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Lerngemeinschaften am Arbeitsplatz: Communities of Practice

Lernen ist ein Prozess, der unser Verhalten beeinflusst: durch unsere Erfahrung und den Sinn, der unserem Handeln im sozialen Kontext zugeordnet wird.

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Der Originalbeitrag wurde ursprünglich von Elena Pacetti auf Englisch veröffentlicht.


Learning comminuties

Lernen als sozialer Prozess: Methoden des kollaborativen Lernens

Wenn wir auf Arbeit mit einem Problem konfrontiert werden, wenden wir uns zuerst an die Kolleg:innen, die mehr über das Problem wissen als wir, oder die über einen größeren Erfahrungsschatz verfügen als wir und bereit sind, diesen mit uns zu teilen. Wahrscheinlich werden wir die von unseren Kolleg:innen vorgeschlagene Lösung (die schon praxisbewährt ist) schneller erlernen, da sie mit einer realen und bereits durchlebten Problemsituation verknüpft ist. Diese Lösung ist dann der beste Weg zur Bewältigung des Problems, und auf diese Weise wird aus implizitem Wissen explizites Wissen.

In Anlehnung an die Theorien von Bruner (1990) zum Thema Lernen als sozialer Prozess, entsteht das effektivste und hilfreichste Wissen durch einen Prozess sozialer Konstruktion, durch gemeinsame Ziele und Praktiken und durch eine kollektive Identität. Bruner betont, dass Lernen ein konstruktiver Prozess ist, der auf der Verarbeitung von Informationen, der Anwendung von Strategien und der Überprüfung von Hypothesen beruht, und zwar in einem Kontext, der ohne die Zusammenarbeit der Prozessteilnehmer:innen nicht funktioniert. Kollaborative Lernmethoden verbessern die Problemlösungsstrategien, da sich die Lernenden mit verschiedenen Interpretationen und Perspektiven einer Situation auseinandersetzen können.

Communities of Practice im Arbeitsalltag

Wir können an unseren Arbeitsplätzen viel lernen, wenn wir Communities of Practice (CoPs) bilden. CoPs sind informelle Gruppen von Menschen, die dieselben Interessen oder Arbeitsaufgaben teilen und somit einen starken sozialen Zusammenhalt haben. Oft treffen sich diese Gruppen auch spontan um Erfahrungen, Ratschläge oder alltägliche Arbeitsmethoden auszutauschen.

Die neuen Technologien, insbesondere das Web 2.0 und die dadurch entstehenden Möglichkeiten, haben die Bildung solcher Communities of Practice im virtuellen Raum erleichtert und die Möglichkeiten für den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Praktiken sowie für die Online-Zusammenarbeit vervielfacht. Die Virtual Professional Community (VPC) ist ein virtueller Ort, an dem Arbeitnehmer:innen Informationen austauschen können, um kontinuierlich zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Durch die Nutzung der informativen und interaktiven Dimensionen in einem virtuellen Raum wird die Virtual Professional Community zu einem Instrument für Diskussionen und berufliche Weiterentwicklung sowie für den Austausch von Erfahrungen und Best Practices.

Verschiedene Arten von Communities of Practice

Es gibt zwei verschiedene Communities of Practice:

  • die erste entwickelt sich aus einer Lerngemeinschaft, die sich aus einer Gruppe von Personen zusammensetzt, die am Anfang ihrer Ausbildung stehen, und die die Zusammenarbeit (persönlich oder virtuell) auch nach deren Ende fortsetzen wollen;
  • die zweite entsteht, wenn Erfahrungen zwischen Expert:innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen ausgetauscht werden müssen (Wenger, 1999).

Im ersten Fall wird diese fast schon natürliche Entwicklung dadurch begünstigt, dass sich die Gruppenmitglieder bereits durch die gemeinsame Teilnahme an einem Ausbildungsprozess als „Gruppe“ gesehen haben, aber auch durch den Wunsch, den Kontakt untereinander aufrechtzuerhalten. Hier geht es vor allem darum, ihre Selbsthilfefähigkeiten zu verfeinern und das Üben des Gelernten zu unterstützen, Probleme zu sozialisieren und Strategien und Lösungen zu entwickeln, mit denen neues Wissen angewendet werden kann. Die Gemeinschaften von Expert:innen, im zweiten Fall, werden vor allem wegen des Wettbewerbsvorteils gegründet, der sich aus dem Austausch von Erfahrungen und vorhandenem Wissen ergibt, was wiederum als Chance für kollektives Wachstum und die Erweiterung des Wissens- und Kompetenzbestands einer Organisation angesehen wird.

In beiden Fällen werden durch kontinuierliche Gruppeninteraktionen und -beziehungen neue Wissensrepertoires geschaffen. Menschen, die vielleicht geografisch weit voneinander entfernt sind, sich aber in Bezug auf ihre Erfahrungen, ihre kognitiven Fähigkeiten und ihren Beruf nahestehen und ein starkes Zugehörigkeitsgefühl haben, tauschen ständig ihr Wissen untereinander aus und bündeln ihre Kompetenzen. Auf diese Weise können sie nicht nur Alltagsprobleme angehen, für die es bereits bewährte Lösungsansätze gibt, sondern auch völlig neue und unerwartete Probleme lösen. Somit kann neues Wissen generiert und in das allgemeine Wissensrepertoire der Organisationen übernommen werden.

Wesentliche Merkmale von Communities of Practice

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die an einer CoP beteiligten Personen folgende strukturelle Merkmale aufweisen:

  • den Wunsch, Erfahrungen und Arbeitsmethoden im Alltag miteinander zu teilen;
  • die Fähigkeit zum kollaborativen und kooperativen Arbeiten an einer gemeinsamen Aufgabe;
  • eine starke Gruppenidentität;
  • einen autonomen Handlungswillen;
  • die Selbstverwaltung von Prozessen (Metakompetenzen)
  • die Veranlagung zum selbstständigen Lernen mit Hilfe von Gleichgestellten (Peer-to-Peer). 

Aus methodischer Sicht ist das Lernen in CoP wiederum durch drei Merkmale gekennzeichnet: 

  1. die Lernenden müssen im Mittelpunkt stehen: Wissen kann nur durch die aktive Auseinandersetzung mit einem Thema erworben werden;
  2. das Wissen ist eng mit dem jeweiligen Anwendungskontext verknüpft; 
  3. die Art und Weise wie Wissen geschaffen, ausgedrückt und verändert wird: Lernen ist ein sozialer Prozess, bei dem emotionale und motivierende Aspekte eine wichtige Rolle spielen; daher ist die Interaktion mit anderen Subjekten das wirksamste Tool für die Schaffung und den Transfer von Wissen. 

 

Learning

Lernende als Mitglieder einer Gemeinschaft

Lernen beginnt mit dem Weg, den Einzelpersonen einschlagen, um als Teil einer Gemeinschaft gesehen zu werden: Dieser Weg ist nicht nur mit der Fähigkeit verbunden, eine Aufgabe adäquat auszuführen, sondern auch mit der Identifizierung der Sprache, Werte und Normen, die die jeweilige Gemeinschaft ausmachen. 

Lernen wird nicht länger als der bloße Erwerb von Wissen (Lernen über etwas) verstanden, sondern als ein Prozess, der ausgehend von unseren Erfahrungen und dem Sinn, der unserem Handeln im sozialen Kontext zugeordnet wird, unsere Verhaltensweisen beeinflusst (Lernen zu sein)

Lerngemeinschaften und kollaboratives Lernen

Organisationsbezogene Lerngemeinschaften sind selbstverwaltete Gruppen, in denen berufliches Wachstum nicht unbedingt auf einem festgelegten Weiterbildungsplan aufbaut, sondern auf: 

  • dem Austausch von Erfahrungen; 
  • der Identifizierung hilfreicher Praktiken; 
  • und der gegenseitigen Hilfe bei der Bewältigung von beruflichen Problemen. 

Dieses wechselseitige, gemeinschaftliche Lernen ist ein Prozess, der in folgenden Schritten abläuft: 

  1. Wenn ich ein Problem habe, bitte ich jemanden um Hilfe, der das Problem bereits gelöst hat (Sozialisierung des Problems). 
  2. Wenn die Lösung gefunden wurde und ich sie verstehe, lerne ich etwas Neues (Sozialisierung von Praktiken). 
  3. Wenn niemand eine Lösung hat, kann vielleicht durch die Zusammenarbeit mit anderen eine passende Lösung gefunden werden. Dadurch werden auch die Fähigkeiten der Gemeinschaft gestärkt (Problemlösungskompetenz).

Rollen in Lerngemeinschaften

Wie bereits erwähnt, können Lerngemeinschaften und Communities of Practice formeller oder informeller Natur sein. Deshalb ist es manchmal notwendig, Personen zu benennen, die eine bestimmte Rolle übernehmen:

  • Wissensmanager:innen (oder wissenschaftliche Manager:innen)
    • schlagen neue Diskussionsthemen vor 
    • bringen Fallstudien ein 
    • geben Antworten oder Erklärungen 
    • entwickeln Lehrmaterialien
    • legen Auswertungszeiten und -verfahren fest
  • Tutor:innen (oder Vermittler:innen):
    • sind Verbindungspersonen für organisatorische, verwaltungstechnische und technische Aspekte
    • vermitteln zwischen den wissenschaftlichen Manager:innen und der Gemeinschaft
    • sind Expert:innen für Lehrmethoden und beteiligen sich daher am Prozess der gemeinsamen Nutzung von Materialien
    • regen die Gemeinschaft an und unterstützen die Beziehungen dadurch, dass die Bedürfnisse der Gemeinschaft erkannt und konkrete Lösungen für die Bereiche Inhalte, Angebote und Technologien identifiziert werden
  • Leiter:innen der Gemeinschaft:
    • ermutigen die Gemeinschaft zur Teilnahme an Netzwerkaktivitäten
    • unterstützen die wissenschaftlichen Leiter:innen und Tutor:innen.

Diese Rollen müssen nicht zwangsläufig festgelegt sein, sondern können von den Gruppenmitgliedern unter Berücksichtigung ihrer Einstellungen, Kompetenzen und ihrem Engagement abwechselnd übernommen werden.

Kollaboratives Lernen in der virtuellen Welt

Die Vorteile des kollaborativen Lernens mit Hilfe digitaler Tools sind zahlreich:

  • keine räumlichen und zeitlichen Beschränkungen: Die Gruppenmitglieder können sich jederzeit miteinander verbinden und an Aktivitäten beteiligen, dabei können sie die Zeiten wählen, die ihnen am besten passen, um sich effektiv auf die Diskussionen zu konzentrieren; 
  • kognitive und motivierende Vorteile: Die virtuelle Gruppenkommunikation erleichtert die Aktivierung höherer kognitiver Ebenen (Entwicklung von kritischem Denken, Bewertung von Problemlösungsstrategien usw.) und das Interesse an Lernaktivitäten; außerdem fördert sie die Übernahme von Verantwortung für den eigenen Lernprozess und den der anderen;
  • Zugang zu einem breiten Spektrum an Informationen und Schaffung sinnvoller Erfahrungen: Die digitale Umgebung wird zu einem wirksamen Tool für das Informationsmanagement, da sie das Auffinden und Auswählen von Daten erleichtert, die anschließend bewertet und kritisch reflektiert werden können;
  • das optionale Erfassen von Diskussionen mithilfe von Datenbanken und Archiven, wodurch die digitale Umgebung zu einem wertvollen Forschungs- und Lerninstrument wird;
  • die Schaffung echter Communities of Practice, die Arbeits- und Lernprozesse miteinander verbinden.

Dieser Herausforderung stehen Lerngemeinschaften auch im Arbeitskontext gegenüber.


Literaturverzeichnis

Bruner, J. (1990). Culture and human development: A new look. Human development33(6), 344-355.

Stoll, L., & Louis, K. S. (2007). Professional learning communities. McGraw-Hill Education (Vereinigtes Königreich).

Wenger, E. (1999). Communities of practice: learning, meaning and identity. Cambridge: Cambridge University Press.

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