European Commission logo
Anmelden Ein Konto erstellen
Mehrere Wörter mit Komma trennen

EPALE - Elektronische Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

Blog

Outdoor-Education für Erwachsene: eine Herausforderung für die persönliche und berufliche Entwicklung

Outdoor-Training bietet eine Erfahrung in Problemlösung, Selbstermächtigung und Teambildung, sowie auch als Methode der Metakognition.

Der ursprüngliche Beitrag wurde von Elena Pacetti auf Englisch verfasst. 

Outdoor education for adults

John Dewey (1938) zufolge lernen wir durch Handeln – begleitet von Reflektieren und Verstehen. Lernen durch Handeln, aber auch Lernen durch Denken, sind die Grundlagen des aktiven Lernens. Marta Nussbaum (2010) weist darauf hin, dass dieser Lernbegriff der Vorstellung einer komplexen und interdependenten Welt entspricht, in der man aktiviert werden und die Funktionsweise der Welt verstehen muss, um sich bewusst orientieren und als Weltbürger handeln zu können.

Erfahrungen spielen aufgrund des Kontakts zwischen theoretischen und praktischen Momenten eine grundlegende Rolle im kognitiven Prozess: Durch das Sammeln von Erfahrungen kann der Mensch für sein eigenes „Sein mit der Welt“ einen Sinn konstruieren, was wiederum seinem Bedürfnis entspricht, allen seinen Erlebnissen einen Sinn und eine Bedeutung zu geben.

Dieser Erfahrungsbegriff bildet die Grundlage der Theorie des Erfahrungslernens, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts dank der fortschrittlichen Beiträge zahlreicher Wissenschaftler:innen entwickelt wurde. Im Jahr 1984 erarbeitete David Kolb sein Modell des Erfahrungslernens und -trainings im Kontext der Berufsausbildung, das genau auf dieser Idee des Lernens durch Interaktion mit der Umwelt basiert.

Das Modell geht davon aus, dass das Lernen ein zirkulärer Prozess ist und dass Trainer:innen und Lehrer:innen bei der Organisation und Durchführung der Lernaktivitäten einem bestimmten Rhythmus folgen müssen, um ihre Lernziele zu erreichen. Diese zirkuläre Methode besteht aus den Phasen des Erlebens, des Reflektierens, des Denkens und des Handelns.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche naturnahe Projektinitiativen (einschließlich groß angelegter Aktivitäten in der Natur) eingeleitet, die sich insbesondere an Kinder richteten: Sensibilisierungsmaßnahmen, Fortbildungsinitiativen für Lehrer:innen und Trainer:innen sowie konkrete Bildungsangebote (wie z. B. Waldkindergärten und -schulen) gibt es heute häufiger als vor der Pandemie. Infolge der Einschränkungen hat die Pandemie in vielen Menschen das Bedürfnis geweckt, sich wieder mit all ihren Sinnen mit der Natur zu verbinden.

International wird Outdoor-Education als eine Bildungsform definiert, die verschiedene Bildungstheorien und -methoden zusammenbringt. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass die natürliche Umwelt als privilegierter Bildungsort anerkannt wird. Die Outdoor-Education schreibt aber nicht unbedingt nur Aktivitäten vor, die im Freien durchgeführt werden, sondern betont auch die Gleichwertigkeit von Aktivitäten in Innen- und Außenräumen.

Im Zuge der Pandemie wurden 2020 die Outdoor-Bildungsangebote in erster Linie als Eindämmungsstrategie genutzt. Damit sich Outdoor-Education jedoch von einer vorübergehenden Modeerscheinung zu einem auch langfristig bestehenden pädagogischen Ansatz entwickeln kann, müssen die dabei genutzten Methoden unter Anerkennung ihres hohen pädagogischen Wertes international verbreitet werden.

Der Begriff „Outdoor“ bezieht sich im angelsächsischen Kulturkreis nicht nur auf das Hinausgehen in die Natur, sondern im weiteren Sinne auch darauf, wie durch dieses Hinausgehen das Bewusstsein aktiviert wird und sich für Erfahrungen und Wahrnehmungen öffnet, die sonst so nicht möglich sind. Das Überschreiten der Schwelle, das Heraustreten aus der Tür, schafft also die Voraussetzungen für eine neue Beziehung zwischen sich selbst und der Welt.

Das ist die wahre Bedeutung der Outdoor-Pädagogik, die sich nicht nur auf das Draußensein in seiner didaktischen oder spielerischen Dimension beschränkt, sondern die vielmehr eine Pädagogik der Wahrnehmung darstellt, bei der der interessanteste Weg derjenige ist, der sich im Inneren der einzelnen Individuen abspielt. Denn jeder Mensch macht unterschiedliche Erfahrungen und setzt seine eigene Anpassungsfähigkeit auf unerwartete und für ihn selbst manchmal überraschende Weise in die Tat um; er verfeinert seine Wahrnehmungsfähigkeit in Bezug auf sich selbst, auf andere und auf die Umwelt, in der er lebt, und er tut dies gerade deshalb, weil er sich selbst gestattet, die Schwelle hin zu einem ungewohnten Ort zu überschreiten. Diesen Ort können wir auch Risikozone nennen (Galiazzo, 2017).

Dabei gilt es zu fragen: Wie vertraut sind die Erwachsenen mit der Vorstellung, ihre sichere, ihnen bekannte Zone zu verlassen und die Risikozone zu betreten? Wie vertraut sind sie mit der Idee Fragilität, Unsicherheit und Kontrollverlust zu erleben? Und wie können wir die verschiedenen Subjekte dazu bringen, sich in die Risikozone zu wagen, die Wygotskis Zone der proximalen Entwicklung so sehr ähnelt?

Unsere Umwelt kann zu einer Zone werden, in der wir prägende Momente erleben, die uns aus unserer sicheren Zone – aus dem Bekannten – herausführen, damit wir uns an unerforschte Orte wagen und uns mit dem Unerwarteten, dem Neuen auseinandersetzen.

Die Kontexte, in denen Outdoor-Training für Erwachsene stattfindet, können je nach den Aktivitätszielen variieren: Es handelt sich dabei unter anderem um Projekte, die auf sozialpädagogische Eingliederung und Rehabilitation, Therapie, Erholung und Freizeit abzielen, aber auch um Outdoor-Projekte für Einzelpersonen oder Gruppen im Rahmen von Unternehmensschulungen, Einzel- oder Gruppenschulungen oder Weiterbildungen. Bei diesen Projekten stehen vor allem Teambuilding, Kompetenzen effektiver Führung, die Entwicklung von Kommunikationsfähigkeiten und emotionaler Intelligenz sowie Empowerment im Fokus.

Zum Outdoor-Training gehören eine Reihe von Aktivitäten, die in der freien Natur durchgeführt werden, um bei den Teilnehmenden unter Anleitung von speziell qualifizierten Trainer:innen bestimmte Verhaltensweisen auszubilden oder weiterzuentwickeln.

Der Lernprozess, der in einem natürlichen Kontext stattfindet, umfasst verschiedene Dimensionen:

  1. die aktive Beteiligung des Subjekts an der Suche nach und Entdeckung von Lösungen;
  2. das Einbringen der Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeiten des Subjekts als Mitglied einer Gruppe;
  3. eine Arbeitsmethodik, die unter Berücksichtigung des erfahrungsbasierten Lernzyklus von Kolb verschiedene Lernphasen unterscheidet, und bei der sich Momente der Aktivität mit Momenten der Passivität abwechseln (Aktion - Analyse der Ergebnisse);
  4. die Moderation durch Trainer:innen, die eine Wohlfühl-Atmosphäre für die Gruppe schaffen, in der neue und übertragbare Erfahrungen möglich sind.

Die Outdoor-Erlebnispädagogik beschleunigt den Lernprozess, weil sie die kognitiven, emotionalen und physischen Komponenten zusammenbringt, die in einem Klassenzimmer nicht immer auf die gleiche Weise stimuliert werden. Insbesondere die physische, körperliche Dimension ist im Klassenzimmer fast nicht vorhanden, auch wenn sie als Beschleuniger von Lernprozessen fungiert. Durch das Erlebnis kommt die körperliche Dimension des Lernens besser zum Ausdruck. Sie ermöglicht es, die subjektive Wahrnehmung zu aktivieren und alle verfügbaren Ressourcen und Energien zu mobilisieren, um sich den realen Problemen zu stellen, die die jeweilige Aktivität aufwirft.

Im Rahmen eines Outdoor-Trainings werden Einzelpersonen, Paare und Gruppen vor eine körperliche Aufgabe gestellt, bei der ein Hindernis überwunden werden muss. Die Erlebnisse werden aus einer Reihe von körperlich herausfordernden Aktivitäten zusammengestellt, wie z. B. Biwakieren, Wandern, Abseilen an einer Wand, Bau eines Basislagers, Höhlenwandern, Furten, Orientierungslauf, Überquerung der tibetischen Brücke, Rafting oder Klettern. Die Teilnehmenden erhalten einige Informationen darüber, wie die Aufgabe auszuführen ist, und es gibt eine Abstufung in verschiedene Schwierigkeitsgrade.

Außerdem werden die Teilnehmenden dazu ermutigt, während der vorgeschlagenen Herausforderungen in sich zu gehen, körperlich, emotional und kognitiv anwesend zu sein und sich selbst und das Verhalten der anderen zu beobachten. Dies ist besonders im Hinblick auf die Nachbereitungsphase wichtig, die oft als Debriefing bezeichnet wird: In dieser Phase werden die Teilnehmenden aufgefordert, die Ereignisse und ihre jeweiligen Erfahrungen zu analysieren, die gegenseitigen Wahrnehmungen zu vergleichen und eine umfassendere und komplexere Interpretation zu erarbeiten. Diese Phase spiegelt die reflektierende Beobachtung im Modell des Erfahrungslernzyklus von Kolb wider, d. h. es handelt sich um eine Phase, in der die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen nachdenken und sie aus einer Vielzahl von Perspektiven betrachten, nachdem sie vollständig in die Aktivität (Handlung) eingebunden waren. Diese Phase ermöglicht es den Teilnehmenden, ihre eigenen Gefühle, Emotionen und Gedanken darzulegen und Feedback zum beobachteten Verhalten ihrer Kolleg:innen abzugeben.

Das Feedback hat einen doppelten Wert: Einerseits ermöglicht es, aufrichtig, ehrlich und nicht wertend die eigene Sichtweise auf die Situation und das Verhalten von Kolleg:innen darzulegen, um sie dabei zu unterstützen, die verschiedenen Wahrnehmungen, die ihr Verhalten hervorrufen kann, zu verstehen; andererseits schult es die Fähigkeit, eine andere Sichtweise als die eigene anzuhören, sie anzunehmen und zu vertiefen, ohne diese als persönlichen Angriff zu verstehen.

Durch diesen Austausch von Feedback entwickeln sich wirkungsorientierte Kommunikations- und Sozialkompetenzen, die auch auf die eigene Organisation übertragen werden können. Der dadurch entstehende offene, kontinuierliche und nicht wertende Vergleich ermöglicht eine gegenseitige Verbesserung.

Die dritte Phase besteht in der Entwicklung mentaler Modelle, die von den Trainer:innen vorgestellt und erläutert werden: Ausgehend von den Beobachtungen und Überlegungen zum Verhalten der Teilnehmenden und dem Vergleich mit Situationen, die sie am Arbeitsplatz erlebt haben, werden allgemeinere Überlegungen angestellt, konkretisiert und zu einem Orientierungsmodell für die Zukunft verdichtet. Dieses Schema kann später als nützliches Instrument zur Verhaltenssteuerung dienen. Diese Phase entspricht der abstrakten Konzeptualisierung des Kolb‘schen Modells. Sie nimmt im Zyklus des Erfahrungslernens eine besonders wichtige Rolle ein, da sie die Möglichkeit bietet, aus jeder Lebenssituation durch Reflexion, erneute Ausarbeitung, und durch die Fähigkeit, mit anderen zu kommunizieren und ihre Sichtweise anzuhören, etwas zu lernen.

Mithilfe von Outdoor-Training lassen sich aus diesem Grund nicht nur Erfahrungen in den Bereichen Problemlösung, Empowerment und Teambuilding vermitteln. Die Lehrmethode ist darüber hinaus auch eine metakognitive Strategie, die Menschen dabei unterstützt, aus ihren eigenen Erfahrungen zu lernen und ein stärkeres Bewusstsein für ihre eigenen Lernstile und bevorzugten Methoden zum Erwerb neuer Fähigkeiten und Kenntnisse zu entwickeln.

Die persönliche und berufliche Entwicklung setzt immer eine gewisse Risikobereitschaft voraus, wenn es darum geht neue Dinge auszuprobieren. Ein effektiveres Verhalten zu erlernen bedeutet, sich selbst zu verändern. Aber um sich zu verändern, muss man in der Lage sein, Situationen der Unsicherheit, des Risikos und der Dissonanz (Challenge Zone) zu durchlaufen, zumindest bis man den nächsten sicheren Hafen erreicht.

Quellen

Dewey, J. (1938). Experience and Education. New York, NY: Kappa Delta Pi. Galiazzo, M. (2017). Giochi per adulti in natura. Teoria. Rom: Aracne editrice. Kolb, D.A.  (1984). Experiential learning: experience as the source of learning and development. New Jersey: Prentice-Hall. Nussbaum, M.C. (2010). Not for Profit. Why Democracy Needs the Humanities. Princeton und Oxford: Princeton University Press.

Likeme (11)

Kommentar

In school, students and adults are taught how to write, solve math problems, etc. But most students can't really apply these skills in real life. That's why I personally think outdoor education is very important. Especially in adult education, it is important to combine theoretical knowledge with practical experience. You can only learn by acting, thinking, reflecting and understanding. In an outdoor education the experiences and perceptions are not the same as in a classroom, students have to grow and get out of their comfort zone to experience real life situations. It's just like a driver's license; after you pass the theoretical and practical part, you can't say "I'm a good driver", you need more experience to be a really good and safe driver. That's why I think it's important to get out of your comfort zone and practice in what is called the "risk zone." By combining cognitive, emotional and physical components, one can experience oneself, others and the environment and gain new knowledge. 

For all these reasons, I think it's really important to integrate outdoor education into adult education, but also into all other types of education.

Likeme (0)