EPALE-Schwerpunkt: Die Validierung von Kompetenzen in Europa
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Jeden Tag etwas Neues lernen
„Jeden Tag bieten sich uns Gelegenheiten zum Lernen. Nicht nur in formalen Bildungseinrichtungen, sondern auch in unserem täglichen Leben am Arbeitsplatz, zu Hause oder in der Freizeit können wir sehr wertvolle Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben.“ So lautet es in den Europäischen Leitlinien für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens. Doch dieses unsichtbare Potenzial zu erkennen ist die eine Sache, die entsprechenden Kompetenzen und Leistungen anzuerkennen eine Weitere. Denn nur durch die offizielle Anerkennung informell oder nicht-formal erworbener Kompetenzen ist der Weg geebnet, den und die Einzelne*n dazu zu befähigen, seinen oder ihren Werdegang in die Hand zu nehmen und unsichtbare Kompetenzen im Berufsalltag einzusetzen.
Aktuelle Veränderungen, wie der demografischen Wandel, die Digitalisierung und Migrationsbewegungen ziehen auch einen Wandel gesellschaftlicher Qualifikationsnachfragen nach sich. Am deutlichsten wird dieser hierzulande im Fachkräftemangel, der sich bereits in einer Vielzahl unterschiedlicher Branchen bemerkbar gemacht hat. Im Hinblick auf die genannten Herausforderungen ist die Validierung nicht-formal und informell erworbener Kompetenzen eine Chance, diesen angemessen zu begegnen. Deshalb legt mitunter das Programm Erasmus+ einen besonderen Fokus auf die Validierung nicht-formaler und informeller Lernergebnisse, mit dem Ziel, die Durchlässigkeit zu formalen Bildungswegen oder in den Beruf zu fördern.
Bereits 2012 formulierte der Europäische Rat eine Empfehlung zur Validierung nicht-formalen und informellen Lernens, in der die Mitgliedsstaaten aufgefordert waren, bis zum Jahr 2018 entsprechende nationale Regelungen einzuführen. Dass diese Frist verstrichen ist, ohne dass bislang ein flächendeckendes Verfahren in Deutschland oder gar Europa entwickelt wurde, unterstreicht die Komplexität des Vorhabens. Dabei unterscheidet sich bereits die Bildungslandschaft jedes Land maßgeblich. Nehmen wir ein einfaches Beispiel aus Deutschland: hier ist Bildung zwar Ländersache, aber bereits bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung kommt auch der Bund ins Spiel. Auch Validierung betrifft alle Ebenen des Bildungs- und Berufslebens und ist somit ebenso Sache von Bund und Ländern.
Lernergebnisse, nicht Qualifikationen
Validierung ist für die (europäische) Erwachsenenbildung ein wichtiges Thema. Einen Einblick in aktuelle Trends aus der Erwachsenenbildung lieferte 2017 zum Anlass ihres 10-jährigen Bestehens die Fachtagung der Weiterbildungsakademie Österreich (wba) „Kompetenzanerkennung unter der Lupe. Effekte - Nutzen - Zukunftsperspektiven am Beispiel der Weiterbildungsakademie Österreich“. Dort erklärte sich Prof. Dr. Dr. h.c. Ekkehard Nuissl von Rein, ehemaliger Direktor des Deutschen Institutes für Erwachsenenbildung (DIE), bereit, in einem Interview seine Einschätzung zur Lage der Kompetenzanerkennung in Österreich zu geben. So werden in der vielschichtigen und zukünftig immer flexibleren Welt des Lebens und der Arbeit laut Prof. Nuissl Zertifikate immer mehr an Bedeutung verlieren: „Viel zuverlässiger sind Kompetenzen dann vorhanden, wenn sie in der Lebens- und Arbeitspraxis der Menschen angewandt und umgesetzt werden.“
Doch was für Instrumente gibt es bereits in Europa zu Anerkennung nicht-formaler und informeller Vorkenntnisse? EPALE-Themenkoordinator Andrew McCoshan hat einige der wichtigsten Instrumente, die die EU zur Beurteilung von Kompetenzen von Lernenden entwickelt hat, unter die Lupe genommen: Innerhalb des Rahmens des EQF gibt es eine Vielzahl an Instrumenten, so zum Beispiel ECVET oder Europass. Dabei wollte er vor allem wissen, inwieweit EPALE-Leser die benannten und erklärten Instrumente bereits kennen und hat eine kleine Umfrage hierzu mit eingebaut. Was meinen Sie?
Validierung: ein Fokus in Erasmus +
Von der Validierung zur Unternehmensgründung: Darum geht es im Erasmus+-Projekt CHEER. Angehende Gründer im Kulturbereich sollen bei CHEER unterstützt werden - zu diesem Zweck hat das Projekt sich zum Ziel gesetzt, ein Trainingsprogramm sowie eine Online-Lernplattform zu entwickeln. Zielgruppe sind hier Langzeitarbeitslose, die die entsprechende Motivation und Kompetenzen zur Gründung eines Unternehmens mitbringen. Einstieg in das Projekt ist die Validierung von Vorkenntnissen der Teilnehmer*innen. Bei festgestellter Eignung werden sie in Trainingsmaßnahmen und durch entsprechende Materialien an die Unternehmensgründung herangeführt. Lesen Sie hier mehr!
Einen spannenden und sehr persönlichen Erfahrungsbericht aus dem Kulturbereich enthält der Blogbeitrag zum Erasmus+-Projekt ValCoVol – „Validation of Competences Acquired in Volunteering“. Im Rahmen von ValCo Vol nahmen sich die Projektpartner vor, durch Validierung informell und non-formal erworbener Kompetenzen einen Mehrwert für jene zu schaffen, die sich als Freiwillige in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Dabei herausgekommen ist eine Plattform, ein Forum und ein Instrument zur Identifizierung von Kompetenzen. Was den Projektpartnern besonders in Erinnerung geblieben ist? Lesen Sie hierzu den spannenden Blog!
Anerkennung von formalen Qualifikationen: Projekte aus Deutschland und Europa
Die Komplexität der Validierung informeller und non-formaler Kompetenzen ist schon an der Vielfalt der Projekte erkennbar, die sich in unterschiedlichsten Bereichen diesem Thema widmen. Aber auch wenn es um die Anerkennung formaler, im Ausland erworbener Qualifikationen geht, stellt die Implementierung eines flächendeckenden Verfahrens eine Herausforderung dar. Dabei wird gerade hier vor dem Hintergrund der inner- und außereuropäischen Migrationsbewegungen immer mehr in Bewegung gesetzt.
Kompetenzerfassung als Status Quo: Das Projekt SCOUT-„aSsessing Competences fOr fUTure“ richtet sich an das Beratungspersonal, das mit Neuzugewanderten in Europa arbeitet. Neben den Instrumenten, die in den Projektpartnerländern bereits zur Kompetenzerfassung benutzt wurden, arbeitet SCOUT vor allem mit dem ProfilPASS. Dieser wurde zu diesem Zweck für die SCOUT Zielgruppe angepasst und in einfache Sprache übersetzt. So will SCOUT mithilfe einer Kompetenzanalyse, das Beratungspersonal in seiner Arbeit unterstützen.
Die 3. VPL Biennale in Berlin
Die flächendeckende Implementierung von Verfahren zur Validierung informeller und non-formaler Kompetenzen und auch formaler Qualifikationen ist ein ebenso wichtiges wie komplexes Vorhaben. Dies äußert sich nicht nur in der Vielzahl an Projekten und Initiativen, die sich diesem Thema widmen. Es wird auch deutlich, wenn man sich mit der 3. Biennale zur „Validierung von Vorkenntnissen“ (Validation of Prior Learning - VPL) am 7. Und 8. Mai 2019 in Berlin beschäftigt. Unter den über 300 registrierten Besuchern der Biennale fanden sich Experten und Stakeholder aus aller Welt. Aus verschiedenen Bereichen wurden in Berlin Informationen und Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsam Ansätze zur Implementierung eines effektiven (europäischen oder nationalen) VPL Systems weiterentwickelt. Die zwei Tage wurden von einer Reihe spannender Vorträge über durchgeführte Projekte zur Implementierung solcher Verfahren begleitet, die in sechs thematischen Blöcken von Workshops und Arbeitsgruppen die notwendigen Rahmenstrukturen für die Einführung und Implementierung eines VPL Systems diskutierten. Schlussendich flossen die Erkenntnisse aus diesen Arbeitsgruppen in die „Berliner Erklärung zur Anerkennung von Kompetenzen“ ein, ein Instrument, das VPL-Grundprinzipien auflistet und internationalen Stakeholdern zur Orientierung bei der Erarbeitung eines VPL-Systems dienen soll.
Die Vorträge behandelten jeweils besondere Case Studies zu einem bestimmten Themenstrang im Kontext der Validierung. In diesem Zusammenhang erhielt EPALE die Gelegenheit, Interviews mit einigen der Vortragenden zu halten. So entstand eine Themenseite [EN], die spannende persönliche Einblicke in die Herausforderungen und Vorteile der Implementierung von VPL-Systemen bietet.
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Bildnachweis: geralt / Pixabay
Auch der ProfilPass bietet eine gute Gelegenheit!