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Digitale Lösungen zur Unterstützung der Bildungs- und Berufsberatung in Estland

Einblick in die neuesten Entwicklungen im Bereich der Online-Bildungs- und Berufsberatung in Estland

TreeImage.
Euroguidance Austria
Community Hero (Gold Member).

Autorinnen: Kristina Orion und Margit Rammo

Übersetzt aus dem Englischen durch Euroguidance Österreich

Die beteiligten Institutionen

Die estnische Arbeitslosenkasse (auf Estnisch: Eesti Töötukassa) fungiert als öffentliche Arbeitsverwaltung (PES) und ist für die Auszahlung von Arbeitsmarktleistungen und die Bereitstellung aktiver und passiver Arbeitsmarktdienstleistungen, einschließlich des Berufsinformationsdienstes und der landesweiten Berufsberatung zuständig. Die methodenbasierte Entwicklung und Unterstützung der Mitarbeitenden erfolgen durch ein Team in der Zentrale.

Euroguidance Estland ist das nationale Ressourcenzentrum für Bildungs- und Berufsberatung, zu dessen Aufgaben die Kompetenzentwicklung von Beratenden und die Bereitstellung verschiedener Dienstleistungen für estnische Staatsangehörige und Fachkräfte im Ausland gehören. Als Mitglied des Euroguidance-Netzwerks bietet das Zentrum Unterstützung für Lernmobilität und Karriereentwicklung in den Bereichen Bildung und Beschäftigung. Das Zentrum ist Teil der nationalen Agentur für Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps.

Estnische E-Story und strategischer Ausblick

Estland blickt auf eine reiche, 20-jährige Geschichte digitaler Lösungen und elektronischer Behördendienste zurück, die schrittweise eingeführt wurden. Das Land hat aufgrund von Faktoren wie einer niedrigen Bevölkerungszahl, eines überschaubaren Budgets und eines begrenzten Personalbestands stark in digitale Dienste investiert. Letztlich kamen mehrere Faktoren zusammen, die einerseits faktische Hintergründe hatten und andererseits in immateriellen Gegebenheiten wie Kultur und Werten begründet waren. Eine wichtige Rolle spielte auch die Tatsache, dass in Tallinn ab den 1960er Jahren das Kybernetik-Institut der Sowjetunion beheimatet war, sodass einige der erforderlichen IT-Talente bereits im Land vorhanden waren. Auch die estnische Kultur könnte die Entwicklung der digitalen Dienste befördert haben: Da die Esten nicht gerade das gesprächigste Volk der Welt sind, versprach man sich von der Digitalisierung nicht nur eine Ersparnis von Zeit und Geld, sondern auch eine Verringerung der Interaktion mit den Mitarbeitenden staatlicher Stellen.

Online tools in Estonia

Ausprobieren estnischer Online-Tools beim Workshop (c) OeAD/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Die digitale Bildungsrevolution in Estland zielt darauf ab, moderne digitale Technologien für Lehrende und Lernende effizienter und effektiver einzusetzen, die Digitalkompetenz der gesamten Bevölkerung zu verbessern und den Zugang zu einer neuen Generation digitaler Infrastruktur zu gewährleisten. In der Praxis bedeutet das, die digitale Kultur in die Lehr- und Lernprozesse aller Bildungsebenen und in alle Lehrpläne zu integrieren. Die technologische Unterstützung der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften sowie von Lehrenden und Lernenden ist eine Voraussetzung für Bildungsinnovationen, die von technologischen Innovationen getragen sind. Der Staat gewährleistet die Bereitstellung digitaler Lernressourcen (elektronische Lehr- und Arbeitsbücher, offene Lernmaterialien usw.), um die Erreichung der in den Lehrplänen der Grund-, Sekundar- und Berufsschulen festgelegten Ziele und Lernergebnisse zu ermöglichen. Dazu gehört auch, allen Lernenden Zugang zu persönlichen digitalen Geräten zu bieten, um sie in die Lage zu versetzen, die moderne digitale Infrastruktur zu nutzen. Um diese Ziele zu erreichen, werden Systeme zur Bewertung und Anerkennung digitaler Kompetenzen geschaffen und umgesetzt.

Schließlich hat Estland auch eine Strategie des lebenslangen Lernens eingeführt, weil die politisch Verantwortlichen im Land verstanden haben, dass sich die Erwartungen des Privatsektors an die Arbeitskräfte auch in Zukunft ständig ändern werden. Daher bieten sowohl staatliche Stellen als auch private Unternehmen eine Vielzahl von (oft kostenlosen) IT-Kursen für Interessierte aller Altersstufen an. Dies bietet den Menschen die Möglichkeit, sich weiterzubilden und ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern und erleichtert gleichzeitig die notwendigen Veränderungen in der Karriereplanung.

Digitale Lösungen und lebensbegleitende Beratung

Berufsberatende verwenden in ihrer täglichen Arbeit verschiedene Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Dabei setzen sie IKT-Lösungen in vielfältiger Weise ein: Sie nutzen sie nicht nur, sondern schaffen mit ihrer Hilfe auch neue Werte. IKT-Lösungen lassen sich grob den folgenden Verwendungszwecken zuordnen:

  • Dienstleistungen wie Webseiten, Datenbanken, Lernsoftware, Spiele, Social-Media-Kanäle und E-Tests; und

interne Prozesse wie Dokumentationsmanagement, Kundenverwaltung, Feedback-Lösungen, Informationsaustausch in cloudbasierten Lösungen und E-Learning-Umgebungen.

Virtual activities  to promote  career  development

Im Bildungsbereich ist das zentrale Portal zur Unterstützung der beruflichen Entwicklung von Einzelpersonen das Bildungsportal edu.ee, das einen Überblick über Lernmöglichkeiten und Arbeitsmarktinformationen bietet. Das Portal bietet Jugendlichen und Erwachsenen sowie Lehrkräften und anderen Fachleuten Zugang zu Informationen über das Bildungssystem und die Bildungseinrichtungen, Lehrpläne und Zeugnisse, aber auch über Berufe, Qualifikationen und den Bedarf an Arbeitskräften und Kompetenzen. E-schoolbag ist eine reichhaltige Quelle digitaler Lernmaterialien für Fachkräfte und Eltern für die Entwicklung von Fähigkeiten, unter anderem Fähigkeiten zur Planung der beruflichen Laufbahn.

Die wichtigste themenbezogene Website des EUIF ist minukarjäär.ee (Meine Karriere), die kürzlich gründlich überarbeitet wurde. Ziel war es, eine Website zu schaffen, die eine unabhängige Karriereplanung sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene unterstützt. Die zentrale Idee besteht darin, verschiedene Karrierewege aufzuzeigen. Dabei wählen die Nutzenden ihre Rollen und ihre wichtigste karrierebezogene Frage aus und erhalten schnellen und einfachen Zugang zu vertrauenswürdigen Informationen und den benötigten Werkzeugen. Die Website enthält Informationen über Karrieremöglichkeiten, interaktive Tools, Fragebögen usw. zur Unterstützung des individuellen Karrierewegs. Darüber hinaus ist eine Toolbox für Berufsberatende und Lehrende vorhanden, die Materialien, Ressourcen und Werkzeuge für die berufliche Entwicklung enthält.

Die elektronische Bildungs- und Berufsberatung per E-Mail, Telefon und Skype hat bei der EUIF eine lange Tradition. Beratungsdienste per E-Mail und Telefon wurden bereits im Jahr 2015 eingeführt. Beratung über Skype wurde ebenfalls angeboten, aber nicht intensiv genutzt. Als die COVID-19-Krise begann, verfügten die meisten Fachkräfte bereits über eine gewisse Erfahrung mit der elektronischen Beratung über verschiedene Kanäle, und es wurden zusätzliche Schulungsseminare für Mitarbeitende der öffentlichen Arbeitsverwaltung angeboten. Die Bereitstellung der Dienstleistungen wurde nach einiger Zeit von Skype auf Microsoft Teams umgestellt, das als sicherer angesehen wurde.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Bildungs- und Berufsberatung für Beratene interaktiver und lehrreicher zu gestalten. Die digitalen Werkzeuge können nicht nur für die virtuelle Beratung genutzt werden, sondern auch für die Beratung vor Ort. In Tallinn wurde das interaktive Karrierezentrum eröffnet, in dem die Kunden interaktive Tools vor Ort nutzen und ihre Fähigkeiten, Interessen und verschiedene Karrierewege erkunden können. Ziel dabei war es, die unabhängige Online-Karriereplanung zu unterstützen und den Nutzenden bei Bedarf zusätzliche Informationen und Beratung durch Berufsberatende vor Ort zu bieten.FACE OR FACT?

FACE OR FACT?

Die Rolle der Berufsberatenden

Die Professionalität der estnischen Berufsberatenden wurde in den letzten Jahrzehnten nicht nur durch spezifische Bildungsprogramme verbessert, sondern auch durch Kurse verschiedener Schulungsanbieter. Eine akademische Qualifikation dieser Fachkräfte ist nicht vorgesehen, die meisten besitzen einen Hochschulabschluss in Sozial- oder Erziehungswissenschaften (z. B. Psychologie, Wirtschaft und Betriebswirtschaft, Pädagogik, Lehrerausbildung). Hochschuleinrichtungen bieten jedoch eine Vielzahl von einschlägigen Kursen und Fächern an, wobei spezifische Mikrodiplome eine neue Initiative sind. Berufliche Weiterbildung sowie Peer-Coaching werden von nationalen Agenturen und privaten Anbietern angeboten, um die Entwicklung der beruflichen Kompetenzen der in diesem Bereich Tätigen entsprechend den Anforderungen sicherzustellen. Die Schulungen finden häufig in E-Learning-Umgebungen wie Moodle oder im Rahmen virtueller Treffen mit Lehrkräften statt.

Darüber hinaus wird ein Berufsqualifikationssystem geschaffen, das eine Qualifikationsnorm, ein System zur Zuerkennung von Berufsqualifikationen und ein Berufsregister vorsieht, um die berufliche Entwicklung von Fachkräften im Bereich der Bildungs- und Berufsberatung zu gewährleisten.

Die Norm beschreibt berufliche Tätigkeiten und definiert die Kompetenzanforderungen für Berufe und deren Stufen. In der Praxis dient die Norm als Grundlage für die Erstellung von Lehrplänen und Ausbildungsprogrammen, die den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechen. Außerdem dient sie der Kompetenzbewertung, der Unterstützung von Arbeitgebenden bei der Beschreibung und Vorstellung von Berufen, der Einstellung von Mitarbeitenden, der Erstellung von Stellenbeschreibungen, der Definition beruflicher Anforderungen und der Unterstützung von Fachkräften bei der Bewertung ihrer eigenen Qualifikationslücken oder ihrer eigenen beruflichen Entwicklung. Die Berufsnorm für Berufsberatende beschreibt die berufliche Tätigkeit und die für die Ausübung dieses Berufs erforderliche Kompetenz, d. h. die Fähigkeiten, Kenntnisse und Einstellungen, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit sind. Der derzeitige kompetenzbasierte Standard für Berufsberatende bezieht sich auf die Niveaus 6 und 7 des estnischen Qualifikationsrahmens (EstQF), die jeweils einem Bachelor-Abschluss und einem Hochschuldiplom sowie einem Master-Abschluss entsprechen. Der Hauptunterschied zwischen den Niveaus 6 und 7 besteht darin, dass Personen, die Niveau 7 absolviert haben, nicht nur in der Lage sind, einschlägige Dienstleistungen zu erbringen, sondern auch über umfassendere Erfahrungen und Kompetenzen auf nationaler oder internationaler Ebene verfügen, z. B. im Umgang mit neuen Instrumenten, Lehrplänen, Forschung oder Aus- und Weiterbildung.

Am Ende des Weges des Erwerbs von Berufsqualifikationen stehen ein Berufszertifikat, ein elektronischer Eintrag in das Berufsregister und ein Dokument, das die Übereinstimmung der Kompetenzen der Bewerbenden mit den Anforderungen der Berufsnorm bescheinigt. Im Bereich der Berufsberatung wurde der Verband der estnischen Berufsberatenden gesetzlich als Zuerkennungsstelle benannt, die für die Gewährleistung der Unparteilichkeit des Verfahrens und die Einrichtung eines Ausschusses für Berufsqualifikationen verantwortlich ist. Gemäß dem Berufsgesetz gehören diesem Ausschuss die am Zuerkennungssystem Beteiligten an: Fachkräfte, Arbeitgebende und nicht näher bezeichnete repräsentative Arbeitnehmende, Lehrkräfte, Vertretende von Berufsverbänden und gegebenenfalls Kundenvertretende sowie andere Beteiligte. Das Berufsregister ist eine staatliche Datenbank mit Informationen über gültige Berufsqualifikationen, Berufsstandards, Zuerkennungsstellen und Berufsabschlüsse.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Digitalisierung und Internationalisierung Bereiche sind, die sich schnell entwickeln. Da sie die Menschen betreffen, muss der Entwicklung der Kompetenzen von Berufsberatenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Um den Berufsberatenden die bestmögliche Unterstützung ihrer beruflichen Entwicklung zu bieten, müssen Studien über den aktuellen und zukünftigen Bedarf durchgeführt und geeignete Schulungsmöglichkeiten für Fachkräfte geschaffen werden.

Activity #3: mentimeter

 

Über diesen Text

Dieser Blog basiert auf einer Rede und einem Workshop bei der Austrian Euroguidance Conference 2022 „Online Guidance – Building Relationships in Digital Settings“.

Über die Autorinnen

Kristina Orion ist Mitarbeiterin der estnischen Arbeitslosenkasse.

Margit Rammo bekleidet eine Managementfunktion bei Euroguidance Estland im Rahmen des estnischen Bildungs- und Jugendausschusses.

Kristina Orion and Margit Rammo at Austrian Euroguidance Conference 2022

Kristina Orion und Margit Rammo bei der österreichischen Euroguidance Conference 2022 (c) OeAD/APA-Fotoservice/Hörmandinger

Quellen:

Ernesaks, A., Purge, l., Auger, K.  (2020). Karjääriteenuste valdkonna kutsesüsteemi fookusgrupiuuring. (Berufliches Qualifikationssystem im Bereich der Berufsberatung: Fokusgruppenstudie). SA Archimedes. https://eeagentuur.ee/materjalid/karjaariteenuste-valdkonna-kutsesusteemi-fookusgrupiuuring/

Pata. K., Jõgi, L., Lepik, A., Dibou, T. (2022). Karjäärispetsialisti koolitusmudel: võimalused, vajadused ja lahendused elukestvaks karjääri kujundamiseks. (Ausbildungsmodell für Berufsberatende: Möglichkeiten, Bedürfnisse und Lösungen für eine lebenslange Karriereentwicklung). Education and Youth Board, Euroguidance Estonia. https://eeagentuur.ee/materjalid/ks-koolitusmudel/

Puulmann, A. & Rammo, M. (Hrsg.) (2022). Lifelong Guidance in Estonia 2022. Education and Youth Board, Euroguidance Estland. https://www.euroguidance.eu/resources/publications/otherpublications/lifelong-guidance-in-estonia-2022

Rammo, M. (2021). „The relevance of the Estonian occupational qualification sub-framework in the field of career guidance“. Digital transitions in lifelong guidance: rethinking careers practitioner professionalism: A CareersNet expert collection. (S. 49–62). Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. Cedefop-Arbeitspapier Nr.2. https://www.cedefop.europa.eu/en/publications/6202

Rosenblad, Y., Sõmer, K., & Tilk, R. (2018). „OSKA study of human resources, administrative and business consultation occupations. Key findings“. Estnische Qualifikationsbehörde. Entnommen aus https://oska.kutsekoda.ee/wp-content/uploads/2017/05/HR_EN.pdf

 

 

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