Glossar zum Thema „Individualität vs. Kollektivität“, 2023


In diesem Glossar finden Sie die wichtigsten Begriffe aus der Debatte um Individualität vs. Kollektivität mit Definitionen und Quellen. So können Sie, falls Sie diesen Begriff in Ihren Anträgen oder Berichten verwenden wollen (oder auch in der Entwicklung eines Ihrer Produkte), ihn gleich entsprechend belegen. Bitte berücksichtigen Sie, dass es für Begriffe aus dem Bereich der Erziehungswissenschaft nicht EINE richtige Definition gibt. Dies hängt auch vom Hintergrund ab, den man/frau einnimmt.
Aber auch ganz ohne die Absicht, dieses Glossar für Projektangelegenheiten zu nutzen, kann die genaue Kenntnis über Begriffe und ihre „Herkunft“ bei der Einordnung innerhalb einer Diskussion helfen.
Adaptives Lernen: Adaptives Lernen ist ein psychologisches Lernkonzept, nach dem die Art der Wissensvermittlung an den Wissensstand, die Lernpräferenzen und das Umfeld des Lernenden angepasst werden müssen, um einen vergleichbaren Lernerfolg für alle Lernenden zu erzielen. Adaptives Lernen meint daher die Anpassung des Lernangebots an die individuellen Unterschiede der Lernenden, damit alle gleichermaßen gefördert werden können. (Quelle: Adaptives Lernen. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik (stangl.eu). Durch den Einsatz entsprechender Lernsoftware wird die Möglichkeit des adaptiven Lernens vergrößert.
AI: Abkürzung für „Artificial Intelligence“, auf deutsch: Künstliche Intelligenz. Hiermit wird eine neue Dimension der Digitalisierung beschrieben, die auch und besonders für die Bildung von Bedeutung ist. AI ist zuerst einmal ein Teilgebiet der Informatik, es umfasst alle Anstrengungen, deren Ziel es ist, Maschinen intelligent zu machen. (Quelle: Künstliche Intelligenz und ihr Potenzial in der Erwachsenenbildung. Substitution vs. Augmentation - zwischen Möglichem und Erstrebenswertem (pedocs.de))
Badges: ein Badge ist ein kleines digitales Bild, welches ein traditionelles Zertifikat ergänzt. Es stellt bestimmte Fähigkeiten und Qualitäten in den Vordergrund, die aus Zertifikaten oftmals nicht ersichtlich werden. (Quelle: badges_-_guide_for_learners_de.pdf (open-badges.eu)
Bildungsgerechtigkeit: ist definiert als ein Ideal, demzufolge alle Menschen gleiche Bildungschancen haben sollen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Beeinträchtigung.
Community Education: es gibt keine eindeutige Definition für „Community Education“, der Begriff ist vielschichtig und unterschiedlich gebraucht. Das zeigt wie flexibel und situationsbezogen CE angewendet wird und wie unterschiedlich CE sichtbar wird. Traditionell kommt der Begriff aus dem Angelsächsischen. Gemeinsam ist allen Definitionen, dass Community Education versucht, lebensbegleitendes Lernen mit sozialen Zielen zu verknüpfen. Dazu gehören folgende Merkmale:
- Partnerschaftliches Arbeiten und Lernen
- Partizipation und Gleichberechtigung
- Empowerment und Selbstwirksamkeitsüberzeugung
- Inklusion von benachteiligten Gruppen
- Prozessorientierter Zugang
(Quelle: Community Education – wie sich Gemeinschaften durch Lernen verändern | EPALE (europa.eu)
Differenzierung: ist ein Konzept, nach dem Bildungsprozesse an die individuellen Lernvoraussetzungen und -ziele der Lernenden angepasst werden sollen. Es hat daher viel Nähe zu den Begriffen „Adaptives Lernen“ und „Individualisierung“. Differenzierung kann verschiedene Formen annehmen, wie z.B. innere oder äußere Differenzierung, binnendifferenzierte oder niveaudifferenzierte Lernangebote. (Quelle: 1111_BA_reader.indd (erwachsenenbildung.at)
Diklusion: beschreibt in einem Wort, dass der Umgang, Einsatz und die Nutzung digitaler Medien …(im Lernen)… immer gleichzeitig mit dem Aspekt der Inklusion gedacht werden kann und soll. (Quelle: Diklusion – Digitale Medien und Inklusion in Schule und Hochschule) .
Efficacy: (deutsch: Wirksamkeit) ist per Definition die "Kraft, eine Wirkung zu erzielen" oder die Fähigkeit, eine gewünschte Wirkung hervorzurufen. Die Wirkung ist nicht garantiert.
Gruppenbildung: Wie gut Gruppen- bzw. Teamprozesse funktionieren, hängt insbesondere von der Zusammensetzung und der Entwicklung der Gruppe ab. Denn auch Gruppen und ihre Mitglieder entwickeln sich weiter. Daher gibt es in den verschiedenen Phasen des Gruppenprozesses einige Herausforderungen für die pädagogische Begleitung. Rollen- und Persönlichkeitseigenschaften der Mitglieder können förderlich, aber auch hinderlich für den Erfolg sein. Für das gemeinsame Lernen sollte man sich dessen bewusst sein. (Quelle: Gruppenbildende Aktivitäten richtig einsetzen - Lehren/Lernen - Material - wb-web)
Handwerk des Teilens siehe Kultur des Teilens
Identität als Bildungsbegriff: Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Bildungsprozessen und der Entwicklung von Selbst- und Weltverständnis, sowie nach den Möglichkeiten und Grenzen von Selbstbestimmung und Autonomie. Identitätsentwicklung [engl. identity development]. Identität wird laut Erikson (1968) durch Interaktion mit anderen und im Kontext der eigenen Kultur gebildet. Sie umfasst u. a. verschiedene Bereiche der Selbstwahrnehmung wie z.B. Geschlecht, Gruppenzugehörigkeiten, persönliche Eigenschaften (Persönlichkeitsmerkmal) oder eigenen Kompetenzen, wird während der gesamten Entwicklung gebildet und ist somit als ein Prozess zu verstehen, der lebenslang dauert (Lebensspannenpsychologie). (Quelle: Identitätsentwicklung – Dorsch - Lexikon der Psychologie (hogrefe.com))
Individualisiertes Lernen: Der Versuch, gemeinsames systematisches Lernen mit individuell unterschiedlichen Wegen der Aneignung zu verbinden. Grundlagen und Ziele des individualisierten Lernens in der Schule
Individuelle Förderung: rückt schon begrifflich den/die einzelne/n Lernende als Bezugspunkt in den Vordergrund. Als primäres Förderziel wird daher die Idee einer optimalen Entfaltung des/der Einzelnen benannt. (Quelle: Individuelle Förderung: Ideen, Hintergründe und Fallstricke | Bildung | bpb.de)
Inklusion: ist eine grundlegende Überzeugung, dass alle Menschen an Bildungsprozessen teilhaben sollen, ohne ausgeschlossen oder benachteiligt zu werden. Inklusion erfordert eine Anpassung der Bildungssysteme an die Bedürfnisse der Lernenden. Die Inklusion in allen Lebensbereichen ist durch eine UN-Konvention. Arikel 24 beschäftigt sich mit der Inklusion in Bildung. (Quelle: Inklusion | UN-Behindertenrechtskonvention)
Kollaboration: ist eine Form der Zusammenarbeit, bei der nur gemeinsam, durch direkte Beteiligung aller, ein gesetztes Ziel erreicht werden kann. Siehe : Kooperation in der Erwachsenenbildung | EPALE (europa.eu)
Kollektive Selbstwirksamkeitsüberzeugung: bezieht sich auf die Überzeugung einer Gruppe, gemeinsam schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. . Im Gegensatz zur Selbstwirksamkeitserwartung, die sich auf die Überzeugung eines Individuums bezieht, schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, werden bei der kollektiven Selbstwirksamkeitserwartung Individuen nicht als voneinander isolierte Einheiten betrachtet (Quelle: Wirksamkeit, kollektive – Dorsch - Lexikon der Psychologie (hogrefe.com))
Kompetenzbilanzierung: Kompetenzbilanzierungen sind qualitative Verfahren, die sich europaweit bei der Einschätzung und der Verständigung über den Kompetenzstatus von Menschen über Ländergrenzen hinweg besonders bewährt haben 1. Sie berücksichtigen non-formell und informell erworbene Kompetenzen in gebührender Weise und tragen durch eine positive Rückwirkung auf bilanzierte Personen, die sich erstmals ihrer Stärken und Möglichkeiten ganz bewusst werden, deutlich zu einer Dynamisierung des Arbeitsmarktes bei . (Quelle: Das Coaching zur Kompetenzenbilanzierung als ein Verfahren zur kompetenzbasierten Laufbahnentwicklung, Claas Triebel, 2014)
Kompetenzorientierung: ist keine neue didaktische Erfindung oder Entwicklung, wie man aufgrund der Diskussion dieses Konstrukts vor dem Hintergrund der neueren Diskussion denken könnte. Vielmehr fasst dieser Begriff die bereits über Jahre verfolgte Absicht zusammen, Lernprozesse …so zu gestalten, dass das vermittelte Wissen im Alltag auch situationsgerecht zur Anwendung kommt. Kompetenz stellt also in Handlung umgesetztes Wissen dar. (RT_K21_KO_Artikel_Leitartikel-komp-Unterrichten_jok_201509.pdf (phlu.ch))
Kompetenzrahmen: ist eine strukturierte Beschreibung von Kompetenzen in einem bestimmten Feld, z.B. digitale Kompetenzen oder Grundkompetenzen. Kompetenzrahmen sollen durch anschauliche und konkrete Beschreibungen von zu beobachtenden Kompetenzen zu qualitativen (und eingeschränkt auch quantitativen) Einschätzungen führen. Meist ist der Bereich in diverse Unterkompetenzen aufgeteilt und die Beherrschung einer Kompetenz wiederum in Stufen. In der EU gibt es z.Zt. die Kompetenzrahmen für Green Competences, Digital Competences, Entrepreneur Competences und Life Competences.
Kooperation: (lateinisch cooperatio ‚Zusammenwirkung‘, ‚Mitwirkung‘) ist das zweckgerichtete Zusammenwirken zweier Systeme mit gemeinsamen Zielen, hier meist als Kooperation zwischen zwei oder mehr Einrichtungen gemeint. Dazu gibt es einen Artikel auf EPALE: Kooperation in der Erwachsenenbildung | EPALE (europa.eu)
Kooperatives Lernen: ist eine Methode, die Lernende gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten lässt, um voneinander zu profitieren. Kooperatives Lernen erfordert eine positive Abhängigkeit, individuelle Verantwortlichkeit, direkte Interaktion und soziale Kompetenzen. Dabei ist aber zu unterscheiden zwischen kooperativem Lernen und kollaborativem Lernen. Siehe dort.
Kultur des Teilens: ist ein Lösungsansatz für soziale Probleme und als Unterstützung für Soziales Lernen ist die Kultur des Teilens. Damit ist eine Gemeinschaft gemeint,in der Menschen Wissen miteinander teilen und Ressourcen gemeinsam nutzen. Das geschieht zum Beispiel in Offenen Werkstätten, beim Car-oder Food-Sharing, durch Open Source Software, freie Lizenzen oder Plattformen wie Wikipedia. In diesem Zusammenhang wird neuerdings auch der Begriff „Handwerk des Teilens“ verwendet: er meint, dass es bestimmter passender Handwerkszeuge in der Bildung bedarf, um eine Kultur des Teilens auch implementieren zu können. (Quelle: Kultur des Teilens (kf-education.com))
Lernlandkarte oder Lernpfade: Lernpfade sind strukturierte Wege durch eine Reihe von aufeinander abgestimmten Arbeitsaufträgen, mit denen Schülerinnen und Schüler selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten und üben können, sowohl im Unterricht als auch zu Hause. (Quelle: Lernpfad – ZUM-Unterrichten). In der Erwachsenenbildung wird der Begriff u.a. im nachholenden Lernen (z.B. Alphabetisierung) eingesetzt, weil der/die Lernende sich auf einem Pfad durch eine Lernlandkarte bewegt und dabei Richtung und Geschwindigkeit an seine/ihre Lernerfahrungen angepasst werden.
Micro-Credentials: bescheinigen die Lernergebnisse kurzfristiger Lernerfahrungen, z. B. eines kurzen Kurses oder einer Schulung. Sie helfen flexibel und zielgerichtet, die für unsere persönliche und berufliche Entwicklung benötigten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben. (Quelle: Ein europäischer Ansatz für Microcredentials | European Education Area (europa.eu))
Multikollektivität: beschreibt die Tatsache, dass jedes Individuum gleichzeitig Teil mehrerer Kollektiv- und Kulturzusammenhänge ist, die seine Identität und Kompetenzen beeinflussen. Multikollektivität. Schlüsselbegriff der modernen Kulturwissenschaften
Passung: Das lern- und entwicklungspsychologische Prinzip, das eine optimale Übereinstimmung zwischen Lernangeboten und -voraussetzungen anstrebt. Dieser Begriff stammt aus den Anfängen der „Teilnehmendenorientierung“. Er ging aber von einer Definitionsmacht über das „Programm“ aus, die nicht geteilt wurde. (Quelle: Grundlagen und Ziele des individualisierten Lernens in der Schule).
Personalisiertes Lernen: ist die Anpassung und Adaption von Bildungsmethoden und -techniken, so dass der Lernprozess für jeden einzelnen Lernenden mit seinem individuellen Lernstil, Hintergrund, seinen Bedürfnissen und früheren Erfahrungen besser geeignet ist. (Quelle: Personalisiertes Lernen: Plan, Nutzen, Beispiele [Leitfaden] (valamis.com))
Schlüsselkompetenzen: Die Fähigkeiten, die für ein erfolgreiches Leben und eine gut funktionierende Gesellschaft notwendig sind, wie z.B. Lesekompetenz, Mathematikkompetenz, Problemlösekompetenz, soziale Kompetenz usw. DEFINITION UND AUSWAHL VON SCHLÜSSELKOMPETENZEN - OECD
Soziales Lernen: Das soziale Lernen ist eine der Grundlagen für das sogenannte handlungsorientierte, problemlösende Lernen. „Soziales Lernen“ ermöglicht das Erreichen dieses Ziels und nutzt dabei die Mechanismen der Gruppendynamik zur Gestaltung von Persönlichkeit und Gesellschaft. (Quelle: Soziales Lernen – Wikipedia)
Soziokratie: eine Organisationsform, die auf vier Grundprinzipien basiert :
- Konsensprinzip: Entscheidungen werden im Konsent getroffen, d.h. es wird so lange diskutiert, bis alle Einwände gehört und in den Vorschlag integriert wurden. Wenn es keine schwerwiegenden Einwände gibt, wird eine Entscheidung getroffen.
- Kreisorganisation: Die Organisation ist in miteinander verbundenen Kreisen aufgebaut. Jeder Kreis trifft innerhalb des festgesetzten Rahmens autonom seine Entscheidungen.
- Doppelte Verknüpfung: Jeder Kreis ist mit seinem übergeordneten Kreis “doppelt gekoppelt”. Neben der Leitung werden Delegierte gewählt, die im übergeordneten Kreis mitsteuern und berichten.
- Offene Wahl: Menschen, die Funktionen und Aufgaben übernehmen sollen, werden in einem moderierten Prozess nach offenem Diskurs im Konsens gewählt.
Weitere Prinzipien und Haltungen der Soziokratie sind Meinungsänderungen, flexible Beschlüsse, konstruktive Fehlerkultur und hohe Transparenz . Von Bedeutung ist dieses Prinzip in der Erwachsenenbildung, weil es eine Verbindung zwischen dem Erreichen gesellschaftlicher/kollektiver Ziele und dem Sozialen Lernen herstellt. (siehe auch: SONEC - Projektstart - Soziokratie Zentrum)
Umgang mit Heterogenität: Die Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung von Unterschieden in einer Lerngruppe, die sich auf verschiedene Dimensionen wie Leistung, Interessen, Motivation, Sozialverhalten etc. beziehen können. (Quelle: Umgang mit Individualität und Vielfalt im Unterricht)
Unterscheidung von Skills/Kompetenzen/Qualifikationen: diese Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, weil sich an ihr viele weitere Fragen „aufhängen“:
- Skills sind diejenigen Fertigkeiten, die man braucht, um bestimmte Aufgaben durchzuführen und vorhandene Probleme zu lösen.
- Kompetenzen dagegen beziehen sich auf die Fähigkeit der situationsgemäßen Verwendung dieser Fertigkeiten. (Quelle: BZgA-Leitbegriffe: Lebenskompetenzen und Kompetenzförderung).
- Qualifikationen sind nachweisbare Kenntnisse und Fertigkeiten, die meist durch ein Prüfverfahren verifiziert werden.
Wirksamkeit siehe Efficacy
Falls Sie noch weitere Begriffe kennen, von denen Sie denken, dass sie in diese Aufzählung gehören, schreiben Sie sie gern in einen Kommentar. Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung. Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben, bitte genauso!
Danke
Kommentar
großartiges Glossar
Vielen Dank für dieses Glossar! Sehr fundiert und übersichtlich.
Als weitere Begriffe fallen mir ein: Selbstkonzept, Selbstwirksamkeit, soziale Interdependenz
Beste Grüße!