So werden Trainings wirksam

Über sechs Millionen Menschen haben im Jahr 2020 an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen, so die Online-Statistikplattform Statista. Und laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gaben allein in Deutschland die Unternehmen für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter in diesem Jahr so viel Geld aus wie nie zuvor: rund 41,3 Milliarden Euro für Außer-Haus-Kurse, Webinare oder interne Schulungen.
Was ist der Erfolg dieser Trainings? Verbessert sich die berufliche Leistung der Teilnehmenden? Entwickeln sie neue Fähigkeiten und Skills? Schaffen Sie es, das Gelernte in den Berufsalltag mitzunehmen und dort etwas zu verändern?

Dr. Ina Weinbauer-Heidel, CEO des Instituts für Transferwirksamkeit im österreichischen Sankt Valentin ist Autorin des Buches: „Was Trainings wirklich wirksam macht“. Sie zitiert darin Professor Robert O. Brinkerhoff, einen Experten für Lernprozesse und Lerntransfer: „Im Schnitt gelingt nur zwei von zwölf Teilnehmenden der Transfer des Erlernten in den Alltag. Acht versuchen, das Gelernte anzuwenden, scheitern aber. Und zwei probieren es gleich gar nicht.“ Mit anderen Worten: Trainings werden mit hohem Einsatz und Aufwand betrieben, sind aber wenig effizient?
Wovon hängt denn die Transferwirksamkeit ab und wie werden Weiterbildungen effizient? „Die Transferforschung untersucht das schon seit mehr als 100 Jahren“, berichtet die Wissenschaftlerin. Immerhin besteht Klarheit darüber, dass für die Transferwirksamkeit drei Bereiche ausschlaggebend sind, nämlich:
- Teilnehmer*innen
- Trainingsdesign
- Organisation
Dabei ist mit dem dritten Bereich „Organisation“ die betriebliche Organisation gemeint. Und die stellt sich manchmal als großer Hemmschuh heraus. Immer dann nämlich, wenn die Teilnehmer*innen motiviert von einem Training in den Arbeitsalltag zurückkehren und nun versuchen, Impulse für Veränderungen in die Praxis umzusetzen. „Dann scheitern sie oft an der Unbeweglichkeit des Systems, das angeblich schon immer so funktioniert hat“, weiß Dr. Weinbauer-Heidel aus Erfahrung.
Transfererfolg geht anders
Als schwierig erweist sich auch, dass viele Firmen Trainings nicht wirklich evaluieren. So wird per Fragebogen zwar oft nach der Zufriedenheit der Teilnehmenden gefragt, und ob es „gefallen“ hat. Aber auch unzufriedene Teilnehmende können etwas verändern. Deshalb müsste die Frage nicht lauten: „Bist Du zufrieden?“ Sondern: „Was wirst Du verändern?“
Die Frage ist aber auch, ob das Training wirklich ein Problem des Unternehmens lösen kann. Wenn etwa die Burn-out-Rate unter den Mitarbeitenden stetig steigt, dann kann ein Training zur Burn-out-Prophylaxe auch nur wenig helfen. „Dann muss an der Struktur und der Organisation gearbeitet werden.“
Zwölf Stellhebel beeinflussen die Transferwirksamkeit
Aus den über 100 bereits erforschten Faktoren, die den Transfererfolg beeinflussen, hat Dr. Weinbauer-Heidel zwölf herausgearbeitet, die sich in der betrieblichen Praxis beeinflussen und fördern lassen. „Ich werde oft gefragt, welcher denn der wichtigste dieser zwölf Hebel sei“, so die Transferexpertin. „Aber alle sind wichtig und welchem bei einem konkreten Projekt die größte Bedeutung zukommt, das variiert nach Zielgruppe, Training und Organisation.“

Ohne sie ist alles nichts: die Transferplanung
Der Stellhebel „Transferplanung“ beschreibt das Ausmaß, in dem der Transfer im Training vorbereitet wird. Er bietet so etwas wie einen „quick win“. Oder anders gesagt: Die Teilnehmer*innen sollen ein Training verlassen und wissen, welche konkreten Schritte sie am nächsten Tag tun werden. Das ist dann keine allgemeine Planung, sondern sind einzelne, genau definierte Schritte. Ziele werden festgestellt, damit auch vergleich- und kontrollierbar. „Wir wissen, dass Teilnehmende, die genau das tun, ihren Trainingserfolg verdoppeln bis verdreifachen“, fügt Weinbauer-Heidel hinzu.
Hier kommt Trainern und Trainerinnen eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen längst nicht mehr nur Wissen vermitteln, denn das lässt sich auch auf anderen Wegen vermitteln. Sie sollen Menschen motivieren, an der Umsetzung der Transferziele zu arbeiten – auch wenn es Hindernisse gibt. Ihre Rolle ist also eher die eines Coaches als die eines „Lehrenden“.
Selbstwirksamkeitsüberzeugung oder: „Ja ich kann es!“
Ein anderer der zwölf Stellhebel ist der der Selbstwirksamkeitsüberzeugung - entscheidend für den Transfererfolg. „Dahinter verbirgt sich die Überzeugung eines Individuums, dass es aufgrund der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen bestimmte Leistungen erbringen kann“, erläutert Dr. Ina-Weinbauer-Heidel. Diese Selbstwirksamkeit bezieht sich eben nicht nur auf die Inhalte des neu Erlernten, sondern auch auf deren Umsetzung.
Um beim Beispiel des Burn-out-Trainings zu bleiben – würde das bedeuten, dass die Teilnehmenden nicht nur die Symptome erkennen, sondern auch vorbeugend handeln und ihren Umgang mit Arbeitsbelastungen konsequent verändern.
„Dazu ist es wichtig, dass es im Training bereits erste Erfolge gibt“, so die Wissenschaftlerin. „Die theoretische Vermittlung reicht nicht, aber dank Simulationen können die Teilnehmenden Handlungen erproben und Verhaltensveränderungen einüben.“ Durch Wiederholungen lässt sich das Geübte festigen, bis schließlich die Überzeugung steht: „Yes, I can“.
Es gibt Menschen, die eine stabile Selbstwirksamkeitsüberzeugung besitzen, aber es gibt auch eine handlungsbezogene Selbstwirksamkeit, die sich beeinflussen lässt. Dafür zählt nicht nur der eigene Erfolg, sondern auch der von Menschen, die uns ähnlich sind, also „Stellvertreter*innen“. Hilfreich dabei ist das Nachfassen und der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen, das gegenseitige Coaching und die verbale Ermutigung: „Du kannst das“.
Kleine Ziele und einfache Schritte führen eher zum Erfolg
Masha Ibeschitz-Manderbach, Top Executive Coach, Beraterin, Gründerin und Kopf der Think beyond Group in Wien, ist auch Co-Autorin des Buches von Dr. Ina Weinbauer-Heidel. „Selbstwirksamkeit ist die Intensität der Überzeugung, die erworbenen Fähigkeiten praktisch zu beherrschen“, formuliert sie.
Woran aber scheitern dann so viele gute Vorsätze? Und was können Unternehmen tun, um die Selbstwirksamkeit ihrer Mitarbeitenden zu stärken? „Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen nehmen sich nach dem Training gerne vor, dass sie alle Materialien noch einmal durchgehen und dann so richtig durchstarten“, weiß sie. „Das ist ein riesengroßer Rucksack, den sich Menschen umhängen. Was dagegen besser klappt, sind kleine Schritte – keine großen Zukunftsziele, sondern konkrete Maßnahmen, die sich meistens schon am nächsten Tag nach dem Training umsetzen lassen. Studien zeigen gute Ergebnisse bei diesen umsetzungsorientierten Zielen.“
Unternehmen können diese Selbstwirksamkeitsüberzeugung fördern: indem sie Erfolgsgeschichten erzählen und damit zeigen, dass ihnen Transfer wichtig ist. „Sie können den Mitarbeitenden außerdem Räume zur Verfügung stellen, um sich über Umsetzung auszutauschen und jeden Schritt als Team zu feiern“, so Masha Ibeschitz-Manderbach. „Das können 30-Minuten-Implementierungs- oder Peer-Sessions nach Präsenzveranstaltungen sein“, regt sie an. „Aber zum Beispiel auch Slack-Channel oder WhatsApp-Gruppen.“
Transformation durch ganzheitliches Herangehen
Auch an die Coachin und Praktikerin geht die Frage: Was macht Trainings wirklich wirksam? „Lernen ist ein Prozess, kein Projekt. Nur in Verbindung und Kooperation aller Stakeholdergruppen gelingen nachhaltige und fortwährende Personalentwicklung und Lernen.“ Wenn es scheitere, so die Führungskräfteentwicklerin, dann oft daran, dass ein wirksames Training nicht holistisch betrachtet und im gesamten Unternehmen eingebettet ist.
Masha Ibeschitz-Manderbach nennt ein Beispiel: „Wir haben in den letzten Jahren viele Unternehmen bei sehr wirkungsvollen Trainingsmaßnahmen beraten und begleiten dürfen. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Projekt aus der Industrie, bei dem von Beginn an Transfer und Umsetzung des Gelernten mitgedacht und mitgeplant wurde.“
So gab es ausformulierte Transferziele, bevor überhaupt noch Inhalte oder Tools der Trainingsmaßnahmen gestaltet wurden. Oder anders gesagt: Der Transferfokus war der Beginn, alles Folgende hat sich danach gerichtet. Zum Beispiel in Form eines standardisierten Umsetzungsprozesses im Ausmaß von vier bis acht Stunden nach jedem einzelnen Präsenzmodul des Leadership Programms. Es gab ein wöchentlich reserviertes Zeitkontingent von allen Teilnehmenden für Implementierung, ein Umsetzungsgespräch mit der eigenen Führungskraft, Peer-Sessions, in denen sich die gesamte Gruppe zur Umsetzung austauschte und auch eine Session mit einem externen Coach. Sowohl Teilnehmende selbst als auch die Personalabteilung und die Geschäftsleitung haben diese Maßnahmen als wert- und vor allem direkt wirkungsvoll beschrieben.
Transformation von Anfang an mitdenken
Generell lässt sich Transferwirksamkeit und damit Trainingserfolg immer dann erreichen, wenn das Prinzip des „make it easy, make it light“ umgesetzt wird. Das bedeutet etwa in einem Training für Führungskräfte schon in den Workshops das Üben von Feedback geben. Oder das Trainieren von herausfordernden Situationen – und die eigene Einschätzung zur Selbstwirksamkeit. Wichtig ist auch die Einbindung von Fallbeispielen, die die Teilnehmenden selbst mitbringen und die aus deren eigenem Alltag stammen. „Das kann die erlebte Selbstwirksamkeit stark erhöhen“, weiß die Coachin.
Ein anderer Mosaikstein auf dem Weg zur Selbstwirksamkeit – und damit zum Trainingserfolg – war in einem Projekt auch der Einsatz einer internen Expertin. „Die hatte das Training bereits durchlaufen und unterstützte beim Üben.“ Das alles sind mögliche Schritte, die zum Erfolg beitragen. Letztlich steht über allem die Frage an die Personalexperten in Unternehmen: „Wie können wir fördern, dass die Teilnehmenden nach dem Training überzeugt sind, die erworbenen Fähigkeiten gut zu beherrschen?!
Literatur: Was Trainings wirklich wirksam macht. Weinbauer-Heidel u.a., 2016, tredition, Hamburg
Copyright für alle Abbildungen: Institut für Transferwirksamkeit