenbank (SSB) zufolge leben in Norwegen derzeit fast 800 000 Menschen mit Migrationshintergrund, was rund 17 Prozent der Bevölkerung entspricht. In Oslo haben fast 35 Prozent der Einwohner*innen einen Migrationshintergrund. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen muss Norwegisch fließend als zweite Fremdsprache beherrschen, um die steigende Nachfrage auf dem norwegischen Arbeitsmarkt zu decken, da in vielen Branchen wie der Kinderbetreuung und Altenpflege, in denen stets Personal gesucht wird, mindestens Sprachkenntnisse auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verlangt werden.

Ende 2019 vereinbarten das Arbeits- und Sozialamt im Osloer Stadtteil Frogner und das Erwachsenenbildungszentrum Oslo (Oslo VO Servicesenter) eine Zusammenarbeit, um mehr Migrant*innen schneller zu einem Arbeitsplatz zu verhelfen. Obwohl beide Einrichtungen seit langer Zeit eng zusammenarbeiten, was ihre „Dienstleistungsnutzer*innen“ anbelangt, kamen wir zu dem Schluss, dass viele unserer erwachsenen Kund*innen von einer zusätzlichen sprachlichen Unterstützung am Arbeitsplatz profitieren würden.

Deshalb hoffen wir, mit der Konzeption und Entwicklung eines Systems/Modells, bei dem die Bedeutung von Sprache in den Vordergrund gestellt und gefördert wird, vielen Erwachsenen bei der Verschaffung einer dauerhaften Beschäftigung helfen zu können.

Was ist ein*e Sprachmentor*in?

Sprachmentor*innen sind Mitarbeiter*innen, die ihre Kolleg*innen bei der sprachlichen Weiterentwicklung am Arbeitsplatz unterstützen. Als Vorbild dient dabei das schwedische Konzept namens Språkombud, das jedoch weiterentwickelt wurde, um den Bedürfnissen des norwegischen Arbeitsmarkts gerecht zu werden. Sprachmentor*innen sollten in Vollzeit arbeiten und den jeweiligen Arbeitsplatz gut kennen. Sie sollten von der Geschäftsführung oder dem Management unterstützt werden, um das gesamte Arbeitsumfeld ihrer Schützlinge so umzugestalten, dass die sprachliche Weiterentwicklung proaktiv berücksichtigt wird. Im Hinblick darauf haben sie die Aufgabe, die klare Kommunikation zwischen allen Mitarbeiter*innen (und Dritten) zu stärken.

So können sie zum Beispiel Mitarbeiter*innen oder Auszubildenden helfen, deren Muttersprache nicht Norwegisch ist. Alternativ können sie Kolleg*innen bei Fragen im Zusammenhang mit dem alltäglichen Sprachgebrauch unterstützen. Außerdem helfen sie beispielsweise bei Fragen, die die Kultur oder das Verständnis schriftlicher und nicht schriftlicher kultureller Codes am Arbeitsplatz betreffen. Wir hoffen, dass alle teilnehmenden Unternehmen in nicht allzu ferner Zukunft Sprachmentor*innen haben werden und dass der Grundsatz der Sprache am Arbeitsplatz als ebenso wichtig angesehen wird wie der der Gesundheit und Sicherheit.

Wer kann Sprachmentor*in werden?

• Mitarbeiter*innen, die den Wunsch und die Motivation haben, zu einer positiven Sprachentwicklung am Arbeitsplatz beizutragen

• Mitarbeiter*innen, die Norwegisch auf gutem Niveau – mindestens B1 – beherrschen; es wird NICHT verlangt, dass sie Norwegisch als Muttersprache sprechen

• Mitarbeiter*innen, denen an einer guten Kommunikation gelegen ist und die aufgeschlossen sind sowie praktisch und lösungsorientiert handeln

Warum sollte es an jedem Arbeitsplatz Sprachmentor*innen geben?

Sprachmentor*innen bringen viele Vorteile mit sich. Anders Johrén, führender Wissenschaftler am Nyckeltalsinstitutet (in Stockholm, Schweden), hat zu dieser Thematik und zum Konzept des Språkombud geforscht. Dabei kam er zu folgenden Ergebnissen:

Mitarbeiter*innen nehmen viel regelmäßiger, mit mehr Selbstvertrauen und mehr Kompetenz an Gesprächen am Arbeitsplatz teil.

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Steigerung des Selbstvertrauens und der Leistung der Mitarbeiter*innen am Arbeitsplatz.

Nach der Umsetzung des Konzepts besteht in den teilnehmenden Unternehmen ein besseres Arbeitsumfeld als in den nicht teilnehmenden Unternehmen.

In den teilnehmenden Unternehmen melden die Mitarbeiter*innen seltener kurzfristige Erkrankungen.

Es gibt eine potenziell größere Personalbasis: Wer eine Sprache noch nicht völlig fließend beherrscht, kann auch als künftige*r Mitarbeiter*in gesehen werden, statt als ungeeignet aufgrund seiner sprachlichen Einschränkungen eingestuft zu werden.

Es finden seltener Personalwechsel statt, was auch die Kosten senkt.

Das Konzept hat eine langanhaltende Wirkung, die mitunter über viele Jahre fortbesteht (in Abhängigkeit davon, wie oft und wie aktiv die Unternehmen an unserem Programm teilnehmen).

Es entsteht ein Arbeitsumfeld, das stärker multikulturell geprägt und entsprechend kompetent ist.

Die teilnehmenden Unternehmen gelten eher als proaktiv als als reaktiv.

Was genau machen Sprachmentor*innen?

Sprachmentor*innen helfen Mitarbeiter*innen in Unternehmen, die sprachliche Unterstützung brauchen, damit sie Aufgaben verstehen und kompetent ausführen können.

Sie können Bereiche vorschlagen, in denen sprachliche Verbesserungen am Arbeitsplatz erzielt werden sollen, z. B. eine klarere Sprache, Bilder zur Ergänzung oder anstelle von Texten, Verhinderung von Konflikten, Übernahme zusätzlicher Aufgaben wie z. B. Pausengespräche und Gespräche in anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Worin bestehen die Vorteile für die einzelnen Unternehmen?

• kostenlose/günstige Kompetenzentwicklung für die Mitarbeiter*innen, die Sprachmentor*innen werden möchten

• stärkere Konzentration auf sprachliche Herausforderungen und Missverständnisse an den einzelnen Arbeitsplätzen

• keine Kosten für die Umsetzung, da die Schulungen im Rahmen des Programms in ganz Norwegen kostenlos durchgeführt werden

* Die Sprachmentor*innen unterstützen mit ihrem Wissen nicht nur neue Mitarbeiter*innen/Auszubildende in Unternehmen, sondern auch Mitarbeiter*innen, die bereits seit Längerem dort tätig sind, aber nach wie vor sprachliche Schwierigkeiten haben. Die Sprachmentor*innen stellen auch für das Management und andere Mitarbeiter*innen eine Ressource dar, beispielsweise bei Sitzungen der Personalabteilung, in formellen/informellen Umgebungen am Arbeitsplatz usw.

 

word cloud

Wie funktioniert das Modell?

Wer Sprachmentor*in werden möchte, muss an vier Seminaren teilnehmen (die meist jeweils sechs bis sieben Stunden dauern). Diese Seminare finden üblicherweise im Abstand von wenigen Wochen statt, wobei der Kurs auch schon an vier aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt wurde. Wir bevorzugen allerdings Pausen zwischen den einzelnen Seminaren, damit die Teilnehmer*innen die Zeit dazwischen nutzen können, um über das Konzept nachzudenken und besser zu verstehen, worin ihre künftige Rolle besteht und wie die teilnehmenden Unternehmen ihre Sprachmentor*innen integrieren können.   

Wie kann ich Sprachmentor*in werden?


Im Laufe der Seminare nehmen die künftigen Sprachmentor*innen an praktischen und schriftlichen Übungen teil. Diese finden ergänzend zu den verschiedenen Aufgaben statt, die sie zwischen den einzelnen Seminaren erledigen müssen. Dies kann zum Beispiel die Erarbeitung eines Aktionsplans für das eigene Unternehmen oder die Diskussion des Konzepts mit der Geschäftsführung sein.

Der Kurs wird von zwei Leiter*innen erbracht, die Erfahrung mit dem Konzept gesammelt haben oder für die Erstellung des Kurses in Norwegen zuständig waren. Jedes Seminar dauert ca. sechs bis sieben Stunden, in denen allerdings schon die Mittagspause und mehrere Kaffeepausen enthalten sind, die auch Interaktionen zwischen den Teilnehmer*innen und/oder Kursleiter*innen ermöglichen.

Das Arbeits- und Sozialamt von Frogner und das Erwachsenenbildungszentrum Oslo haben auch einen eigenen „Schnellkurs“ für Führungskräfte konzipiert, die das Konzept verstehen müssen, aber nicht selbst täglich als Sprachmentor*in tätig sein werden.

 

 

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Unterstützung/Finanzierung des Projekts/Eigentum an dem Projekt in Norwegen

Bisher erhielt unser Projekt finanzielle Unterstützung durch die Statsforvalteren – (Bezirksregierung von Oslo und Viken) und den OU Fondet (Entwicklungsfonds der Stadt Oslo). Aktuell ist die Finanzierung bis April 2022 gesichert.  Für unser Konzept, Modell, Logo und den Inhalt haben wir auch eine Markeneintragung beantragt.

Zwei verschiedene Modelle (Das „Språkmentor“-Modell und das „Frogner-Modell“)

Für die Sprachmentor*innen haben wir zwei verschiedene Modelle entwickelt: Das erste Modell ist der „Språkmentor“, bei dem möglichst viele Sprachmentor*innen in den Bereichen ausgebildet werden, in denen unserer Ansicht nach der größte Bedarf besteht.

Das zweite Modell ist eine Abwandlung davon, die wir als „Frogner-Model“ bezeichnen. Bei diesem komplexeren Modell werden Instanzen wie das Arbeits- und Sozialamt, Yrkesrettet Norskopplæing (Arbeitsplatzbasierter Spracherwerb) und die sogenannten Trainees einbezogen.


Beim Frogner-Modell wird zunächst das Arbeits- und Sozialamt gebeten, verschiedene Unternehmen mit entsprechenden Personalbedarf im und um den Stadtteil Frogner zu ermitteln. Diese Unternehmen können sämtlichen Branchen angehören, sind jedoch meist in Bereichen mit mittlerem bis hohem Personalwechsel wie der Kinderbetreuung und Pflegeheimen usw. angesiedelt. Sobald wir genug Unternehmen mit entsprechendem Personalbedarf gefunden haben, suchen wir dann intern nach geeigneten Bewerber*innen für die betreffenden Stellen. Im Rahmen des Einstellungsverfahrens führen wir Gespräche mit den Bewerber*innen (um ihre Motivation und ihre beruflichen Ziele zu beurteilen) und lassen sie verschiedene Sprachtests absolvieren, um ihr Niveau nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen in Bezug auf Lesen, Schreiben, Hörverständnis und Sprechfähigkeiten zu bestimmen.

Darüber hinaus können wir Unternehmen auch unterstützen, indem wir ihnen verschiedene Möglichkeiten anbieten, die hoffentlich die Chancen der Trainees auf dauerhafte Beschäftigung erhöhen. Hier können wir als erstes anbieten, eine*n Sprachmentor*in innerhalb des Unternehmens auszubilden. Darüber hinaus bieten wir den Trainees ein wöchentliches Sprachtraining am Arbeitsplatz durch eine qualifizierte Lehrkraft an, die vom Arbeits- und Sozialamt in Frogner bezahlt wird.

Ungewöhnlich an dieser Herangehensweise ist, dass die jeweilige Lehrkraft in einem nicht klassenzimmerbasierten Rahmen an den Arbeitsplatz kommen und in Abhängigkeit vom Bedarf des jeweiligen Unternehmens Sprachunterricht auf exakt dem benötigten Niveau anbieten kann. Untersuchungen von FAFO und Proba haben unter anderem gezeigt, dass auch der Arbeitsplatz ein äußerst wichtiger Lernort für die Verbesserung von Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten sein kann, und dass es sich lohnt, darauf hinzuweisen, dass Unterricht im Klassenzimmer nicht für alle Menschen geeignet ist.  Neben dem Unterricht durch eine Lehrkraft kann das Arbeits- und Sozialamt auch verschiedene finanzielle Anreize anbieten, beispielsweise den „lønnstilskudd“ (Lohnkostenzuschuss), bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein Teil des Lohns der Trainees übernommen wird, sodass sie spezielle Fähigkeiten während der Arbeit erwerben können und die Unternehmen gleichzeitig Geld sparen.

 

 

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