Informelle Lernräume in Einrichtungen der Erwachsenenbildung – oder: Lernen und Arbeiten in Zeiten des digitalen Wandels


Informelle Lernräume in Einrichtungen der Erwachsenenbildung – oder:
Lernen und Arbeiten in Zeiten des digitalen Wandels
Eine der meistgestellten Fragen, die uns im Zuge unserer Tätigkeit als Organisationsentwickler im Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung über den Weg läuft, ist die nach den wichtigsten Veränderungen für Weiterbildner*innen im Zuge der digitalen Transformation. Seit 2015 beschäftigen wir uns bei der k.o.s im öffentlich geförderten Projekt „weitergelernt“ mit dem Thema „Digitalisierung in der Weiterbildung“. Unser Auftrag ist es dabei, Weiterbildungseinrichtungen in Berlin dabei zu unterstützen, ihre Personal- und Angebotsentwicklung an die neuen (digitalen) Herausforderungen anpassen zu können.
Die Fragen, die mit dem Thema Lernen im digitalen Raum verbunden sind, sind dabei eigentlich nicht neu. Bereits Anfang der 90er Jahre wurden im Kontext der Einführung multimedialer Lernsoftware und der ersten E-Learning-Angebote auch erste Lernkonzepte für ein verändertes Lerngeschehen entwickelt. Im Zuge der Entwicklung des Web 2.0 sowie den vielfältigen Nutzungsformen mit und durch Open Educational Resources (OER), Webinaren und Massive Open Online Courses (MOOCs) ist es aber immer noch eine aktuelle Herausforderung, Lernkonzepte im Kontext neuer Bildungsangebote weiterzuentwickeln.
Nur, wie kann das gelingen? Wie können Einrichtungen bestehende Bildungsangebote (digital) weiterentwickeln? Und welche Kompetenzen müssen dafür auf Ebene der Akteure und der Organisation entwickelt werden?
Social-Blended-Learning
Eine Möglichkeit, mit der wir in der Erwachsenenbildung sehr gute Erfahrungen sammeln, geht zurück auf Annette Kuhlmann und Werner Sauter. Sie nennen es informelles selbstorganisiertes Lernen in (digitalen) Netzwerken, genauer „Social-Blended-Learning“. Auch dieses Lernsystem ist keineswegs neu. Aber wie sagte schon Karl Valentin: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Und manchmal brauchen die Dinge etwas Zeit, um ihren Platz zu finden.
Aber was ist Social-Blended-Learning und warum eignet es sich für die Erwachsenenbildung? Nach Kuhlmann/Sauter ist es ein kompetenzorientiertes Blended Learning, das mit einem herausfordernden Praxisprojekt verbunden wird und unter Einbeziehung einer Social Software, informelles, selbstorganisiertes und vernetztes Lernen ermöglichen soll.
Blended Learning
Also, der Reihe nach. Blended Learning meint ein hybrides Lernsetting, das virtuelle und nicht-virtuelle Lernräume kombiniert – also die Verbindung von Präsenz- und Online-Angeboten. Diese Lernsettings können sich hinsichtlich ihres sogenannten Virtualisierungsgrades stark voneinander unterscheiden. Sowohl ein hauptsächlich in Präsenz durchgeführtes Bildungsangebot, das lediglich durch vereinzelte Online-Elemente angereichert ist, als auch ein überwiegend online durchgeführtes Bildungsangebot, das durch eine gemeinsame Präsenzauftaktveranstaltung eröffnet wird, werden als Blended-Learning-Formate bezeichnet. Also, aufgepasst: Blended Learning ist nicht gleich Blended Learning!
Praxisprojekt
Das eigene herausfordernde Praxisprojekt soll dafür Sorge tragen, dass die Lernenden ihren Kompetenzerwerb im Rahmen des Lernarrangements selbst organisieren, und zwar von der eigenen Zieldefinition über die inhaltliche Konzeption, Gestaltung und Umsetzung bis hin zur Erfolgskontrolle. Warum ist das wichtig? Weil es durch die Auswahl eines eigenen Problems, Hindernisses, einer eigenen Idee erst echt wird. Es ist mein Wunsch, das anzupacken. Ich bin selbst an einer Lösung interessiert und dadurch in hohem Maße motiviert, diese Lösung auch zu finden. Das Praxisprojekt soll also ein Projekt sein, dass mich in meinem eigenen Arbeitskontext umtreibt, beschäftigt, vielleicht schon länger stört oder dessen Umsetzung mich einfach erstmal nur reizt.
Im Kontext der Digitalisierung kann das beispielsweise die digitale Anreicherung eines bereits konzipierten und erfolgreich durchgeführten Bildungsangebotes sein. Oder die Umsetzung der organisationsinternen Kommunikationsprozesse oder des internen Wissensmanagments über eine digitale Anwendung.
Social Software
So weit, so klar. Aber warum braucht es jetzt noch eine Social Software? Oder: was ist das überhaupt? Wikipedia verweist auf eine Definition von Tom Coates, dem Social Software Pionier. Laut Coates handelt es sich dabei um eine Software, die „menschliches Sozialverhalten unterstützt, erweitert oder ableitet“. Social Software sollte demnach vier übergeordnete Funktionen erfüllen: Informationsmanagement, Kollaboration, Kommunikation sowie Vernetzung und Identititätsmanagement.
Kuhlmann/Sauter weisen in Ihrer Publikation (S. 16) darauf hin, dass der Grad an Selbstorganisation mit der Entwicklung des E-Learnings in den letzten Jahren stark zugenommen hat. So ließe sich Selbstorganisation mit Hilfe von Kollaborations- und Kommunikationsfunktionen des Web 2.0 (und dazu zählt eben auch Social Software) einfacher umsetzen. Web 2.0 „setzt auf die Emanzipation der Lerner, die ihr Erfahrungswissen […] aktiv einbringen und gemeinsam weiter entwickeln“.
Aber heißt Selbstorganisation, dass die Lernenden ihre Belange komplett alleine regeln? Nein! Denn auch ein informelles Social-Blended-Learning-Format kann von Lernbegleiter*innen unterstützt werden. Personen mit Erfahrung in diesem Format, die sowohl bei der Auswahl des eigenen Praxisprojektes Rückmeldungen geben können, den digitalen Raum der Social Software aufsetzen und moderieren, oder bei der Umsetzung einzelner Projektmeilensteine um Einschätzung gebeten werden können. Die große Herausforderung liegt nach Sauter aber darin, dass sich die Lernenden im Rahmen der Lernarchitektur in einer Community of Practice bewegen lernen müssen, sich aktiv (aber asynchron) mit den anderen Lernenden in der technischen Infrastruktur der Social Software austauschen sollen und ihre individuellen Lernaktivitäten durch den Austausch gemeinsam reflektieren und weiterentwickeln.
Kompetenzentwicklung
Diese spezielle Lernarchitektur soll es den Lernenden ermöglichen, ihre personalen Kompetenzen zu entwickeln und durch Kommunikation und Kollaboration Problemlösefähigkeiten zu trainieren. Denn gerade diese Fähigkeiten spielen bei der erfolgreichen Gestaltung des digitalen Wandels eine herausragende Rolle.
Und auch in diesem Punkt lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Denn wie sagte schon der alte Galileo Galilei: „Man kann den Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu finden.“ Und diese Rückbesinnung ist in Zeiten des digitalen Wandels vielleicht der wichtigste erste Schritt für problemorientiertes Lernen im Feld der Erwachsenenbildung.
Und jetzt?
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Über den Autor: Maximilian Welter ist Referent für Organisations- und Personalentwicklung bei der k.o.s GmbH in Berlin. Als DIN ISO 29990 Fachauditor und KODE®-Berater beschäftigt er sich seit Jahren intensiv mit Fragestellungen des selbstorganisierten und organisationalen Lernens in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Er ist zudem Botschafter für EPALE Deutschland.
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Kommentar
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Danke!
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Ich würde mich über gelungene Beispiele aus der Praxis freuen!
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Dankeschön ...
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