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Future Skills Canvas [Systemsprenger-Edition] (Teil 2)

Was, wenn Future Skills nicht die Lösung sind – sondern das Problem? Eine Einladung zur radikalen Reflexion mit dem Future Skills Canvas [Systemsprenger-Edition

Warum ich Future Skills nicht abschreibe – aber auch nicht mehr verteidige

Ein Reflexionswerkzeug für alle, die lieber neu denken als schön weiterbilden

🔧 Warum noch ein Canvas?

Ich arbeite gerne mit der von mir entwickelten Future Skills Canvas, zu der ich eulich hier einen Beitrag geschrieben habe. Ich habe es für Workshops, strategische Bildungsplanung und Lernformate in der Erwachsenenbildung genutzt – und es hat funktioniert und funktioniert noch. Denn das Canvas macht sichtbar, was oft unscharf bleibt: Welche Kompetenzen brauchen wir wirklich – und wie lernen wir sie mutig?

Doch in Gesprächen, auf Panels und in manchen Debatten erlebe ich immer wieder, wie der Begriff „Future Skills“ zu einer Art Allheilmittel verklärt wird. Als reiche es, das richtige Kompetenzset zu benennen – und schon würden Organisationen, Teams und Individuen zukunftsfähig.

Und genau da beginnt mein Unbehagen.

Denn wenn Future Skills zum Rezeptbuch für komplexe Herausforderungen werden, geraten ihre blinden Flecken aus dem Blick: 

  • Wer entscheidet, was Zukunft ist? 

  • Wem nützen diese Skills – und wer bleibt außen vor? 

  • Was wird durch das „richtige Lernen“ auch stabilisiert, statt verändert?

Daraus ist die Systemsprenger-Edition meines Canvas entstanden: keine Ergänzung, sondern ein bewusster Bruch. Eine Zumutung – an mich selbst und an alle, die Bildung nicht nur strukturieren, sondern auch hinterfragen wollen.
 

🧨 Was das neue Canvas anders macht

Das Future Skills Canvas [Systemsprenger-Edition] besteht weiterhin aus zehn Feldern, aufgeteilt in zwei Hauptbereiche – doch diesmal sind die Fragen schärfer, kritischer, entlarvender:

Teil I – Dekonstruktion: Kompetenzen, Formate, Haltung

  • Zukunftskompetenzen – oder trojanische Pferde? Wer entscheidet, was „Zukunft“ ist – und welche Skills dabei stören?

  • Lernformate – oder Aufmerksamkeitsfallen? Was, wenn wir nur beschäftigt sind – aber nicht bewegt?

  • Lernumgebungen – oder Safe Spaces für Systemtreue? Was verdrängen wir, um Innovation „freundlich“ zu halten?

  • Transferstrategien – oder Kontrollmechanismen? Wird hier gelernt – oder angepasst?

  • Haltung – oder Disziplinierung im neuen Gewand? Ist Ambiguitätstoleranz ein Wert – oder ein Werkzeug zur Beruhigung?

Teil II – Enttarnung: Transfer, Strategie, Irritation

  • Zielgruppe – oder Zielobjekt? Wer darf mitgestalten – und wer wird nur gespiegelt?

  • Barrieren – oder Schutzmechanismen des Systems? Was nennen wir „Widerstand“, um keine Machtfrage stellen zu müssen?

  • Wirkung – oder performative Evaluation? Wer misst eigentlich wen – und wozu?

  • Verlernen – oder Legitimation für die nächste Überforderung? Wer wird zum Entlernen gezwungen – und wer darf beim Alten bleiben?

  • Systemischer Kontext – oder Nebelwand? Wird „Kontext“ als Ausrede benutzt, um Ohnmacht zu rechtfertigen?


📌 Sechs Anwendungsideen für Mutige

Dieses Canvas ist kein Wohlfühl-Tool. Es ist ein Spiegel. Und manchmal ein Schlag. Deshalb braucht es Formate, die diese Zumutung nicht nur aushalten – sondern nutzen:

  1. 🧨 Barcamp oder FuckUp-Session: „Future Skills, die gescheitert sind“ – eine offene Arena für das, was nie funktioniert hat, aber als Erfolg verkauft wurde. Offen, roh, ehrlich.

  2. 🔁 Reframing-Runde: Jede Gruppe bearbeitet ein Feld aus der Perspektive einer radikal marginalisierten Stimme: z. B. Schüler:in mit Sprachbarriere, ausgebrannte Lehrkraft, KI-unterstützte Führungskraft mit moralischem Zweifel. → Perspektivverschiebung statt Problemkosmetik.

  3. 🧠 Unlearn to Learn – Abschlussfrage: „Was würdest du lieber nie gelernt haben?“ → Und was bedeutet das für dein eigenes Bildungsverständnis?

  4. 📉 Silent Mapping: „Worüber wir nie sprechen“ Alle Teilnehmenden markieren auf einem Ausdruck des Canvas still die Felder, über die in ihrer Organisation nie offen gesprochen wird. → Sichtbar wird nicht, was gesagt wird – sondern was verschwiegen bleibt.

  5. 🧩 Mikro-Monolog: „Ich bin das System.“ Eine Übung mit nur einem Satz: Jede:r formuliert aus Sicht des Systems, was das System selbst sagen würde, z. B.:„Ich gebe dir Skills, damit du nicht merkst, dass ich dich forme.“ → Dramaturgisch, literarisch, subversiv.

  6. 🕳️ Deep Dive „Die gefährlichste Frage“ Jede Kleingruppe wählt das Feld, das sie am meisten verunsichert – und entwickelt dazu eine Frage, die sie lieber nicht stellen würde. → Ziel ist nicht Sicherheit, sondern Verunsicherung mit Methode.


🛠️ Für wen ist das Canvas gedacht?

Nicht für alle – aber für viele.

Vor allem für jene, die in Bildungs-, Führungs- und Veränderungskontexten tätig sind – und nicht mehr an lineare Kompetenzentwicklung glauben. Für Menschen, die Transformation nicht nur gestalten, sondern riskieren wollen. Für Teams, die sich trauen, das Richtige infrage zu stellen, statt das Falsche zu optimieren.

Und ganz besonders für die Erwachsenenbildung: Für Trainer:innen, Kursleitungen und Bildungsverantwortliche, die merken, dass klassische Programme an Grenzen stoßen. Für Bildungsinstitutionen, die nicht nur fördern, sondern verstören dürfen – weil Lernen eben nicht immer gefällig ist. Für Fachkräfte in Beratung, Lehre und Weiterbildung, die wissen: Kompetenzmodelle reichen nicht, wenn die Wirklichkeit brennt.

 

📎 Download & Lizenz

Das Future Skills Canvas [Systemsprenger-Edition] steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)

 

🙋 Zum Abschluss

Welche Fähigkeit würdest du am liebsten verlernen, wenn du dürftest – und warum? 
Lass uns darüber reden. Hier in den Kommentaren. Oder in deinem eigenen Beitrag.

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