Digitale Bildungsberatung Österreich - Blitzlichter

von Barbara Oberwasserlechner und Karin Okonkwo-Klampfer
Kontext Online-Bildungsberatung Österreich
Die Online-Bildungsberatung hat in Österreich bereits eine lange Tradition, wird diese doch seit bereits zwölf Jahren textbasiert in Form von E-Mail und Termin-Chat über eine Beratungs-Plattform angeboten. Zu Beginn noch regional entwickelt, wurde das Angebot ab 2013 schrittweise österreichweit ausgebaut.
Parallel wurden in den Ländernetzwerken immer wieder auch andere digitale Beratungsformate, wie z.B. videobasierte Beratung, angeboten. Die Covid-Pandemie beschleunigte die Ausdifferenzierung digitaler Beratung, wie etwa bei Gruppenberatungen. Die entstandene Bandbreite an Angeboten ist eine Bereicherung für Kund*innen, stellt die anbietenden Organisationen aber auch vor Herausforderungen: Wie sieht ein kund*innenorientiertes Blended Guidance-Konzept aus? Werden die Fördermittel adäquat erhöht? Wie wirkt sich diese Beratungsvielfalt auf die Arbeitsorganisation der Berater*innen aus? Welche Kompetenzen müssen sich Berater*innen aneignen?
Der vorliegenden Text fasst die Erfahrungen im Projekt Online-Bildungsberatung Österreich und im Pilotprojekt zur Messengerberatung kurz zusammen und wirft ein Schlaglicht auf die Wechselwirkungen zwischen Beratungskontext und Beratungsbeziehung.
Die Online-Bildungsberatung Österreich ist eines von mehreren Teilprojekten der Bildungsberatung Österreich, wenn auch das einzige überregionale Beratungsangebot. Die Rahmenbedingungen sind komplex: Die Bildungsberatung Österreich ist dezentral strukturiert und in den Bundesländern jeweils als Beratungsnetzwerk mit eigenem Projektantrag organisiert. Die Online-Bildungsberatung Österreich und deren Weiterentwicklung findet kooperativ statt, wird zentral koordiniert und ist projekttechnisch Teil eines Projektantrags, in dem verschiedene überregionale Vorhaben gebündelt werden.
Online-Beratungen werden von Berater*innen der Ländernetzwerke durchgeführt und sind somit eine Dienstleistung der Ländernetzwerke. Kauf und laufende Anpassung der Beratungssoftware inklusive First Level Support, der Betrieb des zentralen Einstiegsportals für Kund*innen, Absprachen zur Umsetzung des Angebotes sowie Qualitätssicherung und Weiterentwicklung sind hingegen zentrale Dienstleistungen des überregionalen Projektes, das von den Wiener Volkshochschulen koordiniert wird.
Alle Projekte werden vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie vom Europäischen Sozialfonds finanziert. Die einzelnen Beratungsnetzwerke verfügen über unterschiedliche finanzielle Ressourcen, da eine Kofinanzierung durch das jeweilige Bundesland erforderlich ist.
Projekt Online-Bildungsberatung Österreich
Kund*innen erreichen die Online-Bildungsberatung über die Webseite https://www.bildungsberatung–online.at. Um die textbasierte E-Mail- oder Termin-Chat-Beratung nutzen zu können, müssen sie einen Usernamen sowie ein Passwort wählen und können auf freiwilliger Basis beratungsrelevante Angaben zu Person und Beratungsanliegen machen. Berater*innen beraten über https://www.beranet.de; die Vorabinformation ermöglicht ihnen eine Vorbereitung auf die Beratung in einem besonders datensicheren Beratungsraum. Kund*innen empfinden diesen Zugang jedoch inzwischen oft als hochschwellig.
Im Rahmen der Online-Bildungsberatung Österreich ist die Sicherstellung österreichweiter Standards besonders gelungen. Durch die gemeinsame Reflexion der Praxis in Supervisionen, auf Teamtagen und in Webinaren ist ein offener Lernraum entstanden, in dem ein gemeinsames Beratungsverständnis entwickelt wurde.
Pilotprojekt Messengerberatung im Ländernetzwerk Wien
Messengerberatung ist besonders niederschwellig und ermöglicht Kund*innen, sich über ihre alltäglich verwendeten Kommunikationskanäle beraten zu lassen. Im Herbst 2021 führten die Wiener Volkshochschulen als Netzwerkpartnerin der Bildungsberatung in Wien[1] eine zweimonatige Pilotphase zur Messengerberatung durch. Dabei wurden der Website-Chat und zwei Messaging Apps (WhatsApp und Facebook Messenger) getestet. Der Website-Chat wurde nach der Pilotphase aus Ressourcengründen eingestellt. Berater*innen beantworten alle Anfragen, unabhängig vom genutzten Messengerkanal, im Message Center der Software Userlike.
Wesentlich für die Auswahl der Kanäle bei der Implementierung ist das Nutzungsverhalten der gewünschten Zielgruppen sowie die zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Beratungseinrichtungen. Die Messengerberatung soll Personen mit wenig technischen oder finanziellen Ressourcen ansprechen, aber nicht aufgrund fehlender Alternativen zur Nutzung eines Kanals drängen.
In der zweimonatigen Pilotphase im Herbst 2021 betreuten die Messengerberater*innen 80 Kund*innen. Der überwiegende Teil der Anfragen kam über WhatsApp. Die Verschränkung von aufsuchender Beratung im Netz mit Messengerberatung hat zu erhöhter Nachfrage geführt.
Die Kommunikation über die Software Userlike ermöglicht eine DSGVO-konforme Nutzung der unterschiedlichen Messengerkanäle, auch von WhatsApp. Dazu wird die WhatsApp Business-API verwendet, eine Schnittstelle, die speziell für Unternehmen erstellt wurde. In den Einstellungen des eigenen Userlike-Unternehmensaccounts gibt es außerdem die Möglichkeit, das Sammeln von personenbezogenen Daten einzuschränken.
Wirkung von Kontext auf die Beratungsbeziehung
Eine zentrale Voraussetzung für einen sicheren, vertraulichen Beratungsraum ist Klarheit über den Beratungskontext. Wissen um die beteiligten Personen, Kennen der Rahmenbedingungen wie Erreichbarkeit, mögliche Inhalte der Beratung und deren Grenzen tragen für Kund*innen, aber auch für Berater*innen wesentlich zu einer gelingenden Beratungsbeziehung bei.
Für Kund*innen ist es wichtig zu wissen, wer sie berät. Bei der Messengerberatung ist der Name der Beraterin/des Beraters nicht sichtbar. Berater*innen müssen sich daher kurz vorstellen. Eine elegante Möglichkeit bietet das Senden eines Audio-Posts, der wenig Platz einnimmt und für Kund*innen immer wieder abrufbar ist, also den Nachteil der Flüchtigkeit gesprochener Sprache verloren hat.
Klare Kommunikation von Erreichbarkeit und Reaktionszeiten wirkt vertrauensbildend. Reagieren Berater*innen aus unbekannten Gründen nicht, kann dies bei Kund*innen unangenehme Erfahrungen triggern bzw. zum Abbruch der Beratung führen.
Weiters laden Messenger Apps wegen ihrer Niederschwelligkeit zu spontanen Anfragen ein - wie etwa aus dem Wartezimmer einer Arztpraxis oder in einer Arbeitspause. Kund*innen bleiben also stark mit ihrem aktuellen, den Berater*innen unbekannten Umfeld und ihrer jeweiligen Rolle wie z.B. Patient*in oder Arbeitnehmer*in verbunden. Eine noch zu entwickelnde Methodik für Messengerberatung muss auch der Spontaneität und dem variablen Setting Rechnung tragen, um die Vorteile des Messengers optimal nutzen zu können.
Auch bei Berater*innen kann eine fehlende Einschätzbarkeit vom aktuellen Kontext der Kund*innen und deren Anliegen Unsicherheit erzeugen und ihre Fähigkeit reduzieren, mit Kund*innen in Kontakt zu kommen. Supervision kann hier einen wesentlichen Beitrag zur Erweiterung des methodischen Spielraums leisten.
Ein anderer Aspekt von Kontext bei Messengerberatung ist das Verlaufsprotokoll der Beratung am Endgerät der Kund*innen. Erstmals können alle Nachrichten auf einer Fläche, vergleichbar mit einer endlosen Schriftrolle, multimedial gestaltet, aufeinander bezogen und jederzeit nachgelesen werden. Zu erforschen gilt, wann welche Medien mit welcher Wirkung am optimalsten eingesetzt werden können und wie diese gestaltet sein sollen.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Messengerberatung gut gelingt, wenn sich möglichst wenige und kurz formulierte Fragen sehr eng an der Anfrage orientieren und Informationen kurz und übersichtlich aufbereitet werden.
Die Messengerberatung hat sich als spannendes Beratungsformat mit viel Entwicklungspotenzial erwiesen, das im Austausch mit anderen Beratungseinrichtungen ausgebaut und weiterentwickelt werden sollte.

(C) Pixabay
Über die Autorinnen:
Barbara Oberwasserlechner ist inhaltliche Koordinatorin des Projekts Online-Bildungsberatung Österreich. Sie hat als Beraterin langjährige Erfahrung mit verschiedenen Präsenz- und Online-Bildungsberatungsformaten. Aktuell sammelt sie erste Erfahrungen mit Messenger-Beratung. barbara.oberwasserlechner@vhs.at
Karin Okonkwo-Klampfer ist Leiterin des Projekts Online-Bildungsberatung Österreich. Sie ist Projektmanagerin mit einem Faible für Digitalisierung und begleitet die Einführung und Nutzung von digitalen Technologien in der Erwachsenenbildung. karin.okonkwo-klampfer@vhs.at
www.bildungsberatung-online.at, www.bildungsberatung-wien.at
Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag der Autorinnen auf der österreichischen Euroguidance Fachtagung 2022.
[1] Gefördert vom Europäischen Sozialfonds, dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds.