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Flaschen sammeln ist nicht sexy – Welche Inhalte können Lernangebote zur finanziellen Altersbildung enthalten?

Welchen Beitrag kann die Erwachsenenbildung leisten, um junge Menschen die finanziellen Altersvorsorge näher zu bringen und zum Handeln motivieren?

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Welchen Beitrag kann die Erwachsenenbildung leisten, um Menschen die finanziellen Möglichkeiten der Altersvorsorge näher zu bringen? Die gesetzliche Rente für Angestellte ist seitens der Gehaltsabrechnung durch den Arbeitgeber gesichert. Doch welche Vorteile hat eine betriebliche Altersvorsorge – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Warum ist eine private Altersvorsorge für Selbstständige unerlässlich und für Arbeitnehmer*innen attraktiv? Ausgehend von dem Beitrag zur Altersvorsorge in dem Kompetenzmodell zur Finanziellen Grundbildung sollen in diesem Beitrag weitere Aspekte zur finanziellen Altersvorsorge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden – immer in Bezug auf die Gestaltung eines Lernangebots. Reden wir über Geld, Ihr Geld.

Im Jahr 2018 waren 18,7 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland von Altersarmut bedroht. Dabei sind 3,1 Millionen Menschen über 65 Jahre – Tendenz steigend. Zudem steigt kontinuierlich die Anzahl der Personen, die auf Minijob-Basis arbeiten. 2019 waren dies 7,7 Millionen Beschäftigte. Neben vielen Familien, die von Armut betroffen sind, hat die Hälfte der 25,9 Millionen Rentenempfänger in Deutschland Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen.

Das Bild zeigt eine junge Frau, die durch ein Fernglas sieht.

Finanzielle Grundbildung

Finanzielle Grundbildung bezieht sich auf die „existenziell basalen und unmittelbar lebenspraktischen Anforderungen alltäglichen Handelns und der Lebensführung in geldlichen Angelegenheiten“ (Mania & Tröster, 2014, S. 140).

„Mit Geld umgehen“ beschreiben die Bundesbürger als die wichtigste Fähigkeit in der Allensbacher IFD-Umfrage (11088) noch vor Rechnen, Lesen oder mit dem Computer umgehen. In ihrem Kompetenzmodell zur Finanziellen Grundbildung nehmen Mania und Tröster die Vorsorge und Versicherungen als sechste Kompetenzdomäne auf. Unter dem Aspekt Absicherung von Lebensrisiken wird die Thematik hinsichtlich Altersvorsorge, Versicherungen sowie Rücklagen und Vermögensbildung erschlossen. Lehrende erhalten mit Marie und die Altersvorsorge und Oma Matilde und die Rente zwei Materialsets zum Einsatz in der Grundbildung.

Beiden Sets fokussieren beispielhafte Kompetenzanforderungen wie Fachbegriffe, Sinnentnahme, Rentenerwartung nachvollziehen und abschätzen. In dem ersten Materialset Marie und die Altersvorsorge werden unter der Perspektive „non-Kognitive Aspekte“ zudem die familiäre Rollenverteilung, Lebenspläne, Lebensziele, Zukunftsängste und Gerechtigkeit beim Geld angesprochen. Das zweite Materialset fokussiert hierzu die Abwägung der künftigen Situation sowie die Bedeutung für die derzeitige Lebenssituation. Wie wirkt sich ein vorzeitiger Renteneintritt auf die Zukunft aus?

Mit den folgenden Ideen zur Gestaltung eines Lehr-Lernangebots soll über die Finanzielle Grundbildung hinausgegangen werden.

Die persönliche Perspektive des Lernenden

Bevor man sich Gedanken um Anlageformen macht, ist es sinnvoll eine Zwischenbilanz der eigenen Lebensumstände zu ziehen. Alter, Gesundheit, Familienstand und -planung, verbleibende Zeit zum Renteneintritt, Wohnsituation sind nur einige der Parameter, die es zu erfassen gilt. Über das Ausfüllen einer Checkliste hinaus können hierbei im Rahmen von Biografiearbeit individuelle Ziele, Entwicklungsperspektiven und Zeiträume definiert werden.

Welche Informationen soll ein Lernangebot für Altersvorsorge enthalten?

Grundlegende Unterschiede zu den verschiedenen Einkommensgruppen (Angestellte, Beamte, Selbstständige) bilden die Basis für die Themen des Lernangebots. Wer muss selber aktiv werden?

Die drei Säulen des Rentensystems – gesetzlich, betrieblich, privat – geben den Rahmen für die Inhalte des Lernangebots. Zu den Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung zählt dabei die Bedeutung eines Rentenpunkts und der Rentenhöhe, das Verstehen der Rentenauskunft. Im Rahmen der betrieblichen Rentenversicherung stehen diverse Vorsorgemodelle und ihre Kombinationsmöglichkeiten zur Diskussion. Die diversen Lerninhalte der privaten Anlage von A wie Aktien bis Z wie Zertifizierungsgesetz beinhalten noch einmal eine Reihe von erklärungsbedürftigen Begrifflichkeiten, Parametern und Abhängigkeiten dieser untereinander.

Beispiel: Vor 20 Jahren hätte ich bei der Wahl einer sicheren Anlage zu einer Kapitallebensversicherung als Altersvorsorge geraten. Warum? Diese bot damals vier Prozent Garantieverzinsung. Das war im Jahr 2000 vielleicht nicht üppig, aber über die Jahre als solide Anlageform einzuschätzen. In den letzten Jahren veränderte sich die Zinspolitik, sinkende Zinsen waren die Folge. Heute wirken vier Prozent luxuriös. Im Jahr 2020 liegen die Angebote für eine neu abzuschließende Kapitallebensversicherung bei unter einem Prozent Garantieverzinsung. Wären Aktien oder Fonds erfolgreicher gewesen oder sind sie es heute? Und wenn ja, welche und mit welchem Risiko?

Das Ziel des Lernangebots wäre, Teilnehmende in die Lage zu versetzen, eine oder mehrere Altersvorsorgemöglichkeiten individuell auf die eigenen Lebensverhältnisse abgestimmt herauszufiltern. Mit diesem Wissen sollen Teilnehmende eine Vorstellung der eigenen Altersvorsorge entwickeln und anschließend konkrete Produktangebote besser beurteilen können.

Welches Format bietet sich für ein Lernangebot an?

Das Lernangebot kann sowohl analog wie digital durchgeführt werden. Der Einsatz eines digitalen Tools würde dabei mehrere Optionen eröffnen:

  • Die Lernenden sollen die drei Säulen des Rentensystems und die Angebotsformen kennenlernen.
  • Die Teilnehmenden sollen die Fachbegriffe und ihre Bedeutung lernen.
  • Der Lernende könnte bei der biografischen Arbeit mehrere Szenarien durchspielen.
  • Lernende könnten verschiedene Anlageformen mit variierender Höhe der Einlage durchspielen.
  • Dabei könnten Lernende auch diverse Parameter und ihre Auswirkungen auf die eigene Altersvorsorge ausprobieren.
  • Diese produktunabhängigen Erfahrungen ermöglichen später die Entscheidung bei der realen individuellen Auswahl der Altersvorsorge.
  • Lehrende können hierzu Marktmechanismen und ihre Auswirkungen erläutern.

Das Lernangebot soll produktunabhängig sein und ersetzt keine Finanzberatung.

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Motivation zur frühen Beschäftigung mit der eigenen Altersvorsorge

Das Paradox der Beschäftigung mit der eigenen Altersvorsorge ist, dass viele Menschen sehr wohl über den Demografischen Wandel und Diskussionen zur Rentenreform informiert sind. Nur hapert es offensichtlich mit dem Schritt aktiv zu werden und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei erwartet der Gesetzgeber hinsichtlich der privaten Altersvorsorge Eigenverantwortung der Bürger.

Ziel für Lehrende und Bildungseinrichtungen ist es, die potenzielle Zielgruppe zu erreichen und zur Teilnahme zu motivieren. Die Zielgruppe umfasst Erwachsene im Alter von 18 bis 60 Jahre – mit dem Fokus auf jüngere Erwachsene. Dies könnte zum Beispiel im Rahmen der Berufsausbildung oder der betrieblichen Weiterbildung sowie in Weiterbildungsprogrammen von Bildungsanbietern erfolgen. Im Rahmen von innerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen könnte das Lernangebot auch Minijobber*innen und ehrenamtlich Engagierte erreichen.

Niederschwellig ist nicht barrierefrei

Selbst niederschwellige Lernangebote sind bei diesem Thema nicht barrierefrei. Neben der finanziellen Barriere ist es oft die emotionale Ebene, die mögliche Interessenten von einer Kursteilnahme abhält. Die Frage ist, wie man die Notwendigkeit zur Beschäftigung mit dem Thema Altersvorsorge in jungen Jahren attraktiv gestalten kann. Mit einem Spiel würde man vielleicht die Zielgruppe erreiche, wenn die entsprechende technische Infrastruktur vorhanden wäre. Ein übersichtliches Entwicklungschart, in das die Parameter eingetragen und einzeln verändert werden können, würde die Wirkungen kleiner Veränderungen visualisieren. Dies wäre in einer einfachen Anwendung z.B. als Tabelle programmierbar.

Fazit

Die Finanzielle Altersvorsorge sollte optimal mit dem ersten Job oder der Berufsausbildung beginnen. Sinnvoll wäre die frühzeitige Adressierung junger Erwachsener mit grundlegenden Lernangeboten zur Altersvorsorge sowie auf aktuelle Entwicklungen abgestimmte Informationsveranstaltungen. Das Ziel eines Bildungsangebots sollte sein, dass die Teilnehmenden in die Lage versetzt werden:

  • die drei Säulen der Altersvorsorge zu benennen
  • Begriffe der Rentenversicherung und Renteninformationen zu verstehen
  • Aspekte und Begriffe betrieblicher und privater Altersvorsoge zu verstehen
  • marktwirtschaftliche Parameter und ihre Auswirkung auf die Ertragsentwicklung zu verstehen
  • eine oder mehrere geeignete Anlageformen passend zu der eigenen Lebenssituation zu identifizieren
  • den Sinn und die Notwendigkeit zum Handeln erkennen.

Anmerkung: Das Thema Eigentum oder Miete als Teil der Altersvorsorge folgt in einem eigenen Blogbeitrag.

By the way

Flaschen sammle ich laufend – ausschließlich im Wald dem Naturschutz zu Liebe. Im letzten Sommer habe ich so auf stundenlangen Spaziergängen mit meinen Hunden Glas- und PET-Flaschen sowie Dosen mit einem gesamten Pfandwert in Höhe von 145,08 Euro zusammengetragen. Den Stundenlohn rechne ich lieber nicht aus.


Susanne Witt.

Über die Autorin

Susanne Witt ist Sportwissenschaftlerin und Journalistin. Sie arbeitet im Deutschen Institut für Erwachsenenbildung als Redakteurin für die Portale wb-web und EPALE.

 

 


Quellen:

  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020). Achter Altersbericht.
  • Bundesagentur für Arbeit (2020). Beschäftigte nach ausgewählten Merkmalen.
  • Deutsche Welle (Hrsg.) (2020). Altersarmut in Deutschland.
  • Mania, E. & Tröster, M. (2014). Finanzielle Grundbildung – Ein Kompetenzmodell entsteht. In: Hessische Blätter für Volksbildung, 64(2), 136–145. Bielefeld DOI: 10.3278/HBV1402W136
  • ZDF (2020). Fast jeder Fünfte von Altersarmut bedroht.
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