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Was macht Menschen und Gesellschaften resilient?

Auch nach Krisen können Menschen ihr Leben in den Griff bekommen. Warum sind einige von uns resilienter als andere?

TreeImage.
Gabriele Müller
Community Collaborator (Silver Member).

Individuelle und gesellschaftliche Resilienz

Psychische Erkrankungen haben hierzulande einen neuen Höchststand erreicht – das besagt eine Untersuchung der Krankenkasse DAK. Der aktuelle „Psychreport“ stellt fest, dass die Krankschreibungen wegen psychischer Probleme heute um rund 50 Prozent höher liegen als vor zehn Jahren. Depression und Burn-out nehmen zu. In einer Welt mit vielen Krisen wachsen auch die Ängste. Deshalb ist der Begriff der „Resilienz“ heute vielleicht aktueller denn je.

Das Wort stammt aus dem Lateinischen. „Resilire“ meint auf Deutsch abprallen oder zurückspringen. Es bezeichnet die Eigenschaft bestimmter Werkstoffe, nach einer Verformung wieder in die Ausgangsform zurückzukehren. In der Psychologie wird darunter aber die Fähigkeit des Menschen verstanden, seine psychische Gesundheit auch nach Krisen aufrechtzuerhalten oder schnell wieder herzustellen. Trotz aller Aktualität ist Resilienzforschung nichts Neues. Bereits in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts führte die amerikanische Wissenschaftlerin Emmy Werner eine Langzeitstudie durch. Sie untersuchte auf der hawaiianischen Insel Kauai rund 700 Kinder.

Die Gruppe wurde auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens begleitet. Werner stellte fest, dass Kinder aus widrigen Lebensumständen als Erwachsene nicht automatisch und immer scheiterten. Trotz schwieriger Bedingungen beim Aufwachsen führte rund ein Drittel später ein erfolgreiches Leben. Nicht jeder Mensch also, der Schlimmes oder Traumatisches erlebt hat, muss daran psychisch erkranken oder verliert sein Leben aus dem Griff. Aber was können oder tun diese Menschen anders? Was befähigt sie, schlimme Erlebnisse, besser zu bewältigen? Resiliente Menschen, so scheint es, verfügen häufig über stabile soziale Kontakte und ein realistisches Selbstbild. Was macht Einzelne und was macht eine Gesellschaft resilient?

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Donya Gilan.

 

Ein Gespräch mit Dr. Donya Gilan, Leiterin Wissenschaftskommunikation des 
Leibniz Instituts für Resilienzforschung (LIR) in Mainz  

Frau Dr. Gilan, was ist das LIR und woran forscht es?

Dr. Donya Gilan: Das LIR, ehemals Deutsches Zentrum für Resilienzforschung, gibt es schon seit 2019 als außeruniversitäres Forschungsinstitut innerhalb der Leibniz-Gesellschaft. Wir verfolgen hier einen ganzheitlichen Ansatz. Die zentralen Anliegen des LIR sind, Resilienzmechanismen neurowissenschaftlich zu verstehen, Interventionen zur Förderung von Resilienz zu entwickeln und anzubieten. Wir wollen darauf hinzuwirken, Lebens- und Arbeitsumfelder so zu verändern, dass Resilienz gestärkt wird. Ziel unserer Forschung ist es, über die Identifizierung von Resilienzmechanismen Interventionen zur Vorbeugung stressbedingter psychischer Erkrankungen zu entwickeln. Dadurch wollen wir die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung trotz sich wandelnder Arbeits- und Lebensbedingungen erhalten und verbessern.

Sie bieten beim LIR in Mainz eine ‚Resilienzambulanz‘ an. Was ist das und für wen ist das gedacht?

Dr. Donya Gilan: Hier arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit Praktikern zusammen, um Konzepte zur Stärkung der Gesundheitskompetenz und Strategien zur Stressbewältigung und Resilienzförderung zu entwickeln. Wir bieten dort den einzelnen Menschen, die ihren Umgang mit Stress trainieren wollen, Hilfen an. Da gibt es zum einen ein Resilienz-Screening oder ein Resilienz-Coaching, Workshops und Abendveranstaltungen. Wir werden aber auch von Unternehmen und Organisationen im Gruppenformat gebucht. Dort halten wir maßgeschneiderte Vorträge oder Workshops und geben zielgruppenspezifische Trainings – das erfährt sehr große Resonanz. Wir haben auch spezielle Programme für vulnerable Gruppen entwickelt – etwa Studierende – die während der Pandemie Probleme mit dem Studium hatten.

Woran genau forschen Sie ?  

Dr. Donya Gilan: Wir erforschen grundlegende Mechanismen der Resilienz im Menschen auf kognitiver und neurofunktionaler Ebene und streben die Formulierung einer umfassenden und vereinheitlichenden Theorie der Resilienz an. Dabei beobachten wir Menschen in Längsschnittstudien, in ihrer Umgangsweise mit Stress und Krisensituationen. Daraus entwickeln wir Empfehlungen zur Gestaltung von Interventionen für vulnerable Bevölkerungsgruppen etwa. Unsere Erkenntnisse tragen wir aber auch in die Politik oder in Organisationen heran, um auch resilienzförderliche Lebenswelten zu stärken.

Können Sie ein Beispiel geben?

Dr. Donya Gilan: Wir entwickeln maßgeschneiderte Vorträge und Workshops für Führungskräfte oder Menschen in Gesundheitsberufen oder für Studierende. Wir geben aber auch Empfehlungen an staatliche Behörden und Institutionen zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz im Kontext von zentralen globalen Themen wie Migration oder gesellschaftlichem Zusammenhalt.

Kann sich denn kollektive Resilienz stärken lassen und wenn ja, wie?

Dr. Donya Gilan: Grundsätzlich kann angenommen werden, dass alle wirksamen Maßnahmen zur Förderung psychischer, also individueller Resilienz das Potenzial aufweisen, positiv auf die Resilienz von Gesellschaften zu wirken. Diese individuelle Resilienz ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Stärkung kollektiver Resilienz. Im Rahmen der Katastrophenforschung hat sich zwar gezeigt, dass die Zivilgesellschaft ausgeprägte Fähigkeiten zur Selbstorganisation hat. Aber wir dürfen die Bewältigung globaler Herausforderung nicht auf die Bevölkerung verschieben. Wir brauchen politische Transformationen für weitere bevorstehende Herausforderungen.

Politische Entscheidungen, die mit gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen, wirken aber auch wieder auf das Individuum zurück. Etwa ist belegt, dass während der Corona-Pandemie das vorhandene Vertrauen in die Regierung die individuelle Resilienz der Bevölkerung vorhersagte und psychische Belastungen reduzierte. Es gibt also einen Wirkzusammenhang zwischen individueller und kollektiver Resilienz, wobei wir die genauen Mechanismen noch stärker erforschen müssen.

Kollektive Resilienz – wir alle lieben Helden, starke Menschen, die uns etwas erfolgreich vorleben. Welche Rolle spielen sie?

Dr. Donya Gilan: Es gibt drei Untersuchungsansätze zur kollektiven Resilienz. Das eine ist das „Kultivieren von institutionellem Vertrauen“, das andere das „Zusammenkommen als Gemeinschaft“ und das dritte die „Präsentation vom Resilienzvorbildern“ (Calling out heroes).
Im ersten Ansatz spielt die Vermittlung von Werten einer Institutionen eine zentrale Rolle. Der zweite Ansatz, „Zusammenkommen als Gemeinschaft“ findet über soziale Medien oder in persona statt. Das Ziel ist zu gedenken, Beileid zu bekunden oder zu protestieren. Ein Beispiel wäre hier der „Boston Strong“ ein wichtiger Hashtag nach dem Anschlag 2015.

Der letzte Untersuchungsansatz zur kollektiven Resilienz, „Präsentation von Resilienzvorbildern oder „Calling out heroes,“ dient vor allem zur Stärkung des Positiven, um das Negative abzuschwächen. Diese Strategie wurde zum Beispiel in der COVID-19-Pandemie sichtbar. Da wurde die Leistung von Personen des täglichen Lebens gewürdigt, die mit besonderen Herausforderungen in ihrem Berufsalltag konfrontiert waren – etwa Menschen aus Gesundheitsberufen.

Sprechen wir doch auch einmal über individuelle Resilienz. Wie lässt sie sich stärken?    

Dr. Donya Gilan: Resilienz hängt von strukturellen gesellschaftlichen Faktoren ab, weil die Fähigkeit, mit Belastungen umzugehen und sich von Rückschlägen zu erholen, stark von den verfügbaren Ressourcen und Unterstützungssystemen in einer Gesellschaft beeinflusst wird. Ein Umfeld mit stabilen sozialen Netzwerken, adäquaten Bildungsmöglichkeiten, angemessenen Arbeitsbedingungen und einem funktionierenden Gesundheitssystem kann die individuelle Resilienz fördern. Strukturelle Ungleichheiten und soziale Barrieren können hingegen den Zugang zu diesen Ressourcen erschweren und die Fähigkeit einer Person, mit Herausforderungen umzugehen, beeinträchtigen. Daher ist die Förderung von Resilienz oft mit Bemühungen zur Verbesserung struktureller gesellschaftlicher Bedingungen verbunden.

Offenbar gibt es Menschen, die sind resilienter als andere. Woran liegt das? Spielt etwa Genetik eine Rolle?

Dr. Donya Gilan: Es gibt viele Determinanten, etwa Lebensstil und Umwelt. Und ja, die Genetik spielt auch eine Rolle. Aber die Gene sind nicht unser Schicksal. Resilienz, das ist das Gute, lässt sich erlernen und trainieren. Es gibt genügend Studien, die beweisen, dass Resilienz formbar ist. In unserer Lernbiographie können wir selbst dazu beitragen, widerstandsfähiger zu werden.  

Wie können denn Menschen trainieren, belastende Situationen besser zu verarbeiten?

Dr. Donya Gilan: Die Art und Weise, wie wir Situationen interpretieren und bewerten, können einen erheblichen Einfluss auf die Ausprägung unserer Resilienz haben. Neigen wir dazu, Herausforderungen als unüberwindlich oder bedrohlich zu bewerten, kann dies die Fähigkeit zur Resilienz beeinträchtigen. Negative Bewertungen können zu erhöhtem Stress führen und die Bewältigung von Schwierigkeiten erschweren.

Wenn wir dagegen Herausforderungen als lösbar und als Gelegenheit zum Wachstum ansehen, wird unsere Resilienz gefördert. Eine positive Bewertung einer Lage kann dazu beitragen, Belastungen als zeitlich begrenzt und kontrollierbar anzusehen. Auch die Selbstwirksamkeit spielt eine Rolle. Die Überzeugung, dass man in der Lage ist, mit Herausforderungen umzugehen und Einfluss auf die eigenen Lebensumstände zu nehmen, also die Selbstwirksamkeit, ist entscheidend für die Resilienz. Daher spielt die Art und Weise, wie wir Situationen bewerten, eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Stärkung unserer Resilienz. Ein bewusster Umgang mit unseren Bewertungsstilen kann dazu beitragen, eine positive und widerstandsfähige Denkweise zu fördern.

Sind manche Menschen gefährdeter als andere?

Dr. Donya Gilan:  Ja, bestimmte Menschen können aufgrund verschiedener Faktoren anfälliger für die negativen Auswirkungen von Stress sein. Ein Risikofaktor, die die Stressanfälligkeit erhöhen kann, ist etwa die Genetik, denn die genetische Veranlagung kann die Reaktion des Körpers auf Stress beeinflussen. Einige Menschen sind möglicherweise genetisch anfälliger für eine übermäßige Stressreaktion.

Dazu kommen frühere Erfahrungen: Menschen, die in der Vergangenheit traumatische Ereignisse oder chronischen Stress erlebt haben, können empfindlicher auf neue Stressoren reagieren. Eine Rolle spielen ungünstige Lebensumstände: Sozioökonomische Probleme, unsichere Arbeitsbedingungen, mangelnde soziale Unterstützung und andere ungünstige Lebensumstände können die Stressanfälligkeit erhöhen.

Individuelle Persönlichkeitsmerkmale, wie etwa Perfektionismus, übermäßige Sorgen oder geringes Selbstwertgefühl können die Stressresistenz beeinflussen. Und nicht zuletzt spielt der Gesundheitszustand eine Rolle. Eine schlechte körperliche Gesundheit, chronische Krankheiten oder Schlafmangel können die Fähigkeit des Körpers beeinträchtigen, mit Stress umzugehen.

Die Auswirkungen von Stress können von Person zu Person unterschiedlich sein. Einige Menschen können widerstandsfähiger sein und besser mit Stress umgehen, während andere anfälliger für negative Auswirkungen sind. Die Entwicklung von Bewältigungsstrategien und die Förderung von Resilienz können aber dazu beitragen, die Stressanfälligkeit zu reduzieren.


Zum Weiterlesen

Dr. Donya Gilan, Dr. Dr. Isabella Helmreich, et al., Herder (2021): Resilienz - die Kunst der Widerstandskraft: Was die Wissenschaft dazu sagt.

Gina Rosa Wollinger (Hrsg.) (2023): Krisen & Prävention. Expertisen zum 28. Deutschen Präventionstag. 
Deutscher Präventionstag gemeinnützige Gesellschaft mbH, Hannover. 
Mit Beiträgen u.a. von: Dr. Donya Gilan & Dr. Isabella Helmreich 

https://www.hss.de/themen/gesellschaft/artikel-detail-gesellschaft/alle-sind-gefordert-news9994/


Bildnachweise 

Headerfoto: Pixabay

Foto Dr. Gilan: Privat

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