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Das Konzept Allyship oder: Wie lässt sich Solidarität leben?

Ein Ally zu sein, das bedeutet, sich als „privilegierte Person“ mit einem Menschen aus einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe zu verbünden.

TreeImage.
Gabriele Müller
Community Collaborator (Silver Member).

Allyship – das Wort ist nicht ganz leicht ins Deutsche zu übersetzen. Gemeint ist ein Verbündetsein, allerdings nicht im militärischen Sinn, wie es das Wort „Alliierte“ vielleicht nahelegt. Eher geht es darum, dass eine „privilegierte Person“ sich mit einem Menschen aus einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe verbündet – oder sich solidarisiert. Allyship, der Begriff kommt ursprünglich aus den USA und wurde im Kontext der Diskriminierung von Menschen gebraucht, die keine weiße Hautfarbe haben. 

Hierzulande hat der Begriff mittlerweile eine Erweiterung erfahren. Er wird verwendet im Zusammenhang mit Diskussionen über Diversität. Es geht um Diskriminierung von Menschen, die sich als "black" oder als "indigenious" oder als "People of Colour" (BIPoC) verstehen, also Menschen mit nichtweißer Hautfarbe. Er kommt aber auch zum Tragen, wenn es um Personen geht, die sich als "LGBTQ" verstehen, als „lesbian, gay, bisexual, trans, queer, intersexual", also lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, nicht heterosexuell oder intersexuell.

Es gibt viele Definitionen von Allyship. Eine davon lautet:

Allyship ist eine aktive, konsequente und mühsame Praxis des Verlernens und Neubewertens, bei der eine Person in einer privilegierten und machtvollen Position versucht, solidarisch mit einer marginalisierten Gruppe zu handeln.

Verbundenheit ist keine Identität - sie ist ein lebenslanger Prozess des Aufbaus von Beziehungen, die auf Vertrauen, Beständigkeit und Verantwortlichkeit mit marginalisierten Einzelpersonen und/oder Gruppen von Menschen basieren.

Verbündete sind nicht selbstdefiniert - unsere Arbeit und unsere Bemühungen müssen von den Menschen, mit denen wir uns verbünden wollen, anerkannt werden. (Quelle: https://theantioppressionnetwork.com/allyship/)

Nicht nur im Krieg um die Talente, also um fehlende Fachkräfte zu gewinnen, besinnen sich Unternehmen auf Allyship und starten interne Programme, um sie zu fördern. Aber letztlich geht es nicht nur darum, dass Organisationen Allyship als Teil ihrer Politik bewerben, sondern um die Solidarität des Einzelnen gegenüber anderen Menschen.

Hier setzt auch die Kritik an: „Modewort, Etikett ohne Handlungsbezug, rein performativer Aktivismus“ lauten etwa Vorwürfe. Oder anders gesagt: Solidarität zu bekunden ist das eine, wirklich zu handeln, das andere. Mia McKenzie, eine amerikanische Autorin, Aktivistin und Gründerin der Website „Black Girl Dangerous“, hat das so auf den Punkt gebracht: „actions count; labels don’t“. Oder anders gesagt: Die Menschen benutzen das Wort "Verbündete" als Etikett, um sich selbst gut zu fühlen, und nicht als Verb, das ihre laufenden Aktionen und ihre Arbeit beschreibt, so McKenzie. Dabei ist Allyship eigentlich eine Aufforderung zum Handeln, bei der es darum geht, Privilegien zu nutzen, um zu helfen und sich für andere Menschen zu engagieren, die diese Privilegien nicht haben.

Wie kann ein einzelner Mensch zum Ally werden? Etwa, in dem er sich im ersten Schritt bewusst mit dem Thema auseinandersetzt und sich selbst und sein Handeln überdenkt. Dazu möchte etwa ein Seminar der Willi-Eichler-Akademie beitragen. Das Bildungswerk bietet Seminare, Workshops und Bildungsurlaube zu unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Themen und zu Methoden der politischen Bildung an. Es richtet sich insbesondere an Multiplikatoren und Multiplikatorinnen der schulischen und außerschulischen Bildung.

In „How to be an Ally – Möglichkeiten und Konzepte des Verbündetseins“ geht es darum, Konzept und Praxis hinter dem Begriff zu betrachten und das eigene Verbündetsein mit marginalisierten Gruppen zu entwickeln, auszubauen, zu üben und verstetigen. Geleitet wird es von Ajayini Sathyan, „Educator*in, zertifizierte Queer Peer-Berater*in, Künstler*in aus Tamil Nadu, zu deren Schwerpunktthemen kulturelle Herkunft, (Neo)Kolonialismus, "Critical whiteness", Geschlecht und Sexualität gehören.

Warum ein mehrtägiges Seminar zum Thema Allyship? „Wir haben es schon einmal mit großem Erfolg durchgeführt“, berichtet Berit Kreutz vom Leitungsteam der Willi-Eichler-Akademie in Köln. „Grundsätzlich war und ist es offen für alle Menschen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen, die ihre eigenen Privilegien und Machtstrukturen hinterfragen und sich darüber austauschen wollen.“ Der Erfolg und die Nachfrage, sagt Berit Kreutz, „hat uns dazu veranlasst, das noch einmal als Bildungsurlaub im Sommer 2024 anzubieten“.

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Porträt von Berit Kreutz.

 

Berit Kreutz kennt die Kritik am Begriff „Allyship“ und kommentiert: „Vielleicht ist es besser, von Solidarität zu sprechen und zu überlegen, wie wir als Gesellschaft und als Einzelpersonen solidarisch sein können.“ Dass das nicht immer einfach sei, wenn es darum gehe, angenehme Privilegien aufzugeben – keine Frage. „Aber das fängt ja schon damit an, dass wir unser eigenes tägliches Handeln hinterfragen und lernen, mit Dingen anders umzugehen.“

Dazu gehört es laut Berit Kreutz eben auch, sich im eigenen Umfeld oder der eigenen Region mit ganz alltäglicher Diskriminierung auseinanderzusetzen – im Beruf oder im Privatleben. „Ja, wir müssen akzeptieren, dass man vielleicht nicht in jeder Lebenssituation auf die gleiche Weise solidarisch sein kann, mal kann man mehr Ressourcen einbringen, mal weniger.“

Und gesellschaftlich? Was kann, was sollte sich ändern? „Als Träger politischer Bildung stellen wir uns ja auch ständig neu die Frage, wie wir solidarisch sein und dazu beitragen können, Diskriminierung zu verhindern“, so Berit Kreutz. „Werden wir unserer pluralistischen Gesellschaft gerecht? Da muss sich sicher auch in der Bildungslandschaft noch einiges ändern und wir müssen uns auch öffnen für andere Träger, was eben auch eine Sache der Förderung und Unterstützung ist.“

Viele Menschen, die sich vernetzen .

 

Fünf Schritte auf dem Weg zum Ally

Was kann jeder und jede Einzelne im Alltag tun, um sich solidarisch zu zeigen?

1. Alle Menschen können in ihrem Alltag Gegebenheiten und Strukturen hinterfragen. Sie können Veränderungen anstoßen und Diskussionen darüber anregen, wenn sie meinen, Diskriminierung zu entdecken.

2. Wer ein Ally sein will, darf neugierig und interessiert sein und seine Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Aber niemand sollte anderen Menschen ein Etikett aufkleben und Hilfe aufdrängen, die nicht erwünscht ist.  

3. Wer Solidarität bezeugen will, der versetzt sich am besten in die „Schuhe des Anderen“ und stellt sich vor, wie es wäre, ein Mensch mit einer anderen Hautfarbe, Religion oder Sexualität zu sein. Dann lässt es sich leichter nachvollziehen, wie es diesen Personen im Alltag geht – bei der Job- oder Wohnungssuche etwa.

4. Solidarität zeigen beginnt im Alltag – real oder virtuell. Zum Beispiel bedeutet Allyship auch, sich in Sozialen Netzwerken zu Wort zu melden und Diskriminierungen nicht unwidersprochen hinzunehmen oder Hassrede nicht zu tolerieren.

5. Wenn sich betroffene Menschen zu Wort melden und von negativen Erfahrungen berichten, wird manchmal ihre Glaubwürdigkeit bezweifelt. Allyship bedeutet auch, mit Empathie auf solche Äußerungen zu reagieren und sich dafür einzusetzen, dass sie gehört werden. 


Zum Lesen: 

Ferda Ataman. Ich bin von hier. Hört auf zu fragen!

Noah Sow. Deutschland Schwarz Weiß – Der alltägliche Rassismus


Zum Hören: 

Podcast von Deutschlandfunk Kultur - Das Unbehagen am Konzept „Allyship“: „Tue Gutes und rede darüber“


Bildnachweise: 

Berit Kreutz: privat

Andere: Gerd Altmann | Pixabay 

 

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