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Einblicke in das österreichische Bibliothekssystem

Markus Feigl Geschäftsführer des Büchereiverbandes Österreichs (BVÖ) gibt Einblick in das österreichische Bibliothekssystem.

Bücherei Simmering (c) OeAD-GmbH/EPALE.

Von einer einheitlichen Bibliothekslandschaft kann man in Österreich nicht sprechen. Zwischen den öffentlichen Bibliotheken, zu denen vor allem Stadtbibliotheken, Gemeindebüchereien und kirchliche Bibliotheken gehören, und den wissenschaftlichen Bibliotheken, wie Universitätsbibliotheken, Landesbibliotheken, die Nationalbibliothek, Verwaltungsbibliotheken und Bibliotheken von Forschungseinrichtungen, gibt es derzeit nur wenige Berührungspunkte. Die wissenschaftlichen Bibliotheken sind durch die Vereinigung Österreichischer Bibliothkarinnen und Bibliothekare  - VÖB  und die öffentlichen Bibliotheken durch den Büchereiverband Österreichs - BVÖ  vertreten.  Die politischen Verantwortlichkeiten für die beiden Bibliothekssysteme sind ebenfalls unterschiedlich. Die öffentlichen Bibliotheken fallen in die Zuständigkeit der Kulturabteilung des Bundeskanzleramtes und das Wissenschaftsministerium, das Bildungsministerium und die Landesverwaltungen sind für die wissenschaftlichen Bibliotheken zuständig.

Eine dritte, relativ unabhängige Gruppe von Bibliotheken sind die Schulbibliotheken, von denen jedoch eine beträchtliche Anzahl Mitglieder im Büchereiverband Österreichs sind.

Auch bei der Ausbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, die in den verschiedenen Typen von Bibliotheken arbeiten, gibt es große Unterschiede. In wissenschaftlichen Bibliotheken findet die Aus- und Weiterbildung im Rahmen von Universitätslehrgängen statt. Die Aus- und Weiterbildung von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, die in öffentlichen Bibliotheken arbeiten, erfolgt in erster Linie beim Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (BFI) und die schulische Bibliotheksausbildung an den Pädagogischen Hochschulen der verschiedenen Bundesländer.

Seit einigen Jahren werden Anstrengungen unternommen, um die Kluft zwischen den Bibliothekssystemen durch Bildung zu verringern. Seit 2009 werden im Lehrplan des Universitätslehrgangs "Library and Information Studies" optionale Module zum öffentlichen Bibliothekswesen angeboten. Diese Module werden vom Büchereiverband Österreichs gestaltet. Der seit rund 10 Jahren bestehende Lehrberuf des Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistenten gibt auch Hoffnung auf eine engere Zusammenarbeit und eine einheitliche Ausbildung für alle Bibliothekstypen.  Mit  Ausnahme der großen Stadtbibliotheken gibt es für Absolventinnen und Absolventen des Universitätslehrgangs und des Lehrberufs leider kaum Arbeitsmöglichkeiten im Bereich des öffentlichen Bibliothekswesens.

Einige statistische Daten zu den wissenschaftlichen Bibliotheken: 218 Bibliotheken mit 1030 Standorten, 21.000.000 Exemplare, über 9.000.000 Ausleihen, ca. 190.000 Nutzerinnen und Nutzer, annähernd 10.000.000 Besuche.

Statistische Daten zu öffentlichen Bibliotheken

Es gibt insgesamt 1383 öffentliche Bibliotheken (Stand 2018), von denen 139 als kombinierte öffentliche und schulische Bibliotheken geführt werden. Der gesamte Medienbestand beträgt 11.283.903 Exemplare. Insgesamt gibt es österreichweit  812.000 Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer, rund 24.000.000 Ausleihen und etwas mehr als 10.000.000 Besuche.

Es gibt 833 hauptberufliche, 562 nebenberufliche und annähernd 9.000 ehrenamtliche Bibliothekarinnen und Bibliothekare.

Das öffentliche Bibliothekswesen in Österreich ist generell stark von der Freiwilligenarbeit geprägt.

47,1% der öffentlichen Bibliotheken werden allein von den Kommunen geführt, 27% werden von mehreren Institutionen kooperativ betrieben, 16,3% von kirchlichen Einrichtungen. Auch der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer (ÖGB und AK) (3,3%) sind als Bibliothekshalter tätig. Unter den verbleibenden 6,3% sind die Vereine die häufigsten Bibliotheksbetreiber.

Die Aufteilung der Nutzerinnen und Nutzer nach Alter stellt sich wie folgt dar: 35,5% Kinder, 8,1% Jugendliche und 55,2% Erwachsene, sowie 1,1% Institutionen. Betrachtet man die Geschlechterverteilung zwischen Mitarbeitern und Lesern, so ist das Ergebnis wie erwartet: öffentliche Bibliotheken sind von Frauen geprägt: Die Belegschaft der öffentlichen Bibliothek besteht zu 87,7 % aus Frauen und zu 12,3 % aus Männern.

Von den Nutzern sind 65,3% weiblich und 34,7% männlich. Die weibliche Prägung nimmt mit zunehmendem Alter deutlich zu: Während 46,3 % der Kinder unter 14 Jahren Jungen und 53,7 % Mädchen sind, verschiebt sich der Anteil der jungen Menschen auf 36,9 % männliche und 63,1 % weibliche Nutzerinnen und Nutzer. Bei den erwachsenen Nutzerinnen und Nutzern sind nur 26,9% männlich und 73,1% weiblich.

Es gibt in Österreich keine Gesetze, die den Bestand einer öffentlichen Bibliothek in jeder Gemeinde garantieren und die Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken sicherstellen. Es gibt jedoch ein Bundesgesetz über die Förderung öffentlicher Bibliotheken. Basierend auf diesem Gesetz gibt es beispielsweise Förderungen für den Ankauf von Büchern und für die Durchführung von Veranstaltungen in den Bibliotheken.  Dieses Gesetz sieht auch vor, dass alle Bibliothekarinnen und Bibliothekare in öffentlichen Bibliotheken eine kostenlose Ausbildung erhalten und eine große Anzahl von kostenlosen Weiterbildungskursen besuchen können. Die Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen finden größtenteils in der Bundesanstalt für Erwachsenenbildung in St. Wolfgang am Wolfgangsee (bifeb) statt. Die Übernachtungs- oder Verpflegungskosten der Bibliothekarinnen und Bibliothekare werden vom Büchereiverband Österreichs getragen.

Die Entwicklung des öffentlichen Bibliothekswesens in Österreich sehe ich grundsätzlich positiv.

Obwohl die Zahl der Bibliotheken leicht zurückgeht, steigt die Gesamtzahl der Besuche und Ausleihen leicht an.

Österreichischer Büchereiverband  - BVÖ

BVÖ Logo.

Auf einer vom Bildungsministerium im Dezember 1947 organisierten Buchkonferenz wurde die Idee geboren, eine Dachorganisation für österreichische öffentliche Bibliotheken zu gründen, die dann am 1. Juni 1948 zur Gründung des "Verbandes Österreichischer Volksbüchereien" führte. Vollmitglieder konnten zunächst alle juristischen Personen sein, die Inhaber oder Eigentümer von öffentlichen Bibliotheken waren und deren Bibliotheken einen Mindestbestand von 250 Exemplaren hatten. Neben der Dienstleistungs- und Beratungstätigkeit lag der Schwerpunkt der Tätigkeit auf einer fundierten Ausbildung und der Schaffung eines Österreichischen Bibliotheksgesetzes. 1988 wurde der Name in Büchereiverband Österreichs (BVÖ) geändert. Der Österreichische Bibliotheksverband vertritt die Interessen der öffentlichen Bibliotheken und bietet seinen mehr als 2.800 Mitgliedern Dienstleistungen, Beratung und Informationen. Das Angebot reicht von Stipendien, Projekten zur Förderung von Literatur und Lesen und Publikationen bis hin zu kostenlosen Internetdiensten wie der Einrichtung einer Bibliotheks-Website oder eines Online-Katalogs.


Markus Feigl

Markus Feigl (c) privat.

Nach seinem Studium der Geschichte an der Universität Wien absolvierte Markus Feigl eine Ausbildung für den Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationsdienst an der Universitätsbibliothek Wien.

Bis 2016 war er in leitenden Positionen in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek und den Büchereien Wien tätig.

Seit Mai 2016 ist Markus Feigl Geschäftsführer des Büchereiverbandes Österreichs (BVÖ). Außerdem ist er Lehrbeauftragter für die Bibliothekarsausbildung an den Universitäten Wien, Graz und Innsbruck sowie am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung St. Wolfgang.

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