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Erasmus+ nachhaltig gestalten

Ein Bericht zur Training and Cooperation Activity (TCA) „Sustainability in Erasmus+: Towards the Green Transition“

TreeImage.
Gudrun Breyer

Green Erasmus

Kompetenzanerkennung als ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit 

Als pädagogische Mitarbeiterin der Weiterbildungsakademie Österreich (wba), einer Kompetenzanerkennungs- und Zertifizierungsstelle für Erwachsenenbildner:innen, begleite ich Personen durch einen Validierungsprozess und unterstütze sie dabei, informell erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen, noch fehlende durch geeignete Weiterbildungen nachzuholen und somit Vorhandenes zu einem branchenspezifischen Abschluss zu bündeln. Kompetenzanerkennung ist somit eine nachhaltige, weil ressourcenschonende Methode.

Die wba nimmt als Leuchtturmprojekt regelmäßig an internationalen Projekten und Lernmobilitäten teil, zunehmend mit einem nagenden Gefühl, was den Klimaschutzaspekt anbelangt. Daher war ich begeistert, als ich von der Trainings- und Kooperationsaktivität (TCA) „Sustainability in Erasmus+ Towards the Green Transition“ erfuhr, welche von der Nationalen Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung (Deutschland) organisiert wurde. Dass sie online stattfand, war für mich durchaus stimmig. Je näher der Termin rückte, umso mehr wich meine Freude aber dem Grauen vor zwei langen Tagen vor dem PC.

Kurz nach der Genehmigung meiner Anmeldung erhielt ich ein E-Mail, das ich zuerst für ein Spam hielt. Ich sollte eine Adresse für den Versand einer virtuellen Weinprobe nennen. Ich hatte den Finger bereits auf der Löschen-Taste, als ich in einem weiteren Mail das Programm der TCA erhielt und darin tatsächlich eine virtuelle Weinverkostung aufschien. Nun galt es also zu entscheiden, ob der virtuelle Wein an meine Büro- oder Wohnadresse geschickt werden sollte. Ich entschied mich für letztere und als kurz darauf der Lockdown kam, war ich froh darüber. Ich hatte den Vorfall längst vergessen, als es am Samstag vor der TCA an der Türe klingelte und mir der Postbote ein Paket mit der Aufschrift „Zerbrechlich“ überreichte. Ich stellte den Wein kühl und wartete gespannt auf den 2. Dezember.

Der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe

Die TCA wurde über das Videokonferenzsystem Big Blue Button abgehalten. Ich erhielt per Mail die Zugangsdaten, registrierte mich einige Tage zuvor und weil alles so reibungslos klappte, schlug ich die Aufforderung, mich mit dem System vertraut zu machen, in den Wind. 20 Pandemiemonate hatten mich die Verwendung verschiedenster Systeme gelehrt und laut Programm war ausreichend Zeit zum Ankommen eingeplant. Mein Einstieg glückte dennoch nicht ganz, denn ich hörte nichts. Nach erfolgloser Überprüfung der Hauptfehlerquellen kontaktierte ich per Mail den technischen Support. Dieser antwortete umgehend mit Tipps samt Screenshots. Mittlerweile hatte ich mein Headset angeschlossen und damit konnte es losgehen, gerade rechtzeitig für den ersten Input von Marta Munoz über Green Erasmus+ und die LTA  Sustainability.

LTA steht für Long Term Activity und stellt ein neues TCA Format dar. Unsere TCA war die erste einer Reihe von Veranstaltungen, die sich ab Mai 2022 an unterschiedliche Zielgruppen richten werden (in der Erwachsenenbildung, Schule, Gesellschaft). Sie alle sollen nachhaltige Praktiken und Initiativen in Erasmus+ Projekten unterstützen und damit zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 beitragen.

Lehrende als Flaschenhals

Lehrenden kommt dabei eine zentrale Rolle als Vermittler:innen und Multiplikator:innen zu. Beide Hauptredner:innen griffen dies in ihren Vorträgen auf. Das Umweltbewusstsein, zeigte Antje Brock vom Institut Futur der Freien Universität Berlin auf, sei im Steigen, aber das entsprechende Handeln (insbesondere der verantwortlichen Sektoren wie Industrie, Wirtschaft und Politik) fehle. Es gelte, zu sensibilisieren und informieren, ohne zu demotivieren. Oder wie Anthony Leiserowitz vom Yale Program on Climate change in the Public Mind am folgenden Tag meinte: „Make the threat visible and show them what to do“.  Lehrende sieht Antje Brock als Flaschenhals des ESD (Education for Sustainable Developement). Die Mehrheit hat sich in ihrer eigenen Ausbildung nie mit ESD befasst, nur am Rande oder als Querschnittsthema. Nun aber liegt es an ihnen, Nachhaltigkeit zu vermitteln und Lernende, ganz gleich ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, zu befähigen, als Mit-Schöpfer:innen aktiv zu werden.

Einprägsame (Natur-)Erfahrungen als Wegweiser

Was es laut Brock braucht, ist mehr „Pull“ (Anreize) und weniger „Push“ (Druck). Sie plädiert für die Vermittlung positiver Schlüsselerlebnisse, die die Einzigartigkeit und das Schützenswerte unserer Umwelt aufzeigen. Im Plenum fielen danach Worte wie „Magie“ und „Ehrfurcht“, auch „Freude“, und wir waren uns einig, dass das Besondere uns auf Schritt und Tritt begleitet und es in der Ferne zu suchen, den zugrunde liegenden Gedanken ad absurdum führt. Was es weiters braucht, so Brock, ist die Schaffung von Räumen, in denen Ideen ausgetauscht, entwickelt und umgesetzt werden. Wir sahen uns das anhand von vier Best Practice Beispielen an. Am Projekt Prodige (Promote Digitalisation for Education & training) das sich vor allem mit Alternativen zur physischen Mobilität in Form von digitalen Mobilitäten und Kooperationen befasst, fand ich die Idee von i@h (internationalisation at home) besonders bestechend: interkulturelle Werte und Internationalität auch denen nahezubringen, die nicht an einer Lernmobilität teilnehmen können und dabei soziale Inklusion und Gleichheit zu fördern. Das Projekt SCRCE setzte sich mit Müllreduktion durch den Auf- und Ausbau geschlossener Kreislaufwirtschaft auseinander. Die Projektteilnehmer:innen erkannten dabei, dass Nachhaltigkeit je nach Land verschieden interpretiert wird und so etwa das Tragen von Second Hand Kleidung in Italien als No-Go gilt. Das Projekt „Pubwood“ entwickelte disziplinenübergreifende Ausbildungselemente im europäischen Hochschulbereich für das Design, den Bau und das Management von nachhaltigen öffentlichen Holzgebäuden und im Projekt „Image of the bat“ versuchte man das Image der Fledermaus zu verbessern und Maßnahmen zu ihrer Erhaltung umzusetzen. Dafür wurden künstlerische Methoden herangezogen, indem das Narrative mit Tanz und Musik verwoben wurde.

Nachhaltigkeit als transversales Thema: überall und nirgendwo verortet

Wir besprachen die Projekte in separaten Workshop-Gruppen und gingen dabei auf unsere persönlichen Erfahrungen ein. Zum Festhalten unserer Erkenntnisse für das anschließende Teilen im Plenum verwendeten wir Miro, ein Online-Whiteboard. Der Mix aus Input, Plenums- und Gruppenarbeit machte diese beiden Tage sehr abwechslungsreich und wirkte aktivierend.
In meinem Workshop erzählte eine Teilnehmerin, dass an ihrer Schule mit den Schüler:innen Plastikflaschen gesammelt und zu T-Shirts recycelt wurden und eine andere fragte uns, wie der Transfer der vielen Best Practice Beispiele aus ihrer Heimat Schweden ohne vermehrte Reisetätigkeit gelingen sollte. Mir war bis dahin nicht bewusst gewesen, dass der Nordpol Schweden näher ist als Italien. Wichtig erschien uns, dass mit jedem Projekt ein konkretes Produkt zum Anfassen einhergeht, damit Projektziele in Erinnerung behalten und neue Gewohnheiten gefestigt werden.  
Wie die anderen Gruppen auch kämpften wir anfangs mit Miroboard. Neben dem offenen Chat, in dem laufend Infos und Links geteilt und kommentiert wurden, hatten wir unseren Workshop-Raum und den Zugang zum Plenum offen und die Einträge im Miroboard erschienen winzig. Zur Vernetzung in den Pausen stand außerdem auch noch „Wonder me“ bereit. Dahin habe ich es aber in den gesamten zwei Tagen nicht geschafft.
Im Plenum zeigte sich, dass die Gruppen jene Themen andiskutiert hatten, die tags darauf auf dem Programm standen: nachhaltiges Reisen, das mangelnde Bewusstsein von Politiker:innen und Lehrenden, was ihre Bedeutung als Vorbilder betraf, die Notwendigkeit des achtsamen Umgangs mit Ressourcen und dem Gewicht, das Lehrenden und dem Thema Nachhaltigkeit in Lehrplänen zukam. Nachhaltigkeit wird in kaum einem Land als eigenes Fach unterrichtet, sondern fließt in andere Gegenstände als transversales Thema ein und bleibt somit unsichtbar. 

In vino veritas

Ganz und gar nicht unsichtbar und zudem sehr bekömmlich war die anschließende Verkostung der Dagernova Weine. Dagernova, eine Weinkooperative im Ahrtal (Deutschland) und war von der Überflutung im Juli 2021 massiv betroffen. Der Wein wird konventionell angebaut, was, so sehr ich der Idee einer Unterstützung in dieser Situation etwas abgewinnen kann, bei mir einen bitteren Beigeschmack hinterließ. Mit dem Versand der Weinproben durch ganz Europa wurde der Nachhaltigkeitsgedanke zusätzlich konterkariert. Die Weinverkostung brachte aber einen regen Austausch mit sich und legte das Dilemma so offen: Wir hatten einen Mehrwert, der die umweltbezogenen Kosten für uns aufwog.

Fahrplan zu einem lebenswerten Planeten 2030

Den zweiten Tag begannen wir damit, Bilder von dem, was uns nahe war („near to your heart and your desk“) via Miro zu teilen. Der erste Platz ging dabei an diverse Haustiere. In seiner anschließenden Präsentation stellte Bernard Combes das UNESCO „Education for Sustainable Development 2030“-Rahmenprogramm vor, in dem aufgerufen wird, die gewohnte Lebensweise von Grund auf zu ändern, um nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Erreicht werden soll dies durch vermehrtes interdisziplinäres Arbeiten, dem Erreichen von Stakeholdern und Multiplikator:innen, dem Ansprechen der Jugend und der Ausbildung der Ausbilder:innen. Auf https://www.trashhack.org/ finden sich dazu jede Menge Ideen und Projekte.   
Marcus Flachmeyer teilte anschließend seine Erfahrung mit „Green Travel“ im Rahmen einer Erasmus+ Projektanreise von Deutschland nach Irland. Er sah sie als Investment in die Zukunft unseres Planeten.   
Um Green Travel zu fördern, bedarf es der Unterstützung durch Arbeitgeber:innen und Förderstellen. Anita Varsa stellte dazu eine Machbarkeitsstudie für die neue Erasmus+-Programmphase von 2021-2027 vor. Sie zeigt, dass es neben Kompensationszahlungen ein Verankern von Nachhaltigkeit in den Programmen selbst braucht und eine Reduktion der Emissionen in allen anderen programmbezogenen Aktivitäten. Die Studienautor:innen empfahlen den Einsatz von Berechnungsinstrumenten, die einen Vergleich der verschiedenen Reisearten bzgl. der dabei erzeugten Treibhausgasemissionen ermöglichen und die Schaffung von Anreizen für den Green Travel, etwa durch Interrail-Pässe. 

In “10 minutes pitches” wurden vier weitere Best Practice Beispiele präsentiert:

  • das “GET-UP-Project” zur Förderung von grünem Unternehmer:innentum und der Ausbildung entsprechender Trainer:innen    
  • das aktuell laufende “Trainers` Training on Nature and Climate Protection for Disadvantaged Adult Education Learner Groups”, bei dem Schulungsort und -thema kombiniert werden sollen.
  • das agrarökologische Projekt “SEGAE”, aus dem ein Computerspiel hervorging, das Wissen über die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Tieren, Menschen und Umwelt in landwirtschaftlichen Systemen vermittelt und kostenlos in sechs Sprachen verfügbar ist: http://sdvia.free.fr/segae/       
  • Das Projekt “ECORoad”, in dem vier Grundschulen kooperierten, um nachhaltige Entwicklung weiter auszubauen und dabei erkannten, dass die Beteiligung der Eltern für den Projekterfolg wesentlich, aber nicht immer von vornherein vorhanden war.

Ist die Erde noch zu retten?

In der Workshop-Gruppe visualisierten wir dann unseren Grad der Zustimmung zu einzelnen Aussagen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Wir stimmten darin überein, dass wir als Europäer:innen Klimaschutz von einer sehr privilegierten Position aus diskutieren. Die meisten Abweichungen gab es bei der Frage, ob sich der Klimawandel noch stoppen lässt und ein Handeln daher überhaupt Sinn macht und inwieweit der oder die Einzelne Einfluss nehmen kann. Die Stimmung im Plenum nahm ich so wahr, dass allen die Herausforderungen bewusst waren, sie der Zukunft aber positiv entgegensahen. Nach einer Aufwärmübung, die mir wieder einmal verdeutlichte, wie interaktiv Onlineseminare sein können und wie sich die Vernetzung untereinander mit einfachen Methoden in kurzer Zeit bewerkstelligen lässt, hielten wir unsere Lessons Learned auf dem Miroboard fest.

Jede:r macht einen Unterschied

In dieselbe Kerbe wie Antje Brock schlug in seinem Vortrag Anthony Leiserowitz. Überraschend war für mich, dass mehr als 1 Mrd Menschen noch nie vom Klimawandel gehört haben, und dass sowohl in entwickelten Ländern das Wissen um die Tragweite, die unser Handeln für das Klima hat, fehlt, als auch in Regionen, die bereits betroffen sind und mit den Auswirkungen kämpfen. Leiserowitz betonte, dass es nicht nur einen Bewusstseins- und Wertewandel braucht, sondern dass dieser den Umständen des jeweiligen Landes gerecht werden muss: wie wir reisen, konsumieren, wohnen, bauen, Gesundheit denken, Nahrung anbauen und wählen. Viele Menschen aber sehen Klimawandel als etwas an, das sich sowohl geografisch als auch zeitlich in weiter Ferne abspielt und wiegen sich deshalb in Sicherheit. Mit einer Bildung, die Herz und Hand anspricht, mit Vorbildern und Storytelling, kann aufgezeigt werden, dass jede:r Einzelne einen Unterschied machen und einen Beitrag leisten kann. Weil Klimaschutz nicht ohne radikalen Wandel möglich ist, geht er mit dem Einsatz für mehr soziale Gerechtigkeit Hand in Hand. Dabei sind auch Kunstschaffende gefragt, um das Unsichtbare sicht- und begreifbar zu machen. Nicht zuletzt geht es bei der Erhaltung von Natur und Lebensraum immer auch um die Frage nach der Beziehung zum Göttlichen.
Zum Abschluss hielten wir unser Feedback auf dem Miroboard fest. Es wurde eine bunte Sammlung. Die Rückmeldungen waren sehr positiv, was wenig verwundert, weil die Organisation top war. Insbesondere die Moderation, die Raum für Austausch ließ, mitunter vom Zeitplan abwich, dafür aber nie Pausen kürzte und am Ende des Tages doch pünktlich endete. Ein Kunststück. Und dass es bei 90 Teilnehmer:innen nur bei Einzelnen zu technischen Problemen beim Einstieg kam, uns der Moderator kurz abhandenkam, wir aber zwei Tage ohne Unterbrechung arbeiten konnten, spricht für sich. Was ich mir persönlich mitnehme, sind viele Informationen und Anregungen und jede Menge Zuversicht, zudem die Freude auf ein Weiterarbeiten an dem Thema.

Für mehr Information zur TCA siehe 

https://www.na-bibb.de/service/veranstaltungsrueckblicke/dokumentation-sustainability-in-erasmus-towards-the-green-transition-1

 

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Kommentar

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Vincent CARUANA
Fr., 18.02.2022 - 11:34

I think that it is necessary to invest further in peer to peer mentoring in Education for Sustainable Development. You can get some ideas here: peerment.eu

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