Die Fähigkeit, Theorie und Praxis zu vereinen – eine wichtige Kompetenz von Lehrkräften


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Die Teilnehmer:innen einer Schulung erwarten, dass die Lehrkraft über fundierte theoretische Kenntnisse verfügt und in der Lage ist, ihr Wissen in der Praxis anzuwenden. Kurz gesagt, dass die Lehrkraft über echte Erfahrungen in diesem Bereich verfügt und weiß, wovon sie spricht. Ist das eine idealistische Annahme oder ist die Lehrkraft tatsächlich ein Fachmann/eine Fachfrau auf ihrem Gebiet, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mit den Teilnehmer:innen teilen möchte?
Es ist peinlich, wenn sich die Lehrkraft in den Themen der Schulung als weniger kompetent erweist als die Teilnehmer:innen. Leider kommt es manchmal vor, dass die Lernenden in der Praxis stärker sind und der Lehrkraft einfach nur pflichtbewusst zuhören. Manchmal liest die Lehrkraft einfach Informationen von Folien ab, und die Teilnehmer:innen betrachten eine solche Schulung dann vielleicht als eine Art Karaoke.
Um solche Situationen zu vermeiden, muss die Lehrkraft neben der Vermittlung von theoretischem Wissen auch in der Lage sein, ihr eigenes Wissen praktisch anzuwenden. Auf diese Weise wird durch praktische Übungen deutlich, welche theoretischen Kenntnisse tatsächlich anwendbar und welche nur Gedankenspiele sind. Daher ist lebenslanges Lernen für die Lehrkraft wichtig, damit sich Theorie und Praxis gegenseitig sinnvoll ergänzen können.
Lehrkräfte können je nach Persönlichkeit in zwei Kategorien eingeteilt werden: Einige Lehrkräfte sind stärker in der Theorie, andere jedoch in der Praxis.
Lehrkräfte, die stark in der Theorie sind, haben fundierte Kenntnisse des Schulungsthemas, sind aber möglicherweise selbst keine sehr guten Praktiker:innen, getreu dem Motto „Folgt meinen Worten, nicht meinen Taten“. Gute Theoretiker:innen können die Teilnehmer:innen der Schulung mit ihren Erzählungen inspirieren oder interessante Fakten und lustige Anekdoten wiedergeben. Manche Geschichten sind einfach interessant anzuhören und damit leichter aufzusaugen. Gute Theoretiker:innen können den Horizont erweitern und die Teilnehmer:innen dazu ermutigen, selbstständig weiter zu lernen. Wenn die Teilnehmer:innen beginnen, das in der Schulung erlernte Wissen in die Praxis umzusetzen, kann sich zeigen, dass sie dabei ihren eigenen Weg finden müssen. Für Theoretiker:innen ist es wichtig, sich durch praktische Übungen weiterzuentwickeln. Dadurch werden ihre Schulungen gehaltvoller, und sie können auch Beispiele aus ihrer praktischen Berufserfahrung einbringen.
Lehrkräfte, die über praktische Erfahrungen verfügen, haben oft umfangreiche Berufserfahrung. Oft sind sie während ihrer Arbeit zu Meister:innen ihres Fachgebiets geworden und haben den Wunsch entwickelt, ihre Erfahrungen weiterzugeben. Sie verfügen möglicherweise nicht über umfassende Kenntnisse in der Theorie, wissen jedoch genau, wie sie praktisch arbeiten können. Sie haben viele Beispiele aus ihrer beruflichen Praxis, und mit diesen Beispielen inspirieren sie die Schulungsteilnehmer:innen. Schulungen von Praktiker:innen sind sehr praxisorientiert, und es fällt den Teilnehmer:innen leicht, das im Training gelernte Wissen in ihrer beruflichen Tätigkeit anzuwenden. Möchten die Lernenden dagegen ein umfassenderes Verständnis des Themas erhalten, könnten Praktiker:innen möglicherweise keine ausreichenden Antworten liefern. Für Praktiker:innen ist es wichtig, sich auch theoretisch weiterzubilden, um ihre Schulungen gehaltvoller zu gestalten.
Die theoretische und praktische Kompetenz der Lehrkraft hängt weitgehend vom Thema der Schulung ab. Es ist eine philosophische Frage, ob eine Schulung zum Thema „Wie höre ich mit dem Rauchen auf?“ von einer Lehrkraft durchgeführt werden sollte, die selbst mit dem Rauchen aufgehört hat und aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig dieser Schritt ist, oder von einer Person, die theoretisch kompetent ist und Statistiken über das Aufhören mit dem Rauchen kennt, aber selbst nie geraucht hat. Ebenso fragwürdig ist es, ob eine Schulung im Kundenservice von einer Lehrkraft durchgeführt werden kann, die selbst nie im Kundenservice tätig war, oder ob das Schwimmen von jemandem unterrichtet werden kann, der selbst nie geschwommen ist. Wo liegt die Grenze der Kompetenz in Bezug auf die theoretischen Kenntnisse, praktischen Fähigkeiten und Erfahrungen der Lehrkraft?
Was können Lehrkräfte tun, um gleichzeitig gute Theoretiker:innen und starke Praktiker:innen zu sein?
Niemand von uns ist perfekt, daher ist es wichtig, den Teil in uns zu entwickeln, der weniger ausgeprägt ist. Da es schwer ist, sich selbst objektiv von außen zu betrachten, ist es hilfreich, Mentor:innen, Coach:innen oder Psycholog:innen hinzuzuziehen. Mit Hilfe von Expert:innen können die eigenen Stärken und Schwächen analysiert und ein beruflicher Entwicklungsplan erstellt werden. Je nach Bedarf können theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten ergänzt werden. Auf diese Weise ist es möglich, als Lehrkraft sowohl über fundierte theoretische Kenntnisse als auch über Erfahrungen in der Anwendung dieser Kenntnisse zu verfügen. Jede Lehrkraft kann dann je nach ihrer Persönlichkeit einen für sie passenden Unterrichtsstil entwickeln.
Für die Teilnehmer:innen von Schulungen ist es großartig, wenn die Lehrkraft in geeigneter Weise Lebenserfahrung mitbringt – denn so kann sie ihre theoretischen Kenntnisse ideal mit ihren praktischen Fähigkeiten verbinden!
Autorin: Anneli Salk ist Psychologin und Lehrkraft