Buchbesprechung zu Marc Lindart, Was Coaching wirksam macht. Wirkfaktoren von Coachingprozessen im Fokus, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2016, 254 Seiten

Coaching ist ein Instrument zur Kompetenzentwicklung und ein berufsorientierter Beratungsansatz, bei der es um die Förderung und Gestaltung von Veränderungsprozessen bei Menschen und Organisationen geht. Kein anderes Berufsfeld kann als wissenschaftsintensive Dienstleistung auf eine derart große Vielzahl auf Methoden, Denkstrategien und Beratungsansätzen zurückgreifen wie das Coaching. Dennoch und gerade deshalb lohnt der wissenschaftliche Blick auf die Lindarts Frage nach der Wirksamkeit von Coaching und vor allem was Wirksamkeit in Coachingprozessen ausmacht.
Dass Coaching dazu beitragen kann, subjektive Wirklichkeit durch das Wirken eigener Selbstwirkungskompetenz begreif- und erlebbbar zu machen, zeigt Lindart mit seiner für Forschende und Praktiker erkenntnisreichen Dissertation an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster aus dem Jahr 2016 auf.
Neben einem zur Thematik hinführenden Prolog (Seite 11-13) lenkt bereits das erste Kapitel auf das eigentliche Ziel der Forschungsarbeit: den „Blick auf die wirksamen Dinge richten“ (Seite 15-26). Dieses führt den Leser weiter zu der „terminologische[n] Klärung des Coachingbegriffs“ (Seite 27-37), den „Wirkfaktoren im Coaching“ mit seinem „theoretischen“ (Seite 39-49) und „empirischen Zugang“ (Seite 51-104). Der „hypnosystemische Ansatz in Beratung und Coaching“ (Seite 105-146), die „Wirkfaktoren im hypnosystemischen Coaching als Untersuchungsgegenstand“ (Seite 147-157) und die „Ergebnisse der Untersuchung“ (Seite 159-228) bilden den Hauptteil der Abhandlung. Zusammenfassende Bemerkungen finden sich im achten Kapitel „Resümee und Ausblick“ (Seite 229-232), die mit dem „Epilog - ein metaphorischer Ansatz“ (Seite 233-234), einem umfangreichen Literaturverzeichnis (Seite 235-251) sowie zahlreichen Tabellen und Abbildungen des Autors (Seite 253-254) enden.
Wirkfaktoren bei systemisch-konstruktivistischen Beratungsansätzen, wie dem Coaching, und bei lern- bzw. ergebnisorientierten Reflexionsprozessen, das Coaching mit der Kollegialen Beratung (Intervision) und Supervision vereint, sind nicht neu. Erkenntnisreiche Literatur findet sich beispielsweise bei Hubble, Duncan & Miller1, Behrend2, Brauer3, Greif4, Jansen, Mäthner & Bachmann5, Schreyögg6 sowie Schmidt & Thamm7.
Neu an der Herangehensweise in Lindarts wissenschaftlicher Arbeit ist die Verbindung von Coaching mit dem hypnosystemischen Ansatz, das Konzepte der Systemischen Therapie und Beratung einerseits und der Hypnotherapie nach Milton H. Erickson8 andererseits vereint (Seite 19).
Versteht man den hypnosystemischen Ansatz, den Lindart in der Orientierung an subjektiven Fähigkeiten und Ressourcen für eine erfolgreiche Veränderung von Menschen und Organisationen sieht, tatsächlich als ein „Spannungsverhältnis“ von Aufmerksamkeit und Anerkennung“ einerseits mit „unübersichtlicher Quellenlage“ (Seite 21) andererseits, ist der Ausgangspunkt der Untersuchung nach der Frage, welche Wirkfaktoren bei „Coachingprozessen auf hypnosystemischer Grundlage“ (Seite 24) im Hinblick auf das „berufsorientierte Einzelcoaching“ (Seite 37) bestehen, berechtigt und in sich schlüssig.
Im zweiten Kapitel grenzt Lindart Coaching von anderen Beratungs- und Unterstützungsformaten ab. Während die „heilkundlich orientierte“ Psychotherapie auf „Personen mit psychischen oder seelischen Erkrankungen“ (Seite 29) ausgerichtet ist, liegt der Nutzen beim Coaching „auf beruflichen Fragestellungen“ (Seite 29). Da die Supervision ein „fallorientiertes Reflexionsinstrument“ (Seite 30) ist, versteht das Coaching sich hingegen als Beratungsinstrument zur „Leistungssteigerung, Potentialentfaltung“ und (Wieder-) Herstellung der „Arbeitsfähigkeit der Klienten“ (Seite 30). Vom Mentoring grenzt das Coaching sich dergestalt ab, dass es im Vergleich zum Mentoring einen „höhere[n] Formalisierungsgrad, eine kürzere Prozessdauer und eine stärkere Leistungsorientierung“9 (Seite 30) aufweist.
Anders als beim Training, das dem „Erwerb von technischen Kompetenzen oder konkreten Verhaltensweisen“ (Seite 31) dient, ist die Grundlage für eine Arbeitsbeziehung beim Coaching die Förderung einer selbstreflexiven Haltung beim Klienten. Lindart beschreibt das Coaching daher zutreffend „als pädagogische Beratungsform“ und „berufsbezogener Beratungsprozess zur Förderung der Selbstreflexion, Selbstverantwortung und Eigenständigkeit sowie zur Erreichung selbstkongruenter Ziele, bei dem die berufliche Weiterentwicklung und Leistungssteigerung sowie die Lösung beruflicher Probleme im Mittelpunkt stehen“ (Seite 36).
Im dritten Kapitel „Wirkfaktoren im Coaching - theoretischer Zugang“ präsentiert Lindart erste Forschungsansätze zu den Wirkfaktoren beim Coaching, so etwa das „Model of Coaching Effectiveness“ von R. R. Kilburg10 und das Wirkmodell von Greif11 (Seite 41-49). Im vierten Kapitel „Wirkfaktoren im Coaching - empirischer Teil“ informiert uns Lindart über den historischen und aktuellen Forschungsstand, benennt und wertet quantitative und qualitative Studien zum Themenfeld der Wirkfaktoren aus.
Besonders bemerkenswert ist die kritische Würdigung der empirischen Untersuchungen (Seite 68-88), die im Ergebnis zu einer tabellarischen Auflistung der wesentlichen Wirkfaktoren des Verfassers unter Nennung von Studien, Design und Stichproben (Seite 89-93) sowie daraus abgeleiteten eigenen grafischen Darstellungen (Seiten 94, 96, 97) führt.
Das fünfte Kapitel widmet Lindart ganz dem „hypnosystemischen Ansatz in Beratung und Coaching“, ohne dabei den erkenntnistheoretischen Rahmen des Konstruktivismus, auch aus der Sicht der Neurowissenschaften, die Grundlagen des Systemischen Denkens (Seite 112-115), die Hintergründe und Veränderungsparadigmen der Hypnotherapie (Seite 115-118) sowie die Grundzüge des hypnosystemischen Denkens (Seite 120-137) darzulegen. Ergänzt werden die kenntnisreiche Theorien anhand eigener Darstellungen, die einmal mehr die Begrifflichkeiten und hypnosystemischen Prinzipien prägnant zusammenfassen und kategorisieren (Seite 119, 131, 138-140).
Im sechsten Kapitel „Wirkfaktoren im hypnosystemischen Coaching als Untersuchungsgegenstand“ geht Lindart näher auf die Durchführung des problemzentrierten Interviews und dessen Instrumente und Kommunikationsstrategien ein und zeigt die Relevanz der qualitativen Forschungsmethoden und ihren Nutzen für den hypnosystemischen Ansatz auf.
Herausragend und informationsreich ist das siebte Kapitel „Ergebnisse der Untersuchung“, in dem uns Lindart Einblicke in die einzelnen Wirkfaktoren auf der Grundlage von durchgeführten Interviews von Coachs gibt. Am häufigsten werden - in dieser Reihenfolge – folgende Wirkfaktoren genannt: „Fragenstellen“, „Ressourcenaktivierung“ und „Wertschätzung, Empathie & emotionale Unterstützung“ (Abbildung 13, Seite 162).
Hervorzuheben ist, dass Lindart für jeden der insgesamt ermittelten 16 Wirkfaktoren jeweils Tabellen in Form von kurzen Steckbriefen formuliert, hierbei jeden einzelnen Wirkfaktor beschreibt, deren praktische Umsetzung und Relevanz sowie als „Transferhilfe“ für weitere Wirkfaktoren aufzeigt.
In seiner zusammenfassenden Ergebnisbetrachtung (Seite 216-219) nennt Lindart für das Coaching als generelle Wirkfaktoren auf der Ebene der Arbeitsbeziehung „Wertschätzung, Empathie und emotionale Unterstützung“, „Vertrauen“, „Kollaboration (inkl. Commitment und Übereinstimmung)“ sowie „Dominanz/Selbstbewusstes Auftreten“ des Coachs.
Auf der Strategieebene sind unter anderen „Zielklärung und -konkretisierung“, Ressourcenaktivierung“, „individuelle Analyse und Anpassung“ und eine „ergebnisorientierte Selbstreflexion“ genannt, die auf der Kommunikationsebene durch Fragen stellen, Zuhören und Feedback vervollständigt werden. Bei Coachingprozessen auf hypnosystemischen Grundlage werden die Wirkfaktoren „Trancearbeit“ und „Aufmerksamkeitsfokussierung“ (Seite 217) identifiziert.
Ein sorgfältig recherchiertes Literaturverzeichnis, das der Autor geschickt und kenntnisreich in sein Forschungsthema einarbeitet, dokumentiert zugleich die Faszination, mit dem Lindart die Wirkfaktoren von Coachingsprozessen untersucht.
Lindart versteht es, die einzelnen Wirkfaktoren von Coachingprozessen auf hypnosystemischer Grundlage im Beziehungsgeflecht von Coach, Klient und (Gesprächs-) Kontext klar, mit ihrem Fokus auf die praktische Umsetzung und deren Gelingen im Umgang mit Klienten wissenschaftliche nachvollziehbar und handlungsorientiert umzusetzen. Dabei fällt auf, dass Coaching ein strukturierter, methodengeleiteter Beratungsprozess mit zielführender Kommunikation ist, dessen Erfolg und Gelingen maßgeblich vom Einsatz überfachlicher Kompetenzen und der Methodenvielfalt des Coachs abhängt.
Im Ergebnis ein durchweg zu empfehlendes Buch, das man immer wieder gern als Wissenschaftler und Praktiker zur Hand nimmt, um die eigene Beratungsqualität zu verbessern und selbstkritisch zu hinterfragen.
Dr. Andreas-Michael Blum
1 M.A. Hubble, B. L. Duncan & S.D. Miller (Hrsg.), So wirkt Psychotherapie. Empirische Ergebnisse und
praktische Folgerungen, Dortmund 2001.
2 P. Behrend, Freiburger-Erfolgsfaktoren-Coaching. Vier Erfolgsfaktoren zur Etablierung von Konsistenz bei
Coaches, in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching 19 (4) 2012, S. 391-404. Ders., Wirkfaktoren im
Psychodrama und Transfercoaching, unveröffentlichte Diplomarbeit, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
2004.
3 Y. Brauer, Coaching: Eine empirische Untersuchung zu Zielsetzung, Interventionen und Coachingerfolg bei
Einzelcoaching. Diplomarbeit, Universität Mannheim, 2006.
4 S. Greif, Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion. Theorie, Forschung und Praxis des Einzel- und
Gruppencoachings, Göttingen 2008.
5 A. Jansen, E. Mäthner & Th. Bachmann, Wirkfaktoren im Einzel-Coaching, Asanger 2004.
6 A. Schreyögg, Wirkfaktoren im Coaching, in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 19 (4) 2012,
S. 373-374.
7 F. Schmidt & A. Thamm, Wirkungen und Wirkfaktoren im Coaching - Verringerung von Prokrastination und
Optimierung des Lernverhaltens, Diplomarbeit, Osnabrück 2008.
8 M. H. Erickson & E. L. Rossi, Der Februarmann, Perönlichkeitsentwicklung mit Hypnose, Paderborn 1991.
9 Dort mit weiteren Nachweisen der Literatur.
10 R. R. Kilburg, Faciliating intervention adherence in executive coaching: A model and methods, in: Consulting
Psychology Journal: Practice and Research, 53(4) 2001, pp. 251-267.
11 S. Greif, Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion. Theorie, Forschung und Praxis des Einzel- und
Gruppencoachings, Göttingen 2008. Ders., A new frontier of research and practice: Observation of coaching
behaviour, in: The Coaching Psychologist vol. 6(2), 2010, pp. 97-105. Ders., Die wichtigsten Erkenntnisse
aus der Coachingforschung für die Praxis aufbereitet, in: R. Wegener, A. Fritze & M. Lobbert (Hrsg.),
Coaching entwickeln. Forschung und Praxis im Dialog, Wiesbaden 2011, S. 34-43.