Mit Erasmus+ und der Volkshochschule Lippe-West Europa zukunftsfest machen

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Wilhelm Steinmann unterrichtet Französisch an der Volkshochschule Lippe-West. Während seiner Auslandsaufenthalte in Tours setzte er sich auch mit historischen und kulturellen sowie aktuellen gesellschaftspolitischen Begebenheiten in Europa auseinander.
In einem Europa, das sich zunehmend wie eine Festung abschottet gegen Menschen, die ihre Heimat verlassen und sich auf den Weg der Migration begeben,
in einem Europa, das zunehmend seine christlich-humanitären Werte verrät und Menschen im Mittelmeer ertrinken läßt,
in einem Europa, in dem zunehmend längst überwunden geglaubte Nationalismen zurückkehren bis in die Mitte der Gesellschaften und die (partei-)politischen Landschaften grundlegend erschüttern,
in einem solchermaßen veränderten und herausgeforderten Europa gewinnt die Arbeit der Volkshochschulen verstärkt an Bedeutung mit ihrem Anspruch, durch sprachliche und lebenspraktische Bildungsangebote einen Beitrag zur Entwicklung einer Kultur des Willkommens, zur Integration und damit zu einem Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten.
Dazu ist es eminent wichtig, das Personal zu qualifizieren und deren Kompetenzen zu stärken. Genau hier setzt das EU-Projekt: 'Fortbildungen in Sprachen, digitalen Medien, Alphabetisierung und Flüchtlingsarbeit (FiSdiMAF)' im Rahmen von Erasmus+ Mobilität in der Erwachsenenbildung an, in dem Leiterinnen und Leiter von Sprachkursen in der Zeit vom 1.7.2018 bis zum 30.6.2020 die Möglichkeit haben, an strukturierten Fortbildungskursen teilzunehmen. In diesem Projekt geht es darum Kenntnisse und Fertigkeiten in den Bereichen digitale Medien, Sprache und Sprachvermittlung, Methodik und Didaktik, interkulturelle Kompetenz zu erweitern und zu perfektionieren. Durch diese Qualifizierung der Sprachkursleitenden will das Projekt einen Beitrag leisten zur Internalisierung und Professionalisierung der Weiterbildung in den Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen.
Vor diesem Hintergrund ist mein Lernaufenthalt in der Zeit vom 13. - 24.8.2018 in der Stadt Tours im 'Garten Frankreichs' zu sehen. Die Stadt und ihre Umgebung sind geographisch bestimmt durch die über 1000 km lange, eindrucksvolle, naturbelassene Loire und kulturell durch eine wechselvolle Geschichte, von der die vielen, zahlreichen interessierten Besuchern gekonnt präsentierten Schlösser zeugen.
Von Martin über Leonardo zu Erasmus
Bereits im Jahr 2016 konnte ich an einem Fortbildungsaufenthalt in Tours partizipieren. Im Unterricht in internationaler Lerngemeinschaft konnte ich Sprachkenntnisse vertiefen und Gedanken austauschen; in der unterrichtsfreien Zeit erschloss sich mir das Nachbarland in vielfältigen, mir zum Teil neuen Eindrücken. Hierzu zählt auch die Begegnungen hinsichtlich zweier Jubilare, aus den Jahren 316 und 1516.
Im Jahr 316 wird im heutigen Ungarn Martin geboren. Er kommt später als römischer Soldat ins Zentrum des heutigen Frankreichs. Dort begegnet er eines winterlichen Tages einem frierenden Armen und teilt mit ihm seinen wärmenden Mantel. Zum christlichen Glauben konvertiert wird er später Bischof von Tours. Die Stadt feierte in 2016 den Geburtstag dieses vielerorts – auch bei uns - verehrten Heiligen vor 1700 Jahren und stellt sich dabei als 'Stadt des Teilens' (Ville du Partage) dar.
Im Jahr 1516 kommt der 64-jährige italienische Maler, Ingenieur und Architekt Leonardo da Vinci nach Lebensstationen in Florenz, Mailand, Mantua, Venedig, Rom und Bologna auf Einladung des französischen Königs Franz I an dessen Hof in Amboise an der Loire unweit der Stadt Tours. Der geniale Kopf der Renaissance verbringt dort seine drei letzten Lebensjahre mit kreativem Schaffen. 500 Jahre später, im Jahr 2016, wird in Amboise dieses Ereignisses in besonderen Ausstellungen und Veranstaltungen gedacht.
Die Berührung mit Vergangenem durch die Wahrnehmung dieser beiden Jubiläen, die mir im Vorfeld nicht bekannt waren, hat bei mir einen 'Blick zurück nach vorn' ausgelöst. Mir wurde bewusst: Wo in früheren Zeiten Kaiser und Könige/Fürsten veranlassen konnten, dass Menschen 'ihr' Land verlassen, und so als 'Sponsoren für (berufliche) Mobilität' von ausgesuchten Personen (Soldaten zunächst, später Künstler) fungierten, ist es heute die Europäische Union als demokratisch legitimierte Institution, die mit ihren Erasmus+ Programmen in einer nunmehr 'kleiner gewordenen Welt' Mobilitätsangebote für Ausbildung und Beruf macht, die für alle BürgerInnen zugänglich sind. So eröffnet die Europäische Union Menschen einen Zugang zu anderen Ländern und Kulturen.
Europa in einer Zeit von Flucht und Migration
Mir wurde darüber hinaus bewusst und durch Teilnahme an dem Programm unmittelbar erlebbar, wie wichtig solche Angebote gerade in der heutigen, durch die große Zahl geflüchteter Menschen bestimmten Situation unseres Landes sind. Die durch sie ermöglichten Erfahrungen im Ausland schärfen den Blick über den 'nationalen Tellerrand' hinaus und damit den Sinn für einen international geöffneten Horizont des Fühlens, Denkens und Handelns. Sie machen empfindsam für die Notwendigkeit der Entwicklung einer Willkommenskultur im eigenen Lande.
Ausrichter meines Lernaufenthaltes 2018 war erneut das renommierte 'Institut de Touraine', mit dem die Volkshochschule Lippe-West kooperiert.

- durch die sprachliche Arbeit wurden Kenntnisse vertieft und erweitert,
- durch die unterrichtliche Verwendung digitaler Medien wurden Kompetenzen gestärkt,
- durch die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wurden inhaltlich und sprachlich Kenntnisse vertieft,
- durch Gespräche und Austausch in international zusammengesetzten Lerngruppen wurde der Vergleich des Fremden mit dem Eigenen ermöglicht, Offenheit für Begegnung, Akzeptanz, Verständnis gefördert und so interkulturelle Kompetenz vertieft.
Zugleich konnte ich - auch durch außerunterrichtliche Aktivitäten und Kontakte – für zwei Wochen in die Realitäten der französischen Alltagskultur mit ihren geschichtlichen Bedingtheiten und ihren internationalen Verflochtenheiten eintauchen. So bin ich sicher, dass die verschiedensten Erfahrungen und Anregungen (sprachlich, fachlich, menschlich) in meine Arbeit als Sprachlehrer an der Volkshochschule Lippe-West einfließen und sie bereichern werden.
Von Herzen dankbar bin ich der Europäischen Union für die Möglichkeit und finanzielle Förderung der Teilnahme an dem Programm und der VHS Lippe-West für deren kompetente Organisation, sachkundige Unterstützung und engagierte Begleitung.
Im 31. Jahr nach seiner Einführung ist das Erasmus-Programm vielleicht wichtiger denn je! Seine Fortentwicklung geht in die richtige Richtung – gerade in der gegenwärtigen Situation Europas und unserer Welt...
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St. Martin, Leonardo da Vinci und Herr Steinmann