Lernort Sport: Emotionale Intelligenz kann man trainieren


Wie eng Emotionen und Sport zusammenhängen, konnten wir alle gerade wieder bei den Olympischen Spielen erleben. Manche Sportler schrien sich selbst zum Erfolg. Bei anderen flossen Tränen der Freude und der Frustration. Fast immer gingen die Gefühlswogen hoch. Warum manche Sportler und Sportlerinnen anders mit Wettkampfsituationen und Siegen oder Niederlagen umgehen als andere, hat auch mit der „emotionalen Intelligenz“ zu tun. Die Deutsche Sporthochschule Köln bietet eine Weiterbildung mit dem Titel „Emotionale Intelligenz in Sport und Beruf“ an.
Im Gespräch: Stefan Ackermann, Promotionsstudent am Psychologischen Institut (Abteilung Leistungspsychologie) der Deutschen Sporthochschule Köln. Stefan Ackermann ist gemeinsam mit Dr. Sylvain Laborde, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut, Abteilung Leistungspsychologie der DSHS Köln, einer der beiden Referenten des Seminars.

EPALE: Herr Ackermann, worum geht es in dem Seminar?
Stefan Ackermann: Die Teilnehmenden lernen, wie eine optimale emotionale Umgebung geschaffen werden kann, die sowohl im Individual- als auch im Mannschaftssport oft den entscheidenden Unterschied zwischen Sieg und Niederlage bringt. Es geht aber auch darum, zu verstehen, wie sich der Teamgeist stärken lässt oder wie die Qualität der Zusammenarbeit gesteigert werden kann. Anders gesagt, es geht darum, Emotionen zu erkennen, zu verstehen und mit ihnen umzugehen.
EPALE: Wer ist denn die Zielgruppe des Seminars?
Stefan Ackermann: Eigentlich ist das ein Thema für alle, die mit Menschen zu tun haben. Zu uns kommen Trainer, Lehrkräfte, Studierende, aber auch Ergo- und Physiotherapeuten. Bei den letzteren geht es unter anderem darum, die Beziehung zum Patienten zu verbessern oder zu stärken. Letztlich kann eine Behandlung nur dann erfolgreich sein, wenn interdisziplinäre Teams gut kooperieren – auch dabei ist das Thema von Bedeutung. Je nach Zusammensetzung der Gruppe, nach den Bedürfnissen und Vorerfahrungen, passen wir die Inhalte an.
EPALE: Emotionale Intelligenz – was genau bedeutet das eigentlich?
Stefan Ackermann: Es geht sowohl um die eigenen als auch um die Emotionen anderer Menschen. Wir unterscheiden bei der Weiterbildung fünf Dimensionen: Identifikation, Expression, Verstehen, Regulation und Nutzen.
Die Identifikation von Emotionen bezieht sich darauf, Emotionen wahrnehmen und benennen zu können. Erkenne ich, ob jemand wütend, traurig oder fröhlich ist?
Der Ausdruck von Emotionen bezieht sich darauf, eigene Emotionen verbal oder nonverbal zu vermitteln und anderen Empathie zeigen zu können, wenn sie ihre Emotionen ausdrücken.
Emotionen zu verstehen bedeutet, die zugrundeliegende Ursache einer Emotion nachzuvollziehen und zwischen Auslöser und Ursache unterscheiden zu können.
EPALE: Können Sie ein Beispiel geben?
Stefan Ackermann: Stellen Sie sich vor, drei Personen gehen die Straße entlang und ein Hund läuft über die Straße. Die erste Person freut sich, weil sie selbst einen Hund hat, der ähnlich aussieht und ihr viel bedeutet. Die zweite Person wird traurig, weil ihr Hund kürzlich gestorben ist. Die dritte Person bekommt Angst, weil sie als Kind von einem Hund gebissen wurde. Das ist dieselbe Situation, derselbe Auslöser, aber es sind unterschiedliche Ursachen und folglich unterschiedliche Emotionen.
Bei der vierten Dimension geht es um die Emotionsregulation. Diese bezieht sich auf die Steuerung der Intensität einer Emotion und spielt eine sehr große Rolle hinsichtlich Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Die fünfte Dimension bezieht sich auf das Nutzen von Emotionen zum Erreichen von Zielen.
EPALE: Mit welcher Motivation kommen die Teilnehmenden in das Seminar – was wollen sie erreichen?
Stefan Ackermann: Das ist ganz unterschiedlich. Lehrkräfte etwa wollen oft den Umgang mit Schülern verbessern oder bestimmte Kinder besser fördern und fordern können. Es geht aber auch um Elternarbeit oder generell um Zusammenarbeit mit Teams. Manchmal steht auch das Verarbeiten von belastenden Ereignissen im Vordergrund. Oft um Kommunikation und die Frage, wie ich im Sport motorische, aber auch persönliche Fähigkeiten fördern kann. In anderen Fällen geht es darum, die eigenen Emotionen besser kennenzulernen und zu meistern.
EPALE: Das Seminar gibt es in Präsenzform und online – jeweils an zwei Tagen. Reicht das aus, um emotionale Intelligenz zu verstehen und sein Verhalten zu verändern?
Stefan Ackermann: Ja, wir bieten die Weiterbildung auch online an – damit mehr Interessierte, die nicht nach Köln kommen können, die Möglichkeit haben, teilzunehmen. Wir richten uns unter anderem an Multiplikatoren, die in den Schulen, Vereinen, Verbänden das Gelernte in ihrer Arbeit mit anderen Menschen anwenden. Und ja, zwei Tage sind kurz. Wir gehen bei dieser Weiterbildung von drei Schritten aus: Wissen, Fähigkeit und Eigenschaft. Wir können hier das Wissen vermitteln und die Fähigkeit trainieren. Damit emotionale Intelligenz zu einer Eigenschaft wird, bedarf es natürlich der Übung.
EPALE: Stichwort Übung. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, Verhalten praktisch zu üben?
Stefan Ackermann: Ja, bei unsrem Präsenzseminar gehen wir in die Halle und veranstalten sportliche Spiele, um die fünf angesprochenen Dimensionen zu fördern. Online gibt es dazu ein Skript. Wir üben aber auch online – etwa die Emotionsregulation. Dazu setzen wir unter anderem Atemübungen ein.

.EPALE: Die Teilnehmenden lernen im Seminar das „Profile of Emotional Competence“ kennen. Was genau ist das?
Stefan Ackermann: Mit diesem Fragebogen, bestehend aus 50 Fragen werden die Dimensionen der emotionalen Intelligenz erfasst. Die Teilnehmenden lernen den Fragebogen kennen und erfahren, wie man ihn auswertet und als Grundlage für Beratungsgespräche und/oder Interventionen nutzen kann. Zudem bekommen alle Teilnehmenden die Möglichkeit zu einem Einzelgespräch mit Dr. Sylvain Laborde, meinem Doktorvater und Co-Referenten.
EPALE: Und bekommen Sie Rückmeldung nach dem Seminar?
Stefan Ackermann: Ja, ein Teilnehmer hat uns etwa geschrieben, dass er zunächst dachte, zwei Tage Beschäftigung mit dem Thema seien genug, um es als Tool zur Belastungssteuerung im Ausdauersport verwenden zu können. Aber er hat erkannt, dass er in der Sache nicht genug weiß und seine eigenen Erfahrungen machen muss. Besonders hervorgehoben hat er die Verbindung von Forschung und Praxisanteilen. Solche Rückmeldungen freuen uns sehr!