Nachhaltigkeit im Handel - Weiterbildung mit IHK-Zertifikat

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Der Modellversuch „INEBB“ – Integration nachhaltiger Entwicklung in die Berufsbildung – will die betriebliche Ausbildung mit nachhaltigkeitsbezogenen Handlungskompetenzen stärken. Damit sollen Lücken in den Ausbildungsrahmenlehrplänen in Berufen des Handels geschlossen werden.
In enger Zusammenarbeit mit der IHK Magdeburg entwickelte das INEBB-Team ein modulares Weiterbildungskonzept, das sich am UNESCO-Weltprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung BNE“ und an beruflichen Handlungsfeldern orientiert.
Betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder im Einzel-, Groß- und Außenhandel erlangen nach erfolgreichem Abschluss ein IHK-Zertifikat „Fachkraft Ausbildung für nachhaltige Entwicklung“. In nur drei Monaten an sechs Präsenztagen erwerben die Teilnehmenden umfassende Kenntnise und Fähigkeiten, die sie in den Selbstlernphasen an ihre Auszubildenden weitergeben können.
Das Weiterbildungskonzept setzt folgende Schwerpunkte:
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Curriculum mit kompetenzorientierten Lern- und Arbeitsaufgaben
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Förderung nachhaltigkeitsbezogener Handlungskompetenzen
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Praxistypische Problemsituationen mittels Storytelling
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Orientierung am Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK
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Entwicklung von Azubi-Projekten mit selbstgewählten Schwerpunkten
Zielstellung der Weiterbildung – didaktisches Konzept
Ein zentrales Ziel von BBNE ist das Erlangen nachhaltigkeitsbezogener Handlungs-kompetenzen in beruflichen Handlungssituationen. Das INEBB-Konzept hat sich bei der Gestaltung des Curriculums am Kompetenzmodell von Hahne/Kutt (Entwurf für einen Orientierungsrahmen Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung, BMBF) orientiert. Dieses Kompetenzmodell setzt folgende Zielstellungen:
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Systematisches, vernetztes Denken, Verfügbarkeit über berufsübergreifendes Wissen und seine Anwendung in konkreten Situationen
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Fähigkeit im Umgang mit Komplexität, die prinzipiell durch das Zusammenwirken ökonomischer, ökologischer und soziokultureller Komponenten bei nachhaltigkeits-bezogenen Verhalten besteht
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Verstehen kreislaufwirtschaftlicher Strukturen und Lebenszyklen
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Soziale Sensibilität, interkulturelle Kompetenz und Bereitschaft zu globaler Perspektive individuellen Handelns
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Kommunikations- und Beratungskompetenz zur Gestaltung von Netzwerken sowie Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Konflikten und scheinbaren Widersprüchen
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Werteorientierung im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung, wie Wirtschaftsethik, Solidarität, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein.
Diese sechs Kernkompetenzen bilden die Grundlage der Lern- und Arbeitsaufgaben.
Curriculum mit kompetenzorientierten Lern- und Arbeitsaufgaben
Das Curriculum verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, um bei den Ausbilderinnen und Ausbildern das Verständnis für die Gesamtzusammenhänge im Unternehmen zu erschließen und nachhaltiges Handeln zu ermöglichen. Eine gute Grundlage hierfür bildet der Deutsche Nachhaltigkeitskodex mit seinen 20 Kriterien. Von dieser Grundlage ausgehend gliedert sich das Curriculum in die fünf Module:
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E Einführung in das Thema Nachhaltigkeit,
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M1 Strategie,
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M2 Prozessmanagement,
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M3 Umwelt und
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M4 Gesellschaft.
Das didaktische Konzept berücksichtigt dabei wechselnde Sozialformen und eine große Methodenvielfalt. Auf der Grundlage der didaktischen Leitlinien für BBNE – Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung – wurden praxistypische Lern- und Arbeitsaufgaben konzipiert (vgl. Kuhlmeier/Vollmer 2014, S. 204ff, Strukturelle berufliche Verankerung der Beruflichen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung). Sie weisen lern- und erlebnisförderliche Merkmale auf und motivieren Interaktionen unter den Teilnehmenden.
Es wurden Lernsituationen entlang konkreter beruflicher Handlungssituationen gestaltet, die auf die berufliche Praxis übertragen werden können und die verschiedene Perspektiven ermöglichen. Die Grundlage hierfür bildet das Modell für Problemstellungen – von der Abstraktion branchenspezifischer Schlüsselprobleme über ein konkretes Beispiel hin zur eigenen Situation.
Leichter Lernen mit Familie Baumann

Eigens hierfür wurde für das situierte Lernen das Szenario einer beispielhaften Unternehmerfamilie aus Sachsen-Anhalt kreiert (Familie Baumann), die zwei Generationen und zwei Handelssektoren abbildet. Die jeweiligen typischen Situationen aus dem Alltag der Baumanns dienen dazu, ein Problem zu erkennen, zu bewerten und im Sinne der Nachhaltigkeit Lösungen zu finden. Im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung geht es darum, mit Dilemmata, Konflikten und Widersprüchen zwischen ökonomischen, sozialen, ökologischen und globalen Aspekten konstruktiv umzugehen. Damit erwerben die Teilnehmenden nicht nur fachliches Wissen, sondern auch Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz.

Ergänzt werden die situativen Stories der Familie Baumann mit zahlreichen Best-Practice- bzw. Bad-Practice-Beispielen, spielerischen Elementen sowie mit praktischen Übungen. Die Arbeitsaufgaben und die praktischen Beispielen dienen dazu, eine Verknüpfung zwischen konkretem Handeln und globalem Bewusstsein zu erreichen.
Nach zwei erfolgreichen Pilotversuchen mit kleinen und mittleren Unternehmen in Sachsen-Anhalt gilt es nun, das gesteckte Ziel, „vom Projekt zur Struktur“ in der Praxis umzusetzen und in das reguläre Weiterbildungsangebot der DIHK zu integrieren.
►Hier geht es zu ausgewählten Lernaufgaben aus dem Seminar.
Die gesamte Arbeitsmappe mit allen Beispielen sowie ein Ressourcenspiel und weitere Seminar-Unterlagen finden Sie als Download auf der Projektwebseite.
Ein Video von einer Kick-off-Veranstaltung in der IHK Magdeburg vermittelt einen Eindruck von den Seminaren:
Lesen Sie auch die anderen Beiträge des BIBB-Förderschwerpunkts "Berufsbildung für Nachhaltige Entwicklung" |
Bildrechte: "Modelprojekt INEBB", comkomm
Über die Autoren:
Ursula Voßwinkel ist im Modellprojekt INEBB für das didaktische und methodische Konzept, die Erarbeitung des Curriculums sowie die Umsetzung der Weiterbildungsmaßnahme mit IHK-Zertifikat verantwortlich. Als Dozentin obl ihr auch die methodisch-didaktische Umsetzung der Seminare sowie die Anpassung an die Bedürfnisse der Zielgruppe.
Martin Wittau ist stellvertretender Präsident der Bundesvereinigung Nachhaltigkeit e. V. (BVNG). Die BVNG ist eine Interessenvereinigung auf der Ebene einer nationalen Nicht-Regierungsorganisation (NGO).
Im Modellprojekt INEBB ist die Bundesvereinigung Nachhaltigkeit e. V. für die Projektkoordination, sowie die Koordination der inhaltlichen Entwicklung des Curriculums zuständig. Sie verantwortet zudem die Evaluation und die Sicherung der Qualität in den verschiedenen Phasen des Modellversuchs. Sie ist außerdem redaktionell verantwortlich für die Projekthomepage. In enger Zusammenarbeit mit den übrigen Projektpartnern setzt sich die BVNG für den Transfer sowie für die sektorale Ausweitung des Modellversuchs ein.