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TCA Erfahrungsbericht: Volkshochschulen lernen von Finnland

Dr. Nicole Slupetzky (Direktorin VHS Salzburg, Österreich) und Martina Bachmeier (Internationale Projekte, VHS im Landkreis Cham e.V.) im Gespräch

Dr. Nicole Slupetzky (Direktorin VHS Salzburg, Österreich) und Martina Bachmeier (Internationale Projekte, VHS im Landkreis Cham e.V.) im Gespräch:

Dr. Nicole Slupetzky

Martina Bachmeier

 

Was war die Motivation zur Teilnahme?

Martina Bachmeier: Wie schön, im finnischen Inari eine österreichische Vertreterin der großen Volkshochschul-Familie kennenzulernen! Was hat dich als Direktorin der Volkshochschule Salzburg zu dieser TCA (Training and Cooperation Activity) „Arctic Pedagogy“ in den Norden Finnlands geführt?

Nicole Slupetzky: Ich freue mich auch, eine VHS-Kollegin zu treffen. Die Frage, wie Bildung in abgelegenen Regionen funktionieren kann, beschäftigt uns schon lange und das hat mich motiviert hier teilzunehmen, denn Finnland ist was das Thema Bildung betrifft, einfach ein Vorbild. Außerdem muss ich gestehen, war ich auch privat noch nie in Finnland und habe mich da aus meiner Komfortzone bewegt und einfach was völlig Neues für mich gemacht. 

Martina Bachmeier:  Bei mir war es ähnlich. Ich hatte vom viel gelobten finnischen Bildungssystem gehört und war sehr gespannt, in der Praxis zu sehen, wie es in dieser dünn besiedelten Region funktioniert - denn unsere Volkshochschule bietet Erwachsenenbildung in dem doch recht großen Flächenlandkreis Cham im Bayerischen Wald an. Wie lässt sich Berufs- bzw. Erwachsenenbildung also in einer Gegend erfolgreich umsetzen, deren räumliche Distanzen und Herausforderungen noch weit größer sind? 

Wie wir jetzt hörten, hat der von uns besuchte Ort Inari nur etwa 7.000 Einwohner auf einer Fläche von der Größe Belgiens. Gleichzeitig grenzt die Kommune Inari im Westen an Norwegen und im Osten an die Russische Föderation. 

Mit dem Termin 12.-16. Mai 2024 hat die ausrichtende Nationale Agentur aus Finnland für uns zwar die perfekte Saison gewählt, da die Temperaturen schon etwas wärmer sind und es rund um die Uhr hell ist – aber auch das ist hier ja keineswegs die Regel!

Welche Ideen sind entstanden?

Nicole Slupetzky: Genau, stell dir vor, wie kalt und dunkel es im Winter hier ist. Und welche Herausforderung das für Lehrkräfte und Lernende darstellt! Wie uns von den finnischen Gastgebern des The Sámi Education Institute erzählt wurde, sind alle in der dunklen Jahreszeit nur mit Stirnlampen im Freien unterwegs. Der Titel der Veranstaltung „Arctic Pedagogy“ weist ja schon darauf hin, dass es hier um einen besonderen Ansatz geht. Sie haben einen sehr analogen Ansatz, weil sie sehr stark von der Rentierzüchtung geprägt sind und Fähigkeiten, die in der Natur gebraucht werden, unterrichten, aber sich auch auf das alte Handwerk konzentrieren, ohne die modernen Entwicklungen zu übersehen. 

Ebenso hat uns die finnische Nationale Agentur einen guten Einblick in ihre Arbeit gegeben und die Organisation perfekt gemacht. Besonders schön fand ich, einen tiefen Eindruck von der Kultur der Sámi zu bekommen und natürlich auch Rentiere hautnah zu sehen. 

Aber nicht nur die Ideen aus Finnland sind inspirierend – auch der fachliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen teilnehmenden Ländern ist großartig! Trotz des dichten Programms ergaben sich viele Gespräche und Möglichkeiten für einen informellen Austausch und dem Schmieden von Projektideen.

Martina Bachmeier: Das stimmt, die Programmgestaltung mit den vielen Outdoor-Aktivitäten, wie z.B. der gemeinsame Aufbau von Lavvus, lud geradezu ein, sich immer wieder über die neuen Eindrücke auszutauschen und zu überlegen, was wir davon in unsere Regionen mitnehmen können. Ich hatte Gelegenheit, mich mit einer Kollegin aus dem NGO-Bereich in Österreich, mit anderen Teilnehmenden aus Deutschland sowie mit einer Kollegin aus Island zu unterhalten. Interessant ist für unsere Volkshochschule natürlich in besonderem Maß der Austausch mit den vier Teilnehmenden aus der Tschechischen Republik, da unser Landkreis ja eine lange Grenze zu diesem Land hat und wir immer wieder gerne grenzüberschreitend mit Partnerorganisationen im Nachbarland zusammenarbeiten. 

 

Gemeinsamer Aufbau der traditionellen Lavvus

 

Nicole Slupetzky: Auch mit den anderen Teilnehmenden aus Liechtenstein, der Slowakei und Spanien habe ich gesprochen und wir haben uns über mögliche Projekte unterhalten. Wir haben alle festgestellt, dass die Alltagsfähigkeiten, also der „Hausverstand“ mehr und mehr verloren gehen. Alle waren beeindruckt, wie die Sámi darauf achten, dass diese Basic Skills nicht verloren gehen. Deswegen waren alle begeistert von der Idee, hier ein gemeinsames Projekt zu überlegen, sowohl festzustellen, welche Basic Skills im Alltag gebraucht werden und dann ein Curriculum zu entwickeln, wie diese vermittelt werden können. Hier können uns die Finnen sicherlich gut unterstützen. 

Martina Bachmeier: Das ist eine sehr gute Idee! Ein solcher Ansatz wäre auch für viele unserer Lernenden an der Volkshochschule im Landkreis Cham e.V. hilfreich. 

Was mich neben der Erhaltung der kulturellen Traditionen und der handwerklichen Fertigkeiten der Sámi besonders beeindruckt hat, ist die wirklich aktive Pflege der eigenen Sprache. Eigentlich gibt es neun Sámi-Sprachen, leider sind einige davon aber unmittelbar vom Aussterben bedroht, weil es nur noch wenige Menschen gibt, die diese Sprachen aktiv sprechen. Das ist den Sámi jedoch sehr bewusst. Sicherlich trägt dieses Bewusstsein und die aktive Auseinandersetzung damit viel zur Erhaltung der Sprache bei. Nordsamisch wird noch von über 20.000 Menschen gesprochen und wie uns erklärt wurde, legen viele Eltern Wert darauf, dass ihre Kinder die Sprache wirklich aktiv beherrschen. Man sieht aber auch im Alltag viele mehrsprachige Beschriftungen und wir haben bei der Führung im Sádi Museum Siida gehört, dass es sogar junge Sámi-Rapper gibt, die damit viel Erfolg haben!

Wenn man dies nun auf unsere Situation in Bayern und Österreich überträgt, dann stellt sich schon die Frage: Müssen wir als Bildungsinstitutionen der Erwachsenenbildung nicht noch aktiver bei der Pflege unserer Dialekte tätig werden und so kulturelles Erbe erhalten helfen? Auch hier sehe ich Potenzial für künftige gemeinsame Projekte unter den Teilnehmenden dieser TCA. 

Was ist das Fazit?

Nicole Slupetzky: Das stimmt. Ich war das erste Mal mit dabei bei einer TCA und war wirklich sehr begeistert. Es war die perfekte Mischung aus Wissensvermittlung, kulturellem Einblick, Diskussion und der Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen. Ich nehme für mich mit, dass es gut ist, manchmal die eigene Komfortzone zu verlassen, da lernt man am meisten über sich und andere. 

Beeindruckt bin ich von Finnland, das sehr viel Geld in Bildung und Kulturvermittlung investiert, Ausbildungen auf Regionen abstimmt und dabei die bereits vorhandenen Kompetenzen immer berücksichtigt und anerkennt. 

Ich kann nur empfehlen, selbst an einer TCA teilzunehmen, um völlig neue Sichtweisen zu oftmals bekannten Dingen zu bekommen, Impulse für Projekte zu erhalten, an die man vorher definitiv nicht gedacht hätte und die Chance zu bekommen, tolle, engagierte Menschen kennenzulernen. Und abschließend, ist es eine gute Gelegenheit die eigenen Sprachkenntnisse aufzufrischen. 

Martina Bachmeier: Da bin ich ganz deiner Meinung. Selbstverständlich wird mir persönlich die außergewöhnliche Landschaft im Norden Finnlands mit ihrer unendlichen Weite in besonderer Erinnerung bleiben. Die Teilnahme an einer solchen TCA bietet jedoch nicht nur neue Perspektiven, sondern gerade der Austausch mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus Europa wirkt sehr inspirierend für die eigene Arbeit Die interessante Programmgestaltung trug viel zu dieser rundum gelungenen Veranstaltung bei – die TCA insgesamt ist also eine Erfahrung, die man jeder Bildungsorganisation nur wünschen möchte!


Bildnachweis: privat (von Teilnehmenden der TCA), Finnische Nationale Agentur (Programm)

TCA Beiträge.
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Und das Verfahren, um teilzunehmen, ist wirklich nicht kompliziert. Selbst gerade unterwegs auf dem Weg zu einem TC in Liechtenstein, erwartungsvoll und neugierig, kann ich auch nur zum Mitmachen ermuntern! 

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