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Bildung heißt handeln – nachhaltig handeln

Zwei Träger, gemeinsame Ziele, ein Projekt, das in der Form einmalig in Deutschland ist: Das ist das Ökologische Bildungszentrum München, kurz ÖBZ.

In zwei Jahren kann das ÖBZ ein Vierteljahrhundert seines Bestehens feiern und auf viele Projekte und Tausende von Teilnehmenden an Seminaren, Vorträgen, Kursen, Workshops, Projekten zurückblicken. Und schon immer wurde hier das Lernen nicht nur als reine Wissensvermittlung angeboten. Immer gab es Angebot, selbst aktiv zu werden, eigene, neue Wege zu gehen, Modelle auszuprobieren, sich auszutauschen und mit anderen zu vernetzen. 

Was das ÖBZ außerdem einzigartig macht, ist die lange Kooperation der Münchner Volkshochschule (MVHS) mit dem Münchner Umweltzentrum e.V. (MUZ). „Beide, der Verein und die städtische Tochter, hatten eigentlich zeitgleich ähnliche Ideen und Interesse an dem Gelände des heutigen ÖBZ“, erinnert sich Diplom-Biologe Marc Haug, verantwortlicher Leiter des ÖBZ von Seiten des MUZ. Dr. Gesa Lüdecke, bis vor Kurzem die Leiterin MVHS im ÖBZ und der Koordinierungsstelle BNE Erwachsenenbildung sagt dazu: „Beide Träger ergänzen sich einfach gut mit ihrem Angebot für die unterschiedlichen Zielgruppen." 

So werden Kinder, Schulen, Jugendliche und Familien eher vom MUZ adressiert, während die MVHS Angebote der Erwachsenenbildung macht. Zu den Zielgruppen gehören aber auch alle Multiplikatoren, die sich mit Nachhaltigkeit, Umwelt und Bildung beschäftigen, also etwa Pädagogen und Lehrkräfte. Die Besonderheit des ÖBZ beruht jedoch nicht nur auf der Kooperation, sondern auch darauf, dass hier, im Stadtteil Bogenhausen, eine staatlich anerkannte Umweltstation entstanden ist, zu der eine 6,5 Hektar große ständig zugängliche Freifläche gehört. 

„So sind wir in München zu einem Draußen-Lernort mit NaturSpielRaum, Biotopen, Gärten und Lehrpfaden geworden“, erklärt Marc Haug. „Das ist in einem urbanen Raum, der so versiegelt und verdichtet ist wie München, schon etwas Besonderes“, ergänzt Gesa Lüdecke. Das hat dem ÖBZ zu dem „Qualitätssiegel Umweltbildung Bayern“ verholfen und zur Würdigung durch die Deutsche UNESCO-Kommission als „ausgezeichneter Lernort für Bildung für nachhaltige Entwicklung“.

Umweltbildung für alle Altersklassen

Hier sind alle willkommen, die sich mit dem Thema Umwelt, Natur und Nachhaltigkeit in der Bildung beschäftigen wollen. Das sind oft vormittags die Kinder und Schüler, nachmittags die Jugendlichen und abends und an den Wochenenden die Erwachsenen. Und natürlich gibt es Projekte für die ganze Familie oder mehrere Generationen – wie „die Säule der Nachhaltigkeit“. Das ist ein Kunstwerk, das heute auf dem Gelände steht und bei dem alles mit dem Nachdenken über die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen begann, die dann in einem kreativen Prozess bildnerisch umgesetzt wurden. 

Für die Erwachsenen hält die MVHS ein breites Programm bereit. „Ökologisch gärtnern, reparieren und upcyclen, nachhaltig mobil sein und vorsorgen, bewusst einkaufen und sich ernähren, sich im Quartier engagieren – es gibt viele Möglichkeiten, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern und sich in der Stadtgesellschaft für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen“, heißt es. Dementsprechend reichen die Themen von „Gärten für die Sinne“ über „Kochen mit Kräutern und Pilzen“ bis zu „Grüne Oase selbst geplant“. Natürlich kommen auch Gesundheitsthemen und Entspannungsmethoden nicht zu kurz.

„Ja, das sind allesamt Themen, die wir auch an anderen Standorten ähnlich anbieten, aber viele Menschen kommen ganz bewusst hierher – eben wegen der Besonderheiten des ÖBZ“, weiß Lüdecke. Dazu gehören das riesige Freigelände und der Garten, in dem ganz praktisch Dinge erlebt und erprobt werden können. Der Garten selbst ist ein Bildungsprojekt und ermöglicht Projekte, etwa zum Thema Biodiversität, die so nur am ÖBZ funktionieren. Aber auch die Lehrküche, die kulinarisch-nachhaltiges Ausprobieren ermöglicht, ist ein Anziehungspunkt

Neu sind erste Angebote, die Sprachkurse anders zu gestalten und eventuell in „Umwelt und Sprache“ umzubenennen. Denn selbst in diese lassen sich Umweltaspekte wie ökologisches Bauen, Energie, Ernährungsfragen oder Upcycling integrieren.“

Ein besonderer Höhepunkt im Programm: „Das Unvorstellbare denken, das Unglaubliche schreiben“. Das ist der Titel eines Diskussionsabends Mitte November mit dem indischen Schriftsteller Amitav Ghosh zum Thema Klimawandel und kreatives Schreiben. Auch das bleibt natürlich kein Vortrag, bei dem die Teilnehmenden nur zuhören sollen. „Ein fester Teil der Veranstaltung ist der gegenseitige Austausch“, freut sich Dr. Gesa Lüdecke. 

Das Ziel ist nachhaltige Entwicklung

Alles das hat immer auch mit den drei Buchstaben zu tun – „BNE“, also Bildung für nachhaltige Entwicklung. 2015 wurde das weltweite BNE-Programm von der UNESCO ins Leben gerufen, 2017 entstand der Nationale Aktionsplan BNE für Deutschland. „Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft, würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können. Eine solche gesellschaftliche Transformation erfordert starke Institutionen, partizipative Entscheidungen und Konfliktlösungen, Wissen, Technologien sowie neue Verhaltensmuster“ heißt es dazu beim Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dem fühlt sich auch das ÖBZ verpflichtet. 

„Wir schaffen Ermöglichungsräume, Entfaltungsräume, Reflexionsräume, Gestaltungsräume“, bringt Haug das auf den Punkt. Hier wird Bildung als etwas Diskursives begriffen oder anders gesagt: Menschen planen und gestalten Bildungsprozesse auf dem Gelände des ÖBZ, indem sie Naturerlebnisräume kreieren. Das ist viel mehr als Freizeitvergnügen. Gesa Lüdecke ergänzt: „Hier werden Impulse gesetzt, die gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen können“. Etwa werden bei der MVHS ab Ende des Jahres 2024 freiberufliche Dozentinnen und Dozenten darin geschult, wie sie das Thema BNE in ihr Fachgebiet integrieren können. „Das gilt zunächst für ausgewählte Fachgebiete, langfristig aber für alle Bereiche, von Mathematik bis Ernährung. Und davon wird dann später auch das ÖBZ profitieren“, freut sie sich. 

„Wir geben etwas hinein, nicht vor, deshalb verstehen wir das ÖBZ auch als Reallabor“, sagt Marc Haug. Die Freude am Experimentieren, der Mut, neue Wege zu gehen, aber auch die wissenschaftliche Bewertung gehören untrennbar zusammen. Ein Beispiel dafür? Das Bohnenprojekt. Hier geht es um die Vielfalt von Sorten, die erhalten werden sollen. Die werden teils auf dem ÖBZ-Gelände angebaut, teils bei Gartenfreunden und Bohnenpaten in ganz Deutschland. Aus den kleinen Anfängen ist mittlerweile ein Saatgutarchiv geworden, in dem rund 150 Sorten gesammelt, beschrieben und katalogisiert sind. 

Wissenschaftliche Begleitung

Zudem ist das ÖBZ auch Teil des „Global Bean Project“. Das ist ein weltweites Netzwerk, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Anbau und Verzehr von Hülsenfrüchten zu steigern. „Hülsenfrüchte sind emissionsarme Nutzpflanzen“ und weniger abhängig von Düngemitteln. Nicht umsonst veranstaltet das ÖBZ einmal jährlich ein Saatgutfestival, zu dem tausende von Besuchern kommen. „Die Kulturpflanzenvielfalt und ihr Erhalt sind auf Menschen angewiesen, die sich für dieses Thema begeistern können, die über die entsprechenden Informationen verfügen und geeignete Sorten in ihren Gärten anbauen“, so der Hintergrund. Es geht um Saatgutsouveränität, darum, die „politischen Zusammenhänge zu verstehen, den ökologischen Bezug herzustellen, ein Bewusstsein für gute Ernährung zu bekommen und die Menschen dafür zu gewinnen und zu begeistern“.

Nach dem Motto „Bildung heißt handeln“ finden sich engagierte Menschen etwa in gärtnerischen Projekten zusammen, die über die Zeit selbst Expertenkenntnisse gewonnen haben und diese weitergeben – gemeinsam mit den Dozenten und Dozentinnen am ÖBZ. „Das ergänzt sich“, sagt Marc Haug. So viel Engagement für Bildung und Nachhaltigkeit hat auch international Aufmerksamkeit erregt – so gibt es unter anderem Kooperationen mit Initiativen von Frankreich bis Südkorea und selbst nach China war das ÖBZ schon eingeladen, um dort über diese Themen zu sprechen.

Bildnachweise:
Alle Fotos ÖBZ und Marc Haug: ÖBZ
Foto Dr. Gesa Lüdecke: privat 
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