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Volkshochschulen als wichtige Säulen im Bildungssystem

Text: Jaana Nuottanen, Geschäftsführerin des Verbandes der finnischen Volkshochschulen

Die erste finnische Volkshochschule wurde 1899 in Tampere gegründet. Der damals einflussreiche Politiker und Schriftsteller Santeri Alkio erklärte: „Die Menschheit und ihr Bedürfnis nach Entwicklung müssen die Grundlage aller sozialen und staatlichen Reformen sein. Ziel des Bestrebens, sich selbst zu entwickeln, ist ... der Mensch, der sich seinen eigenen, persönlichen Begriff von Wahrheit auf Grundlage seiner eigenen Beobachtungen und Gedanken bildet.“ In Zeiten von Fake News, Propaganda, medialer Überhöhung und vorsätzlich gestreuten Missverständnissen ist es sehr wichtig, dass möglichst viele Menschen in der Lage sind, selbstständig und kritisch zu denken und sich gleichzeitig lebenslang und vielseitig weiterbilden.

Finnland verfügt über ein beeindruckendes Netz von Erwachsenenbildungseinrichtungen, das seinen Anfang in den gesellschaftlichen Umbrüchen der Zeit der Industrialisierung und Urbanisierung nahm, um das niedrige Bildungsniveau der Bevölkerung zu heben. Ende des 19. Jahrhunderts wurde so eine Einrichtung geschaffen, die als niederschwelliger Anbieter agil, kreativ und innovativ sein sollte. Die Fähigkeit, sich über die Zeit hinweg immer wieder an die sich ändernden Bedingungen anzupassen, sicherte das Fortbestehen der Einrichtung: Volkshochschulen gibt es in Finnland seit mittlerweile mehr als 125 Jahren.

In der Vergangenheit gab es immer wieder schwierige Zeiten, die mehr oder weniger gut verkraftet wurden, aber die zu Beginn dieses Jahres vorgenommenen Mittelkürzungen in Höhe von 12,5 Millionen Euro trafen alle Volkshochschulen außergewöhnlich hart. Wir sollten es uns als Gesellschaft allerdings leisten können, auch in Zukunft den Bildungsauftrag der Volkshochschulen für die Erwachsenenbildung aufrechtzuerhalten, da diese allen offen stehen und einen positiven Einfluss auf die Menschen haben. Darüber hinaus bieten sie ein Modell für lebenslanges Lernen und helfen Menschen jeden Alters, sich in einer sich ständig verändernden Welt zurechtzufinden.

Ziel der 2016 veröffentlichten Studie „Ist Finnland in der Bildungsarbeit auf dem Vormarsch“ von Jyri Manninen, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Ostfinnland, war eine Analyse, wie der Nutzen und konkret der monetäre Wert der Erwachsenenbildung für den Einzelnen und die Gesellschaft bewertet werden können. Eine solche Bewertung ist nicht einfach, aber alle verfügbaren Studien zeigen, dass sich Investitionen in Bildung zweifelsfrei auszahlen. Ausgehend von der Annahme, dass die soziale Produktivität dieser Bildungseinrichtungen bei etwa 348 % liegt, hätte eine Investition von einem Euro einen Nutzen oder Wert in Höhe von 3,4 bis 5,6 Euro. Eine 2018 von Professor Manninen veröffentlichte Studie über Studierende, die mindestens drei Jahre Volkshochschulen besucht hatten, zeigt, dass der Nutzen umso höher war, je mehr Kurse absolviert wurden. Dies wiederum bringt weitere wirtschaftliche Auswirkungen sowohl für betreffende Person als auch für die Gesellschaft mit sich und ist damit positiv zu bewerten.

In ihren Antworten bezeichneten die Befragten der letztgenannten Studie die Volkshochschule unter anderem als Fitmacher, zweites Zuhause, Auffrischungsmittel, Rettungsanker, Sprungbrett und als geistiger Wohltäter. Das Beste ist, dass man so wie man ist an die Volkshochschule kommen und dann selbst in aller Ruhe sein eigenes Tempo finden kann, um sich nach eigenen Wünschen weiterzubilden. Jedes Jahr bieten Volkshochschulen mehr als 500.000 Finn:innen sinnvolle Aktivitäten an, die die Studierenden in gemeinschaftliche Interaktionen bringen und somit auch soziale Isolation verhindern.

Studien haben gezeigt, dass der Nutzen von Volkshochschulen insbesondere für Menschen mit niedrigem Bildungsniveau groß ist, dass diese aber auch für alle anderen Teile der Bevölkerungen Vorteile haben. Die Ausbildungsmethoden sind flexibel und die Netzwerke umfangreich. Durch die gut ausgebauten Strukturen und Kompetenzen sowie eine intensive Zusammenarbeit mit verschiedenen kommunalen Bereichen können die Volkshochschulen ab Anfang 2025 auch neue Aufgaben übernehmen, wenn die Bereiche Beschäftigung und Integration auf Kommunen übertragen werden.

Seit Anfang 2023 gehören Bildung und Kultur zu den wichtigsten Aufgaben der Kommune. Als flexibler Akteur spielt die Volkshochschule hier eine bedeutende Rolle beim Aufbau und Erhalt der Zivilgesellschaft. Um Gleichstellung in der Bildung zu gewährleisten, sollten die Dienste der Volkshochschulen auch in Zeiten schwächerer Wirtschaftskonjunktur für alle zugänglich bleiben. Es lohnt sich daher, in ihre Weiterentwicklung zu investieren und sie ausreichend und langfristig mit Ressourcen auszustatten. Auch die Kursgebühren sollten in einem angemessenen Rahmen bleiben.

Laut der Forscherin Iina Järvinen (2023) „… haben es die öffentlichen Behörden versäumt, das Recht ärmerer Menschen auf Selbstentfaltung zu sichern“. Järvinens Doktorarbeit beschäftigt sich mit der Selbstentwicklung außerhalb von Schulen und öffentlichen Bildungseinrichtungen, wie beispielsweise durch Hobbys, Kursteilnahmen oder andere Freizeitaktivitäten. In der finnischen Verfassung ist die Verpflichtung der öffentlichen Behörden verankert, allen Menschen gleiche Chancen zu garantieren und ihnen über die Grundbildung hinausgehende Bildungswege und die Weiterentwicklung im Allgemeinen zu ermöglichen. Ferner muss vermieden werden, dass Menschen aus der Informations- und Digitalgesellschaft ausgeschlossen werden oder mit unzureichenden Grund- und Bürgerkompetenzen ausgestattet sind. Die neuesten Daten zu Grundkenntnissen bei Erwachsenen werden im Dezember 2024 veröffentlicht, wodurch das Thema Erwachsenenbildung (z. B. im Hinblick auf Erfordernisse und Chancen) auch in den kommenden Jahren im Mittelpunkt der Bildungsdebatte stehen werden.

Das an der Volkshochschule erworbene Wissen bereichert und verbessert das Leben der Studierenden, auch wenn die Ausbildung nicht auf ein Studium oder eine berufliche Karriere abzielt. Heute gibt es an den Volkshochschulen allerdings auch immer mehr Studierende, die ihre Fähigkeiten für eine andere Ausbildung oder im Beruf nutzen möchten. Seit Anfang August 2021 ist es möglich, den Besuch einer Einrichtung der freien Erwachsenenausbildung auch in die nationale KOSKI-Datenbank eintragen zu lassen. Mit anderen Worten, es ist nun möglich, ECTS-Kurse an Volkshochschulen zu absolvieren und diese im Dienst „Meine Studieninfo“ (Oma opintopolku) anzeigen zu lassen.

Die Volkshochschule in Finnland erneuert sich kontinuierlich selbst, entstaubt die Bildung, geht mit der Zeit und entwickelt neue, multidisziplinäre Bildungsangebote. Laut dem Bildungsbarometer, das die unabhängige Forschungseinrichtung E2 Research im Sommer 2024 durchgeführt hat, glauben 2/3 der Befragten, dass die Allgemeinbildung der Finn:innen gesunken ist. 79 % der Befragten halten die Einrichtungen für Erwachsenenausbildung jedoch für „eher wichtig“ oder „sehr wichtig“ für das lebenslange Lernen. Bei denjenigen, die zuvor Volkshochschulen besucht haben, liegt der Anteil bei erstaunlichen 88 %.

Eine kultivierte Nation braucht für ihre Bildung solche wichtigen Säulen wie die Volkshochschulen. Arbeiten wir also weiter zusammen daran, das Bildungsideal der Zukunft zu erreichen.

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