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Wie Twin Transition eine neue Lernkultur fördert

Ein Gespräch mit der Bildungswissenschaftlerin Nele Hirsch zum Themenschwerpunkt Twin Transition und der Idee der aktuellen EPALE-Akademie

Twin Transition beschreibt das Zusammenspiel von Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Kontext der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation. Das war Thema einer EPALE-Akademie im Mai und Juni 2025, die von der Bildungswissenschaftlerin Nele Hirsch geleitet wurde. Mit ihrem eBildungslabor unterstützt sie zeitgemäße und innovative Bildungsvorhaben in unterschiedlichen Bereichen.

 

Frau Hirsch, worum geht es beim Thema Twin Transition und was macht es so spannend, Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam zu denken? 

Hirsch: Twin Transition verknüpft zwei zentrale Herausforderungen unserer Zeit. Das eröffnet ein großes Potenzial, um Bildungsprozesse personalisierter, flexibler und nachhaltiger zu machen. Dabei wird der Begriff der Twin Transition meist auch im Deutschen verwendet, man könnte ansonsten von Zwillings-Transformation oder „doppeltem Wandel“ sprechen. In jedem Fall wird ein doppelter Transformationsprozess fokussiert: auf der einen Seite die digitale Transformation, auf der anderen die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit. Wichtig ist dabei dann vor allem die entstehende Synergie beim Zusammendenken der beiden Prozesse.

 

In der Wirtschaft gibt es dazu bereits gute Beispiele. Warum ist das Thema auch für die Bildung interessant?

Hirsch: In der Wirtschaft geht es vor allem darum, digitaler zu werden, um mehr Effizienz zu erreichen und zugleich insgesamt ressourcenschonender zu agieren. In der Bildung liegt der Fokus darauf, dass Menschen gesellschaftliche Handlungsfähigkeit entwickeln. Dafür ist sowohl Digitalisierung als auch Nachhaltigkeit relevant. Wir wollen Lernende befähigen, den Prozess der Digitalisierung zu verstehen, zu gestalten und zu hinterfragen. Zugleich geht es aber auch darum, aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen zu können.

In der Kombination heißt das, von unserer digitalisierten Welt ausgehend aktuelle Herausforderungen zu betrachten und zu schauen, wie wir zu mehr Nachhaltigkeit beitragen können. Das ist aus meiner Sicht der Kern von Twin Transition. Wenn wir beide Bereiche zusammendenken, schwingt immer die Frage mit, wie das Lernen gestaltet sein soll und welche Kompetenzen wir entwickeln wollen. 

 

Welche Kompetenzen brauchen wir denn? 

Hirsch: Vielleicht kann ich das ein bisschen übergreifend sagen, denn in der Pädagogik arbeiten wir oft mit dem sogenannten 4K-Modell aus Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritischem Denken. In einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft ist es elementar, mit anderen zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen – also Kommunikation und Kollaboration. Zugleich brauchen wir – gerade in Sachen Nachhaltigkeit – auch Kreativität, um neu zu denken, weil wir mit den alten Mustern nicht mehr weiterkommen. Beim kritischen Denken würde ich eher wieder in die Digitalisierung hineingehen. Letztlich geht es darum, dass ich meinen  eigenen Weg finden muss, um mich im Überfluss von Informationen zurechtzufinden. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht, ob und in welcher Form ich KI-Tools gut und sinnvoll nutzen kann.

 

In der EPALE-Akademie zum Thema Twin Transition haben Sie vor allem auf innovative Lernformate gesetzt. Können Sie kurz erläutern, warum?

Hirsch: Für mich war relativ schnell klar, dass ich die Akademie nicht in einem klassischen Wissensvermittlungsmodus durchführen möchte. Ich finde es wichtig, sich als pädagogisch tätige Person auch selbst als lernende Person zu erleben und neue Formen des Lernens auszuprobieren. In der Akademie haben wir mit Mobile Learning als selbstbestimmtem, offenen und partizipativem Format gearbeitet. Es reicht nicht aus, zu sagen, wir machen jetzt Lernen und Lehren mit digitalen Tools oder ein Lernen über Nachhaltigkeitsthemen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich die Dinge sehr schnell verändern. Wenn wir in einem solchen Kontext möchten, dass Menschen sich einbringen und aktiv mitgestalten können, braucht es eine andere Lernkultur.

 

Was heißt das denn konkret, gerade hinsichtlich der Frage, wie wir lernen …

Hirsch: Wir können uns das am Beispiel der Akademie anschauen. Hier haben wir keine klassischen Selbstlern-Einheiten mit Input gemacht, vielmehr habe ich Impulse gegeben, wie sich die Lernenden auch in Interaktion mit KI-Sprachmodellen das für sie relevante Wissen erschließen und entwickeln können. Wenn solche Lernformen gelingen sollen,  heißt das zugleich aber auch, dass ich meine Rolle als Pädagogin grundlegend verändere. Ich bin nicht mehr eine Gatekeeperin von Wissen, das ich weitergebe, sondern schaffe den Lernraum, in dem ich das Lernen begleite. Manche Lernende in der Erwachsenenbildung benötigen dabei mehr Unterstützung, andere bekommen das direkt schon selbst hin. Das Ziel muss es sein, alle Menschen dahin zu bringen, dass sie selbstbestimmt und selbstständig lernen können.  Das ist dann eine Art Meta- oder Superkompetenz, die es aus meiner Sicht braucht.

 

Wie sieht das in der Praxis aus?

Hirsch: Entscheidend ist, dass wir von den Lernenden ausgehen. Hinzu kommt das, von dem der Journalist Reinhard Kahl gerne spricht, nämlich die „radikale Gegenwart“, die wir ins Lernen hineinholen sollten. Das heißt, man konfrontiert Menschen damit, was ist in dieser Welt passiert und unterstürzt sie dabei, neue Antworten auf die damit verbundenen Fragen zu finden. Dazu kann ich Lernprozesse eröffnen, bei denen ich auch als Pädagogin noch nicht weiß, was am Ende rauskommt. Ich weiß nur, dass die Menschen lernen werden, ihre Prozesse zu gestalten, sich mit anderen auszutauschen, kritisch zu reflektieren und neue Ideen zu entwickeln.

 

Sie sprechen in diesem Kontext gerne auch von der Lernfreude.

Hirsch: Ja, weil ich glaube, wenn das Ganze von den Lernenden ausgeht, dann ist auch die Möglichkeit da, dass man Lernfreude empfindet. Es ist uns Menschen eigen, etwas verstehen und erkunden zu wollen. Alle, die sich schon einmal wirklich in ein Thema hineingekniet haben, kennen auch die Freude daran. Diese Lernfreude würde ich gerne fördern und damit Räume zum Lernen schaffen

 

Mit Ihrem eBildungslabor legen Sie den Fokus auf digitale Bildung, offene Lernmaterialien und innovative Ansätze in der Erwachsenenbildung. Können Sie uns Ihre Philosophie kurz erläutern.

Hirsch: Die Philosophie ist tatsächlich, dass ich nicht sage, ich erkläre die Welt und liefere eine Lösung, sondern dass ich mich auch selbst als lernende Person verstehe. Das Ganze ist ein Prozess, der mich Schritt für Schritt ein Stückchen weiterbringt. Wenn ich das, was ich gestalte, dabei offen teile, kann daraus sehr viel entstehen. Der Grundfokus liegt darauf, dass wir gemeinsam erleben, wie verändertes Lernen aussehen und wie ich es als pädagogisch tätige Person gestalten kann. Das war im Übrigen auch die Idee der EPALE-Akademie: Die Teilnehmenden erleben gemeinsames Lernen ganz praktisch und konkret. Gelingt das, kann ich Bildungseinrichtungen und Lernende auf einen neuen Kurs bringen und die Lernenden zu eigenständigem Handeln und einer reflektierten Nutzung von Technologie befähigen.

 

Zurück zur Twin Transition: Kann man sagen, dass ein solches Thema neue Lernformate bedingt?

Hirsch: Ich finde, das ist so. Ganz oft zum Beispiel sagen Leute, wir brauchen jetzt mehr KI in den Schulen, weil Kinder ansonsten nicht darauf vorbereitet sind, irgendwann in 20 Jahren gut prompten zu können. Das ist für mich Unsinn, weil es nicht darum geht, ihnen jetzt Promptregeln beizubringen, die in 20 Jahren ohnehin nicht mehr aktuell sind. Was wir ihnen aber aufzeigen sollten, ist, wie sie mit einem neuen Themenfeld wie KI umgehen können. Die Nachhaltigkeitsperspektive in die Digitalisierung hineinzunehmen, schafft dann gleichzeitig einen Nordstern, an dem ich mich orientieren kann. 

 

Abschließend noch eine Frage zur EPALE-Akademie: Sind Sie mit dem Verlauf zufrieden?

Hirsch: Absolut. Mich hat begeistert , wie die Teilnehmenden das neue Lernformat angenommen haben, sowohl inhaltlich als auch methodisch. Dabei ging es zum einen um die Einsatzmöglichkeiten von KI, zum anderen aber auch darum, wie wir diese neue Form der Lernkultur erleben und wie das Format auf die eigene Bildungsarbeit übertragen werden kann. Dazu gab es einen regen Austausch, der zugleich auch die Idee der Vernetzung voranbringt. Auch das ist ein wichtiger Aspekt, denn der Aufbau einer „Community of Practice“ ist ein elementarer Baustein für ein erfolgreiches Lernen. Und last but not least ist er zugleich sehr nachhaltig.

 

Vielen Dank für das Gespräch

 

Mehr Information zum eBildungslabor: https://ebildungslabor.de

 

Foto Teaser: David Man & Tristan Ferne / https://betterimagesofai.orghttps://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Foto Beitrag: eBildungslabor, Nele Hirsch

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