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Förderung von Mehrsprachigkeit für eine bessere digitale Inklusion

Bericht über einen Vortrag von Abèdjè Sinatou Saka, Journalistin aus Benin und Mitbegründerin des Kollektivs Idémi Africa.

[Übersetzung : EPALE Frankreich]

2018 hatte eine von vier Personen Schwierigkeiten im digitalen Bereich, weil sie die französische Sprache nicht ausreichend beherrschte [Quelle]. Diese Situation tritt in verschiedenen Ausprägungen auf: Illettrismus (Personen, die trotz Schulbesuch in Frankreich nicht über Lese- und Schreibkompetenzen auf Französisch verfügen), keine Lese- und Schreibkompetenzen auf Französisch, aber in einer anderen Sprache, und Analphabetismus (Personen, die in keiner Sprache jemals Lese- und Schreibkompetenzen erworben haben).

Zuwanderer*innen und Ausländer*innen sind besonders betroffen (33 % der Personen, die als Erwachsene nach Frankreich kommen, geben an, Schwierigkeiten mit der französischen Sprache zu haben [quelle]), aber auch viele Franzosen und Französinnen, die sich in einer isolierten Situation befinden. 71 % der funktionalen Analphabeten sprachen im Alter von 5 Jahren zu Hause ausschließlich Französisch, 49 % der funktionalen Analphabeten sind arbeitslos und 50 % leben in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte [...]Quelle].

Diese Zahlen lassen sich vor allem durch die soziale und territoriale Dimension von sprachlichen Praktiken erklären. Schüler aus ländlichen Gebieten haben, ähnlich wie nicht-französischsprachige Schüler, die neu in Frankreich angekommen sind [Quelle], eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich in einer Situation der sprachlichen Unsicherheit im schulischen Kontext zu befinden, zum Beispiel in Bezug auf die sprachlichen und kommunikativen Praktiken der Lehrkräfte oder Mitschüler [Quelle]. Diese Situation ist ein offensichtlicher Faktor für Schulversagen und hat Auswirkungen auf die Entwicklung und die berufliche Laufbahn der Person.

Um dieses noch wenig behandelte Thema zu erforschen, hat der Verein Numérique en Commun[s] die Journalistin Abèdjè Sinatou Saka aus Benin eingeladen, die Mitbegründerin des Kollektivs Idémi Africa ist, das sich dafür einsetzt, Bevölkerungsgruppen Zugang zum Internet zu erleichtern, welche die vorherrschenden Sprachen eines Landes nicht beherrschen, und die sich insbesondere für Sprecherinnen und Sprecher afrikanischer Sprachen einsetzen, die im Internet noch wenig präsent sind.

Unser Zugang zum Web ist durch die Sprachen, die wir verwenden, begrenzt; das Internet ist nicht unendlich. Abèdjè Sinatou Saka – Idémi Africa

 

Dieser Artikel wurde ursprünglich 2022 in La Revue NEC 2021 veröffentlicht, einer Zeitschrift, die von der Agence nationale de la Cohésion des Territoires (ANCT) herausgegeben wird. Den Artikel im Kontext sowie den Rest der Zeitschrift zum Thema Gemeinnützige IT finden Sie  hier.

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Die digitale Sprachkluft 

Von den 7000 anerkannten Sprachen der Welt ist nur in einem knappen Dutzend eine gute Online-Navigation möglich. Denn das Web in seiner derzeitigen Struktur unterstützt keine mündlich oder visuell überlieferten Sprachen, obwohl diese etwas mehr als 40 % der weltweit verwendeten Sprachen ausmachen. Im weiteren Sinne werden Endgeräte, Schnittstellen, Anwendungen und Dienste, die im Web verfügbar sind, überwiegend von privaten Unternehmen und in wirtschaftlich starken Sprachen entwickelt. Eine Feststellung, die der Bericht State of the Internet's Languages, der am 23. Februar 2022 von Whose Knowledge?, dem Oxford Internet Institute und dem Centre for Internet and Society (Indien) veröffentlicht wurde, bestätigt. 

2020 waren die wichtigsten Sprachen für das Surfen im Internet Englisch (26 %), Mandarin (19,4 %), Spanisch (7,9 %) und Arabisch (5,2 %) [Quelle], während nur 5 % der Weltbevölkerung Englisch als Muttersprache hat, 11 % Mandarin, 6 % Spanisch und 4 % Arabisch [...]Quelle] . Im Gegensatz dazu ist Hindustani (Hindi, Urdu), das von 5 % der Weltbevölkerung als Muttersprache gesprochen wird, im Internet so gut wie nicht präsent [Quelle].

This work Graphique sur les langues de navigation sur internet by Numérique en Commun[s] is licensed under All rights reserved

Das bedeutet, dass viele Menschen gezwungen sind, eine andere Sprache als ihre Muttersprache zu beherrschen, um auf das Internet zuzugreifen und selbst Beiträge zu veröffentlichen, weil es keine Tastaturen gibt, die den spezifischen Schriftzeichen ihrer Sprache entsprechen, keine leistungsfähigen Übersetzungstools oder ganz einfach keine verfügbaren Inhalte. Der ungleiche Zugang zu Informationen und zur Informationsproduktion hat direkte Auswirkungen auf das, was produziert wird, und auf die Art und Weise, wie wir kollektiv Nachrichten, Orte und Wissen begreifen und uns damit auseinandersetzen. 

 

Einsprachigkeit in Frankreich und Zugänglichkeit von öffentlichen Diensten in Frankreich

Frankreich hat lange Zeit das Prinzip der Einsprachigkeit gefördert und gepflegt, das der Idee folgte, dass die Einheit der Nation von der Einheit der Sprache abhängt. Während der Dritten Republik wurden politische Maßnahmen ergriffen, um den offiziellen Gebrauch der französischen Sprache im gesamten Staatsgebiet, einschließlich des französischen Kolonialreichs, gegenüber Patois und anderen autochthonen Sprachen durchzusetzen. 1992 wurde die französische Sprache in der Verfassung verankert. Damit wurde der politische Wille zum Zeitpunkt der Strukturierung der Europäischen Union bekräftigt, einen Rahmen für die Sprachpraktiken der Franzosen und Französinnen zu setzen.

Dennoch ist die französische Sprache bei weitem nicht die einzige Sprache, die in Frankreich gesprochen wird. Die letzte Volkszählung - aus dem Jahr 1999!  -, die sich mit den Sprachpraktiken der französischen Bevölkerung befasste, ergab, dass in Frankreich fast 400 Sprachen gesprochen werden. Auf der einen Seite handelt es sich um Regional- oder Grenzsprachen (Elsässisch, Langue d'oc, Langues d'oïl, Bretonisch, Kreolsprachen, Katalanisch, Korsisch ...). Auf der anderen Seite sind es Sprachen, die mit der Einwanderung zusammenhängen (Arabisch, Portugiesisch, Spanisch, Berbersprachen, italienische Dialekte, Türkisch, Vietnamesisch, Bantusprachen, indo-iranische Sprachen, Tamil, Wolof ...). Diese kulturelle und sprachliche Vielfalt erfährt wenig Wertschätzung und wird zuweilen sogar stigmatisiert, und es fällt schwer, die Sprachen von Generation zu Generation weiterzugeben [...]Quelle].

Die Anwendung des Gesetzes vom 4. August 1994 über den Gebrauch der französischen Sprache ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Es soll in erster Linie die französische Sprache vor dem zunehmenden Eindringen von Anglizismen in die Alltagssprache schützen, fordert die Verwendung der französischen Sprache für alle Informationen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, und verlangt, dass im Rahmen von öffentlichen Aufgaben eine Übersetzung in mindestens zwei Fremdsprachen vorgesehen wird. Die Perspektive von Regional-, Grenz- oder Einwanderersprachen wird nicht berücksichtigt. Und das, obwohl ihre Sprecherinnen und Sprecher potenziell am ehesten in einer sprachlich unsicheren Situation sind, wenn es um Behördengänge geht, die per definitionem einen formalen Gebrauch der französischen Sprache erfordern.

In der Praxis wird keine einzige öffentliche Website in eine Sprache mit einem nicht-lateinischen Alphabet übersetzt (Arabisch, Kyrillisch, chinesische Schriftzeichen, tamilische Alphasyllabar...), und die meisten beschränken sich auf eine Übersetzung ins Englische.

 

Fünf Wege, um sprachliche Inklusion (neu) zu denken

Übersetzungen von öffentlichen Dienstleistungen, Publikationen und Websites vermehrt einsetzen. Die Übersetzung hat den doppelten Vorteil, dass Inhalte für eine fremdsprachige Bevölkerung zugänglich gemacht werden und eine Minderheitensprache im Internet aufgewertet und sichtbar gemacht wird. Dabei ist zu beachten, dass maschinelle Übersetzungen Missverständnisse und Gender Bias fördern!

Sprachworkshops für Fachkräfte im Bereich der digitalen Vermittlung  helfen dabei, den Austausch zu fördern, lokal auftretende Probleme zu identifizieren, die eigenen Vorstellungen zu hinterfragen und Inhalte zu erstellen.

Entwicklung neuer Nutzungsmöglichkeiten auf Websites, die es ermöglichen, die Mündlichkeit aufzuwerten , um den Zugang zu Informationen für Menschen zu fördern, die sich mit dem geschriebenen Wort nicht wohlfühlen (z. B. Sprachbefehle, die in verschiedenen Sprachen verfügbar sind, nach dem Vorbild von Mbaza, einem Chatbot, der von Ruanda entwickelt wurde, um Informationen über Covid-19 für eine möglichst große Zahl von Menschen zugänglich zu machen).

Durch Unterstützung lokaler Vereine , die fremdsprachige Bevölkerungsgruppen begleiten, um dabei zu helfen, erworbene sprachliche Kompetenz zu dokumentieren und zu vergemeinschaften.

Mobilisierung von Dolmetschern in Behörden und Betreuungseinrichtungen, um zu ermöglichen, die sprachliche Dimension bei der Gestaltung und Aktualisierung von Unterstützungsangeboten zu berücksichtigen (z. B. Aidant Connect würde davon profitieren, diese sprachliche Dimension einzubeziehen).

 

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Kommentar

Merci beaucoup pour cet article. 

Un concept intéressant nourrit également ces réflexions : la glottophobie. 

Au plaisir d'en discuter avec la communauté EPALE :)

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