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Soft Skills Inventory: Einordnung eines Ansatzes in die Debatte über Life Skills

Wie passt der Ansatz eines ""Soft Skills Inventory" (SSI), den ein Team portugiesicher Forscher:innen entwickelt hat, zur Debatte über Life Skills?

Soft Skills Inventory: ein Indikator für Erfolg?

Welche Kompetenzen braucht mann/frau in der VUCA-Welt* von heute und morgen? Und: sind Kompetenzen das Gleiche wie Skills? Auch (aber nicht nur) in der Erwachsenenbildung gibt es immer wieder Ansätze, die essentiellen Kompetenzen zu identifizieren, die die gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft, damit auch im Beruf, möglich machen. Der Begriff der Kompetenz ist dabei bereits wichtig: wie unterscheidet er sich von Begriffen wie Skills, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen? Ohne diese Diskussion hier ausbreiten zu wollen, ist es wichtig zu wissen, dass im englischen Sprachraum die Gleichsetzung von Kompetenzen und Skills wesentlich näher liegt. Dagegen sind im deutschen Sprachraum die «Skills», also Fertigkeiten, Teil von Kompetenz, werden aber ergänzt um das Wissen und den Willen, in einer bestimmten Situation Wissen und Fertigkeiten einzusetzen, um eine Aufgabe zu bewältigen. Zu diesen Skills gehören «hard skills» und «soft skills». Die «hard skills» sind technische, handwerkliche, fachlich gebundene Skills, während «soft skills» transversal sind, also in verschiedenen Bereichen des Lebens (und der Berufswelt) einsetzbar und notwendig sind.

Was für die Berufswelt und andere Lebensbereiche von Erwachsenen gilt, hat auch seine Bedeutung im Studium. Welche «soft skills» sind wichtig, um Erfolg im Studium zu haben? Diese Frage wurde von vier Forscher*innen aus portugiesischen Universitäten untersucht und in einem methodisch interessanten Forschungsdesign beantwortet.

Soft Skills Hut.

Das Forschungsdesign des SSI

Die Forscher*innen haben zuerst eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zu diesem Thema zu Rate gezogen und auf diese Weise mehr als 180 verschiedene Items identifiziert. Items waren dabei nicht gleichzusetzen mit Skills, sondern sie entsprachen eher Aussagen wie z.B.: «wenn ich im Studium Probleme habe, dann suche ich mir Unterstützung durch Freunde oder Kommiliton*innen». Nach ausführlichen Gesprächen mit Expert*innen aus dem Feld der Pädagogik wurden dann ca. 80 dieser Items als redundant oder nicht aussagekräftig wieder aus der Untersuchung eliminiert.

Dann wurden ca. 2000 Studierende verschiedener Universitäten und Fachrichtungen gesucht, die bereit waren, an einer Untersuchung teilzunehmen. Sie wurden in Form von Selbstreports befragt. Am Anfang stand die Frage nach der eigenen Einschätzung ihres bisherigen Studienerfolgs: auf einer Skala von 1-10 konnten sie diesen einschätzen. Danach erst haben sie dann die ca. 100 Items ebenfalls mit einer Likert-Skala für sich bewertet. Statistisch untersucht wurde dann die Korrelation zwischen dem (selbst eingeschätzten) Erfolg im Studium mit dem (ebenfalls selbst eingeschätzten) Vorhandensein bestimmter Skills, die in Items ausgedrückt waren. Nach dieser Phase wurden die Items zu Skills gruppiert. Ein Skill drückte sich also in mehreren Items aus.

Nach dieser Explorationsphase, an der nur etwa die Hälfte der Studierenden beteiligt waren, wurde die zweite Hälfte der Studierenden mit den nun entwickelten Skills-Clustern dem gleichen Design unterzogen: selbst eingeschätzter Studienerfolg vs. Selbsteinschätzung. Dabei wurden 6 Skills-Cluster als besonders hoch korreliert identifiziert. Diese sind aus der Sicht der Autor*innen besonders aussagekräftig für den Studienerfolg und ausserdem weisen sie auch, dies ist aber eher Mutmassung als wissenschaftliche Erkenntnis, auf den Erfolg im Beruf hin.

Das Ergebnis: SSI

Welche Skillsets sind also die «Erfolg versprechenden»?

Die Autor*innen benennen die folgenden (die Übersetzungen sind von mir):

  • Self determination: Selbststeuerung
  • Resilience: Resilienz 
  • Empathy: Empathie
  • Assertiveness: Durchsetzungsvermögen
  • Social Support: Soziale Unterstützung (geben und annehmen können)
  • Teamwork: Kollaboration (-sfähigkeit).
  • Dieses Set von Soft Skills bezeichneten die Forscher*innen als Soft Skills Inventory (SSI).
     

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SSI und Life Comp: wie passt das zusammen?

So weit, so gut. Wie passen nun diese Kernkompetenzen zu anderen Kompetenzrahmen, z.B. den Schlüsselkompetenzen, wie sie von der EU 2018 beschrieben wurden, oder zu dem seit 2020 entwickelten Life Skills, die im sogenannten Life Comp (Life Competencies) benannt wurden?

Nach dem Lesen des Artikels über das Soft Skills Inventory beschäftigte mich diese Frage. Daher habe ich auf der Konferenz «Life Skills» der Nationalen Agentur (23./24.9.2021 in Erfurt) die Gelegenheit genutzt, diese Frage in einer Session des Barcamps zu stellen.

Ohne eine ausführliche Diskussion über den Kompetenzrahmen «Life Skills» (Life Comp) hier führen zu können (dies hat Gina Ebner bereits in einem Artikel auf EPALE getan und es werden zeitnah weitere Beiträge auf EPALE erscheinen): die Diskussionsbeiträge waren sehr interessant und zeugten davon, dass auch andere Teilnehmer*innen die In-Bezug-Setzung dieser unterschiedlichen Ansätze nicht einfach finden.

Die folgenden Fragen und Beiträge aus der Diskussion waren aus meiner Sicht wichtig:

  • Wie verhält sich das SSI zu dem 4 K-Modell? Besonders das Fehlen von kritischem Denken und Kreativität war auffällig. Spielen diese Kompetenzen keine Rolle für den Erfolg im Studium? Gerade von Arbeitgeber*innen werden sie immer wieder als Kompetenzen der Zukunft beschrieben.
  • Es fehlen im SSI Kompetenzen, die auf Lernfähigkeit hinweisen (Learning to learn). Diese sind im Life Comp vorhanden.
  • Andererseits ist das Durchsetzungsvermögen im SSI eines von 6 wichtigen Kernkompetenzen, dieses hat keine Entsprechung im Life Comp. Ist dies der Tatsache geschuldet, dass diese Kompetenz im Studium notwendiger ist als im "Real Life"? 
  • Und: ist Resilienz ein Skillset oder ist es eigentlich das Ergebnis von Lernen/Bildung?
  • Zeugt der Ansatz des SSI vor allem von einer Anpassung an die Institution Universität mit ihren typischen Machtverhältnissen?
  • Wie verhält sich der Kompetenzrahmen des «EntreComp» (Entrepreneurship Competences, 2016) zum SSI? Hier werden im Bereich der Ressourcen Motivation und Selbstwirksamkeit genannt. Allerdings muss hier festgehalten werden, dass dieser Kompetenzrahmen aus einem anderen Selbstverständnis heraus entwickelt wurde: mit dem Blick auf die benötigten Kompetenzen in der Arbeitswelt.
  • Für viele Fragestellungen (z.B. nach Lernzielen in EU-Projekten) ist aber der Bezugsrahmen nicht entscheidend, oft sind die entsprechenden Begriffe vor allem «Buzzwords».
  • Eine wichtige Frage war, ob und wenn ja wie diese Kompetenzen durch Lernen/Bildung gebildet und gefördert werden können.

Auch in den weiteren Aktivitäten der Konferenz gab es viele Anknüpfungspunkte. Eine ausführliche Dokumentation der Tagung wird kurzfristig auf der Seite der Nationalen Agentur (NA beim BIBB) zur Verfügung gestellt.

Und was bedeutet das jetzt?

Aus meiner Sicht ist die Frage, welcher Kompetenzrahmen der «Eigentliche» ist, nachrangig zu einer anderen Frage: welches Wissen haben Menschen, die in der Erwachsenenbildung arbeiten, über diese Bezugsrahmen und wie können sie die entsprechend für wichtig erachteten Kompetenzen in ihren Lehr- und Lerntätigkeiten fördern? Die entsprechenden Kompetenzrahmen für Erwachsenenbildner*innen selbst (z.B. der u.a. vom DIE entwickelte Kompetenzrahmen GRETA) sollten daraufhin geprüft werden, wieweit Wissen über diese Bezugsrahmen und die darin enthaltenen «wichtigen» Kompetenzen zum notwendigen Wissensbestand für in der EB Tätige gehören sollten und wie die Vermittlungskompetenz zu deren Förderung darin verankert ist.

 

*VUCA: volatile, uncertain, complex and ambivalent.


Quellen:

Lebensaufgaben (und Kompetenzrahmen) | EPALE (europa.eu) (Gina Ebner)

Jacinto Jardim e.a. : The Soft Skills Inventory: Developmental procedures and psychometric analysis, in : Psychological Reports 0(0) 1–29 ! The Author(s) 2020 Article reuse guidelines: sagepub.com/journals-permissions DOI: 10.1177/0033294120979933

https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/297a33c8-a1f3-11e9-9d01-01aa75ed71a1/language-en

JRC Publications Repository - LifeComp: The European Framework for Personal, Social and Learning to Learn Key Competence (europa.eu)

JRC Publications Repository - EntreComp: The Entrepreneurship Competence Framework. (europa.eu).

Home - Greta (greta-die.de)

 

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