LGBT-DISKRIMINIERUNGSSCHULUNG FÜR DIE POLIZEI



[Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Französisch veröffentlicht. Er wurde von EPALE Frankreich übersetzt]
FLAG! ist ein parteipolitisch unabhängiger und nicht mit Gewerkschaften oder Versicherungsträgern verbundener Verein, der sich gegen alle Formen der Diskriminierung von LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle) innerhalb des Justiz- und Innenministeriums einsetzt. Ein weiteres Ziel des Verein besteht darin, Opfer des Strafrechtssystems zu unterstützen und die Beziehungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und Opfern aus der LGBT-Gemeinschaft zu verbessern. FLAG organisiert Sensibilisierungsschulungen in Polizei- und Gendarmerieausbildungsstätten, um die beruflichen Praktiken zu verbessern. FLAG ist Mitglied der europäischen EUROPEAN LGBT POLICE ASSOCIATION, die ihrerseits Mitglied des NRO-Komitees innerhalb des Europarats ist.

Ich sprach mit Johan CAVIROT, dem Präsidenten des Vereins. Er ist leitender Ingenieur für Informations- und Kommunikationssysteme bei der Zentraldirektion der Grenzpolizei und Reservist der Gendarmerie nationale. Innerhalb dieser Institutionen hat er Kenntnisse in den drei Hauptsektoren des Innenministeriums erworben. Er ist Ausbilder im Ministerium und als solcher kennt und praktiziert er verschiedene Methoden der Erwachsenenbildung.
- In den von FLAG veranstalteten Schulungen wenden Sie sich an Menschen in der beruflichen Ausbildung. Die Inhalte sind klar. Aber welche Kompetenzen sind es, die Ihr Team vermitteln möchte? Soziale Kompetenzen, Wissen, Querschnittskompetenzen (Fähigkeit zum Zuhören / Empathie /...).
Unsere Schulungen verfolgen mehrere Ziele. In erster Linie zielen sie darauf ab, die Kenntnisse der angehenden Polizistinnen und Polizisten über die LGBT+ Personen zu erweitern, zu vermitteln, was jenseits von Vorurteilen und vorgefassten Meinungen hinter diesen Buchstaben steckt, und spezifische Begriffe zu erläutern. Wir möchten dabei auch die besondere Vulnerabilität dieser Opfer angesichts ihrer oft gesellschaftlichen und familiären Isolation hervorheben. Tatsächlich ist Suizid unter LGBT-Personen nach einer Aggression aufgrund LGBT-Phobie viel häufiger (60 % haben innerhalb eines Jahres nach dem Angriff Suizidgedanken, verglichen mit 5% bei heterosexuellen Personen, die Opfer mit demselben Gewaltniveau waren).
Um mit dieser Empfindlichkeit umzugehen, ist es wichtig, dass Polizeibeamte bzw. Gendarme den Opfern zuhören und sich in sie hineinversetzen, damit das Opfer nicht das Gefühl bekommt, verurteilt zu werden und sich selbstbewusst genug fühlt, um über etwas Intimes zu sprechen. Man kann so einen Angriff nicht wie ein gestohlenes Handy oder ein Graffiti an einer Hausfassade behandeln.
Weiterhin ist es wichtig, dass die Strafverfolgungsbeamten in der Lage sind, den erlittenen Übergriff, diesmal im juristischen Sinne, richtig einzuordnen, um die richtigen erschwerenden Umstände und die Elemente zu ermitteln, die es der Staatsanwaltschaft dann ermöglichen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Polizei und Gendarmerie sind wirklich die ersten Glieder in der Betreuung der Opfer, und wenn da etwas schief geht, können die Folgen für das Opfer tragisch sein.
Die Behörden sind sich dieser Dringlichkeit voll bewusst. Darüber hinaus fordert der neue Regierungsplan zur Bekämpfung von LSBT-Phobie die Stärkung dieses Bewusstseins unter den Polizeikräften, insbesondere schon während der Ausbildung. Die Schulungen bieten ebenfalls Gelegenheit, über Identität und Geschlecht nachzudenke.

- Erhalten die Auszubildenden eine „Anerkennung“ für ihre Teilnahme? Ein Zeugnis? Ist es gut für ihre „Karriere“?
Eine besondere Anerkennung in Form eines Diploms oder Zeugnisses gibt es nicht, Fragen zu dem Gebiet können jedoch Teil der Abschlussprüfung sein und die Polizeischüler*innen müssen sie dann richtig beantworten, um die Ausbildung zu bestehen und somit Polizist bzw. Gendarm werden zu können.
Diese Schulung wird vielleicht nie direkt zu einer Beförderung führen, aber ein unangemessen behandeltes Opfer reicht aus, um eine menschliche Tragödie auszulösen.
- In Europa gibt es ähnliche Vereine wie FLAG. Gibt es zum Thema Ausbildung Austausch und Treffen? Über den Austausch von Methoden, über die verwendeten Tools?
Ja, gibt es. Der Austausch findet über die European LGBT Police Association statt, zu deren Gründungsmitgliedern FLAG! gehört. In dieser Vereinigung sind alle FLAG! entsprechenden Vereine Europas vertreten. Bei den Arbeitssitzungen ist die Ausbildung ein eigenständiges Thema, denn neben der Betreuung der Opfer ist sie auch ein wichtiges Thema dies trägt auch zum Kampf gegen LGBT-Phobie bei, die sich innerhalb von Institutionen oder im Umfeld eines Polizisten oder Gendarmen bestehen kann.
- Welche Tools werden allgemein verwendet? Schriftliche Dokumente? Digitale Tools? Online-Schulung? MOOC?
Wir verwenden für die Schulungen eine PowerPoint-Präsentation und geben dann jedem Schüler ein PV FLAG!, das die 61 Verstöße enthält, bei denen erschwerende Umständen in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität bestehen. Wir haben auch eine FLAG!-App., mit der man diese Verstöße auf dem Smartphone abrufen kann. FLAG! stellt sicher, dass die Liste entsprechend den Entwicklungen der Gesetzgebung aktualisiert wird.
Wir haben noch keinen Fernunterricht, da dieses Thema einen direkten Austausch mit den Auszubildenden erfordert. Nicht alle haben den gleichen Hintergrund, die gleichen Vorurteile zu diesem Thema, das wirklich Intimität, Liebe und sexuelle Anziehungskraft berührt.
Abschließend fügt Johan CAVIROT hinzu: „Unsere Schulungen sind Teil der Erstausbildung, aber heute sind bereits 250.000 Polizist*innen im Einsatz, die man nur schwer mit einer Kurzschulung zu diesem Thema schulen kann. FLAG! wünscht sich eine Erhöhung der Zahl von Verbindungsbeamten, wie es in Paris bereits der Fall ist. Diese Beamt*innen sind nicht nur gut geschult, sondern sind, da es sich um eine Vollzeitstelle handelt, auch in der Lage, wachsam zu sein und eine ständige Weiterbildung zu diesen Themen aufrechtzuerhalten. Sie ist dann eine wertvolle Ressource für alle Polizist*innen, die bereits in der Einheit sind.“
Wir sind uns auch einig, dass diese Arbeit bei der Erstausbildung auch zu einer Grundlage für die Weiterbildung werden kann und vor allem, dass sie auf andere Berufe wie Lehrer, medizinisches oder pädagogisches Personal, ... übertragen werden könnte.
Gespräch aufgezeichnet von David LOPEZ, EPALE Frankreich Botschafter
Web-Ressourcen: